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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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den unter Siebenpfeiffer's Leitung erscheinenden "Westboten";
"weil", wie es in der Cabinetsordre König Ludwig's heißt, "weil die
Nedactoren ihre Zeitblätter auf Pressen abdrucken ließen, die der gesetz¬
mäßigen Concession anerkanntermaßen entbehrten, und überdies ihre
Absicht ausdrücklich erklärt hätten, sich der verfassungsmäßig (sie!)
gebotenen Censur durch das Abdrucken der von dem Censor gestrichenen
Stellen und sogar dadurch zu entziehen, daß sie die Blätter erst nach
ihrer Versendung an den Censor gelangen ließen. Auf dem Wege
dieses gesetzwidrigen Verfahrens, wäre dann auch eine Reihe der belei¬
digendsten Angriffe auf die Häupter auswärtiger Staaten und der kühn¬
sten Aufrufe zur Umwälzung deren Verfassung und zur Störung der
in denselben bestehenden Ruhe und Ordnung erschienen." Am folgen¬
den Tage verbot auch der "hohe Bundestag" die genannten beiden
Zeitschriften, wie auch die in Hessen erscheinenden "Neuen Zeitschwin-
gen", und untersagte den Redacteuren dieser Zeitschriften während fünf
Jahren alle publicistische Thätigkeit. Wirth hielt diese Verbote und
die an ihn ergangenen Aufforderungen für ungesetzlich und deshalb sür
wirkungslos; er setzte seine Tribüne nach wie vor fort. Bald darauf
wurde er verhaftet und nach Zweibrücken gebracht. Man verbreitete
das Gerücht, man wolle ihn nach Preußen oder Altbaiern transpor-
tiren und es versammelte sich vor seinem Gefängnisse eine ungeheure
Menschenmenge, ihn zu befreien. Wirth beschwichtigte das Volk, so
daß es auseinander- ging. Cr wurde vom Staatsprocurator dreier
Verbrechen angeklagt, aber am 45. April, nach ungefähr vierwöchent-
licher Haft, glänzend freigesprochen. Die Tribüne setzte er mit frühe¬
rem Muthe, mit erneuter Energie und Kräftigkeit fort.

Bald entzweite sich Wirth mit dem von ihm gestifteten Preßver¬
ein und dem provisorischen Comite desselben, den Herren Savvye,
Schüler, Gelb. Er wurde diesen Leuten zu stürmisch, zu heftig, dem
constitutionellen Liberalismus sing er an einen republikanischen entge¬
gen zu stellen; das Preßcomitv, um kein Verbot ihres Vereins befürch¬
ten zu müssen, desavouirte öffentlich Wirth'S Ansichten und erklärte,
daß dieser Mann durchaus keinen Antheil an ihrer Sache mehr habe!

Zu dieser Zeit bereitete man das Hambacher Fest vor. Nach
vielem Schwanken der bairischen Regierung gab sie endlich dasselbe
zu; es wurde am 27. Mai 1832 von etwa !>0,"00 deutschen Män¬
nern gefeiert. Hier hielt Wirth seine berühmte Rede, deren Inhalt
das in neuester Zeit officiell (?) gewordene - "Kein Preußen, kein Oester¬
reich; ein einiges, festes Deutschland!" war. Er hob namentlich her-


den unter Siebenpfeiffer's Leitung erscheinenden „Westboten";
„weil", wie es in der Cabinetsordre König Ludwig's heißt, „weil die
Nedactoren ihre Zeitblätter auf Pressen abdrucken ließen, die der gesetz¬
mäßigen Concession anerkanntermaßen entbehrten, und überdies ihre
Absicht ausdrücklich erklärt hätten, sich der verfassungsmäßig (sie!)
gebotenen Censur durch das Abdrucken der von dem Censor gestrichenen
Stellen und sogar dadurch zu entziehen, daß sie die Blätter erst nach
ihrer Versendung an den Censor gelangen ließen. Auf dem Wege
dieses gesetzwidrigen Verfahrens, wäre dann auch eine Reihe der belei¬
digendsten Angriffe auf die Häupter auswärtiger Staaten und der kühn¬
sten Aufrufe zur Umwälzung deren Verfassung und zur Störung der
in denselben bestehenden Ruhe und Ordnung erschienen." Am folgen¬
den Tage verbot auch der „hohe Bundestag" die genannten beiden
Zeitschriften, wie auch die in Hessen erscheinenden „Neuen Zeitschwin-
gen", und untersagte den Redacteuren dieser Zeitschriften während fünf
Jahren alle publicistische Thätigkeit. Wirth hielt diese Verbote und
die an ihn ergangenen Aufforderungen für ungesetzlich und deshalb sür
wirkungslos; er setzte seine Tribüne nach wie vor fort. Bald darauf
wurde er verhaftet und nach Zweibrücken gebracht. Man verbreitete
das Gerücht, man wolle ihn nach Preußen oder Altbaiern transpor-
tiren und es versammelte sich vor seinem Gefängnisse eine ungeheure
Menschenmenge, ihn zu befreien. Wirth beschwichtigte das Volk, so
daß es auseinander- ging. Cr wurde vom Staatsprocurator dreier
Verbrechen angeklagt, aber am 45. April, nach ungefähr vierwöchent-
licher Haft, glänzend freigesprochen. Die Tribüne setzte er mit frühe¬
rem Muthe, mit erneuter Energie und Kräftigkeit fort.

