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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Beamte", zumal wenn sie Familienväter sind,, selten oder nie findet,
seine Stelle ganz nieder und beschloß, eine Zeitung zu gründen, zu¬
nächst zur Emporhebung des Nationalwohlstandes. So entstand der
Kosmopolit, welcher am I. Januar I8Z1 an wöchentlich zweimal in
Bayreuth erschien.

Wirth stand zu dieser Zeit noch nicht auf der Seite der systema¬
tischen Opposition, er sagte vielmehr bei jeder Gelegenheit, daß es ihm
so wenig um Volksgunst, wie um den Beifall der Regierung zu thun
sei, daß er nur nach seinem Gewissen und seiner Ueberzeugung reden
werde. So entzweite er sich mit dem damals sehr verbreiteten Würz¬
burger Volksblatt, wenn dies da tadelnd über die Regierung herfiel,
wo nach seiner Meinung nichts zu tadeln war.

Ans seinem Vertrauen gegen die Regierung und seinem guten
Glauben an ihre Ehrlichkeit riß ihn aber die Verordnung vom 2?.
Januar I8Z1 heraus, welche gegen den Buchstaben und den Geist
der Verfassungsurkunde die Censur auch für die Besprechung innerer
Staatsangelegenheiten einführte. Wirth beschloß, sich dieser ungesetz¬
lichen Ordonnanz nicht zu fügen, sondern so lange uncensirt drucken
zu lassen, bis er der Gewalt weichen würde Seine Zeitschrift, die
früher nur 7 Abonnenten hatte, wurde jetzt sehr verbreitet, Bote um
Bote erschien, ein Exemplar zu bestellen. Aber der Drucker, einge-
schüchterr durch das Verbot, weigerte sich zu drucken; der Kosmopolit
hatte, wie zu 7 Abonnenten, so es auch zu sieben Nummern gebracht.

Wirth hatte jetzt nichts mehr in Bayreuth zu thun, er ging nach
München und übernahm dort, auf Antrag des Herrn von Cotta,
die Redaction der bairischen Staatszeitung, "des Inlandes"; je¬
doch mußte ihm der Minister von Schenk erst das Versprechen geben,
daß die Censur ihm nicht beschwerlich falle, und daß er frei nach sei¬
nem Gewissen und seiner Ueberzeugung schreiben dürfe, auch wenn sie
in Conflict mit den Ansichten und Maßregeln der Regierung käme.

So sehen wir also diesen Mann als Redacteur eines ministeriellen
Blattes, der später als der wüthendste Jacobtner verschrieen und von
derselben Regierung, der er jetzt seine Dienste mit so gutem Glauben
und so vielem Vertrauen widmete, des Todes angeklagt wurde. -- Er
redigirte "das Inland" so lange, bis ihm ein Artikel über die Verant¬
wortlichkeit der Beamten der Verfassung und der Kammer gegenüber
von der Censur gestrichen wurde. "Ich kannte die Censur," sagt er
in Bezug auf dieses Ereigniß, "bis jetzt nur in der Theorie, und fühlte
zum ersten Male die Wirkung der schönen Sitte, die Ergebnisse tiefen


Beamte», zumal wenn sie Familienväter sind,, selten oder nie findet,
seine Stelle ganz nieder und beschloß, eine Zeitung zu gründen, zu¬
nächst zur Emporhebung des Nationalwohlstandes. So entstand der
Kosmopolit, welcher am I. Januar I8Z1 an wöchentlich zweimal in
Bayreuth erschien.

Wirth stand zu dieser Zeit noch nicht auf der Seite der systema¬
tischen Opposition, er sagte vielmehr bei jeder Gelegenheit, daß es ihm
so wenig um Volksgunst, wie um den Beifall der Regierung zu thun
sei, daß er nur nach seinem Gewissen und seiner Ueberzeugung reden
werde. So entzweite er sich mit dem damals sehr verbreiteten Würz¬
burger Volksblatt, wenn dies da tadelnd über die Regierung herfiel,
wo nach seiner Meinung nichts zu tadeln war.

Ans seinem Vertrauen gegen die Regierung und seinem guten
Glauben an ihre Ehrlichkeit riß ihn aber die Verordnung vom 2?.
Januar I8Z1 heraus, welche gegen den Buchstaben und den Geist
der Verfassungsurkunde die Censur auch für die Besprechung innerer
Staatsangelegenheiten einführte. Wirth beschloß, sich dieser ungesetz¬
lichen Ordonnanz nicht zu fügen, sondern so lange uncensirt drucken
zu lassen, bis er der Gewalt weichen würde Seine Zeitschrift, die
früher nur 7 Abonnenten hatte, wurde jetzt sehr verbreitet, Bote um
Bote erschien, ein Exemplar zu bestellen. Aber der Drucker, einge-
schüchterr durch das Verbot, weigerte sich zu drucken; der Kosmopolit
hatte, wie zu 7 Abonnenten, so es auch zu sieben Nummern gebracht.