Bald entzweite sich Wirth mit dem von ihm gestifteten Preßver¬
ein und dem provisorischen Comite desselben, den Herren Savvye,
Schüler, Gelb. Er wurde diesen Leuten zu stürmisch, zu heftig, dem
constitutionellen Liberalismus sing er an einen republikanischen entge¬
gen zu stellen; das Preßcomitv, um kein Verbot ihres Vereins befürch¬
ten zu müssen, desavouirte öffentlich Wirth'S Ansichten und erklärte,
daß dieser Mann durchaus keinen Antheil an ihrer Sache mehr habe!

Zu dieser Zeit bereitete man das Hambacher Fest vor. Nach
vielem Schwanken der bairischen Regierung gab sie endlich dasselbe
zu; es wurde am 27. Mai 1832 von etwa !>0,»00 deutschen Män¬
nern gefeiert. Hier hielt Wirth seine berühmte Rede, deren Inhalt
das in neuester Zeit officiell (?) gewordene - „Kein Preußen, kein Oester¬
reich; ein einiges, festes Deutschland!" war. Er hob namentlich her-


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[0336] den unter Siebenpfeiffer's Leitung erscheinenden „Westboten"; „weil", wie es in der Cabinetsordre König Ludwig's heißt, „weil die Nedactoren ihre Zeitblätter auf Pressen abdrucken ließen, die der gesetz¬ mäßigen Concession anerkanntermaßen entbehrten, und überdies ihre Absicht ausdrücklich erklärt hätten, sich der verfassungsmäßig (sie!) gebotenen Censur durch das Abdrucken der von dem Censor gestrichenen Stellen und sogar dadurch zu entziehen, daß sie die Blätter erst nach ihrer Versendung an den Censor gelangen ließen. Auf dem Wege dieses gesetzwidrigen Verfahrens, wäre dann auch eine Reihe der belei¬ digendsten Angriffe auf die Häupter auswärtiger Staaten und der kühn¬ sten Aufrufe zur Umwälzung deren Verfassung und zur Störung der in denselben bestehenden Ruhe und Ordnung erschienen." Am folgen¬ den Tage verbot auch der „hohe Bundestag" die genannten beiden Zeitschriften, wie auch die in Hessen erscheinenden „Neuen Zeitschwin- gen", und untersagte den Redacteuren dieser Zeitschriften während fünf Jahren alle publicistische Thätigkeit. Wirth hielt diese Verbote und die an ihn ergangenen Aufforderungen für ungesetzlich und deshalb sür wirkungslos; er setzte seine Tribüne nach wie vor fort. Bald darauf wurde er verhaftet und nach Zweibrücken gebracht. Man verbreitete das Gerücht, man wolle ihn nach Preußen oder Altbaiern transpor- tiren und es versammelte sich vor seinem Gefängnisse eine ungeheure Menschenmenge, ihn zu befreien. Wirth beschwichtigte das Volk, so daß es auseinander- ging. Cr wurde vom Staatsprocurator dreier Verbrechen angeklagt, aber am 45. April, nach ungefähr vierwöchent- licher Haft, glänzend freigesprochen. Die Tribüne setzte er mit frühe¬ rem Muthe, mit erneuter Energie und Kräftigkeit fort. Bald entzweite sich Wirth mit dem von ihm gestifteten Preßver¬ ein und dem provisorischen Comite desselben, den Herren Savvye, Schüler, Gelb. Er wurde diesen Leuten zu stürmisch, zu heftig, dem constitutionellen Liberalismus sing er an einen republikanischen entge¬ gen zu stellen; das Preßcomitv, um kein Verbot ihres Vereins befürch¬ ten zu müssen, desavouirte öffentlich Wirth'S Ansichten und erklärte, daß dieser Mann durchaus keinen Antheil an ihrer Sache mehr habe! Zu dieser Zeit bereitete man das Hambacher Fest vor. Nach vielem Schwanken der bairischen Regierung gab sie endlich dasselbe zu; es wurde am 27. Mai 1832 von etwa !>0,»00 deutschen Män¬ nern gefeiert. Hier hielt Wirth seine berühmte Rede, deren Inhalt das in neuester Zeit officiell (?) gewordene - „Kein Preußen, kein Oester¬ reich; ein einiges, festes Deutschland!" war. Er hob namentlich her-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/336>, abgerufen am 24.11.2024.