Wirth hatte jetzt nichts mehr in Bayreuth zu thun, er ging nach
München und übernahm dort, auf Antrag des Herrn von Cotta,
die Redaction der bairischen Staatszeitung, „des Inlandes"; je¬
doch mußte ihm der Minister von Schenk erst das Versprechen geben,
daß die Censur ihm nicht beschwerlich falle, und daß er frei nach sei¬
nem Gewissen und seiner Ueberzeugung schreiben dürfe, auch wenn sie
in Conflict mit den Ansichten und Maßregeln der Regierung käme.

So sehen wir also diesen Mann als Redacteur eines ministeriellen
Blattes, der später als der wüthendste Jacobtner verschrieen und von
derselben Regierung, der er jetzt seine Dienste mit so gutem Glauben
und so vielem Vertrauen widmete, des Todes angeklagt wurde. — Er
redigirte „das Inland" so lange, bis ihm ein Artikel über die Verant¬
wortlichkeit der Beamten der Verfassung und der Kammer gegenüber
von der Censur gestrichen wurde. „Ich kannte die Censur," sagt er
in Bezug auf dieses Ereigniß, „bis jetzt nur in der Theorie, und fühlte
zum ersten Male die Wirkung der schönen Sitte, die Ergebnisse tiefen


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[0334] Beamte», zumal wenn sie Familienväter sind,, selten oder nie findet, seine Stelle ganz nieder und beschloß, eine Zeitung zu gründen, zu¬ nächst zur Emporhebung des Nationalwohlstandes. So entstand der Kosmopolit, welcher am I. Januar I8Z1 an wöchentlich zweimal in Bayreuth erschien. Wirth stand zu dieser Zeit noch nicht auf der Seite der systema¬ tischen Opposition, er sagte vielmehr bei jeder Gelegenheit, daß es ihm so wenig um Volksgunst, wie um den Beifall der Regierung zu thun sei, daß er nur nach seinem Gewissen und seiner Ueberzeugung reden werde. So entzweite er sich mit dem damals sehr verbreiteten Würz¬ burger Volksblatt, wenn dies da tadelnd über die Regierung herfiel, wo nach seiner Meinung nichts zu tadeln war. Ans seinem Vertrauen gegen die Regierung und seinem guten Glauben an ihre Ehrlichkeit riß ihn aber die Verordnung vom 2?. Januar I8Z1 heraus, welche gegen den Buchstaben und den Geist der Verfassungsurkunde die Censur auch für die Besprechung innerer Staatsangelegenheiten einführte. Wirth beschloß, sich dieser ungesetz¬ lichen Ordonnanz nicht zu fügen, sondern so lange uncensirt drucken zu lassen, bis er der Gewalt weichen würde Seine Zeitschrift, die früher nur 7 Abonnenten hatte, wurde jetzt sehr verbreitet, Bote um Bote erschien, ein Exemplar zu bestellen. Aber der Drucker, einge- schüchterr durch das Verbot, weigerte sich zu drucken; der Kosmopolit hatte, wie zu 7 Abonnenten, so es auch zu sieben Nummern gebracht. Wirth hatte jetzt nichts mehr in Bayreuth zu thun, er ging nach München und übernahm dort, auf Antrag des Herrn von Cotta, die Redaction der bairischen Staatszeitung, „des Inlandes"; je¬ doch mußte ihm der Minister von Schenk erst das Versprechen geben, daß die Censur ihm nicht beschwerlich falle, und daß er frei nach sei¬ nem Gewissen und seiner Ueberzeugung schreiben dürfe, auch wenn sie in Conflict mit den Ansichten und Maßregeln der Regierung käme. So sehen wir also diesen Mann als Redacteur eines ministeriellen Blattes, der später als der wüthendste Jacobtner verschrieen und von derselben Regierung, der er jetzt seine Dienste mit so gutem Glauben und so vielem Vertrauen widmete, des Todes angeklagt wurde. — Er redigirte „das Inland" so lange, bis ihm ein Artikel über die Verant¬ wortlichkeit der Beamten der Verfassung und der Kammer gegenüber von der Censur gestrichen wurde. „Ich kannte die Censur," sagt er in Bezug auf dieses Ereigniß, „bis jetzt nur in der Theorie, und fühlte zum ersten Male die Wirkung der schönen Sitte, die Ergebnisse tiefen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/334>, abgerufen am 24.11.2024.