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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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auch nicht verhehlen, daß er einer Prüfung entgegen geht, die über seinen
Charakter endlich das letzte entscheidende Urtheil herbeiruft. Er steht an
der Schwelle einer Thätigkeit, wo es sich bald zeigen wird, ob ein dürrer
Egoismus oder eine warme poetische Seele ihn belebt, ob der Schrift¬
steller über den Hofmann, der höhere männliche Ehrgeiz über die kleine
Eitelkeit ihm geht. Herr Dingelstedt ist Legationsrath geworden. Der
für seine Antecedentien ziemlich ridikule bisherige Titel ist abgestreift.
Wir gratuliren ihm dazu. Obschon wir nicht glauben, daß der Herr
Legationsrath den Beruf hat, dereinst als diplomatischer Nachtwächter am
deutschen Bundestage die Morgenröthe deutscher Freiheit herbei zu blasen,
so ist es uns doch willkommen, eine so bekannte literarische Persönlichkeit
aus der halbkomischen Stellung erlöst zu sehen, die auf die Gesammtheit
der Schriftsteller einen sei es auch nur noch so dünnen Schein von Zwei¬
deutigkeit warf. Es ist voraus zu sehen, daß bei der großen Ordensver¬
theilung, die bei Gelegenheit der Vermählungsfeier stattfinden wird,
unserm geistreichen schriftstellerischen College", der Antheil an diesen Aus¬
zeichnungen nicht entgehen kann, der ihm bei den mannichfachen schmerz¬
lichen Stunden, die seine Stellung ihm bereitete und bei den vielen bit¬
tern Angrissen, welche die liberale Presse gegen ihn richtete, gewissermaßen
als Entschädigung gebührt. Der Orden der würtembergischen Krone führt
sogar den persönlichen Adel mit und es wird sicherlich an Spöttereien
und Hallohgeschrei nicht fehlen, sobald das erste Mal das "Ritter'/ oder
das "von" mit dem wohlbekannten Namen des coömopolitischen lyrischen
Sünders in Verbindung gebracht werden. Allein dieser Witz des Anfalls,
oder auch diese im Geiste des alten Fritz gehaltene Gunstbezeigung Sr.
Majestät unseres Königs, wäre eine natürliche Tache und obschon es im
Gedichte heißt:

so würden wir diese Ordensverleihung doch ganz in der Ordnung finden.
Von unserer Seite soll nicht das leiseste spöttische Wort darüber fallen.
Wir sind zwar kein Legationsrath, indessen doch im diplomatischen Geist
unserer Zeit so großgezogen, um das kalt ne<:van>i submissest zu respectiren.
Möge daher der cosmopolitische Nachtwächter immerhin den Frack mit
einem ganzen Regenbogen von farbigen Ordensbändchen geschmückt erhal¬
ten, wir werden ihm darüber (vorausgesetzt daß kein russischer Orden
darunter ist!) nicht den Krieg machen, wenn nur das Herz unter dem
Frack sich als ein wackeres beweist. Hier erwarten wir Herrn Dingel¬
stedt. Die Prüfungsstunde wird nicht lange ausbleiben.


IV.
Uns Leipzig.

Ostermesse. -- Leipziger und Frankfurter Bundestag. -- Persönlichkeiten
deutscher Buchhändler. -- ' Aufschwung des Kommissionshandels. -- Die Ueber¬
setzungen. -- Beispielloser Absatz. -- Aufschlüsse über Otto Wigand.

Ueber den Congreß von Verona, über den Congreß von Wien, sind
unzählige pikante Schilderungen erschienen. Warum hat nie Jemand


auch nicht verhehlen, daß er einer Prüfung entgegen geht, die über seinen
Charakter endlich das letzte entscheidende Urtheil herbeiruft. Er steht an
der Schwelle einer Thätigkeit, wo es sich bald zeigen wird, ob ein dürrer
Egoismus oder eine warme poetische Seele ihn belebt, ob der Schrift¬
steller über den Hofmann, der höhere männliche Ehrgeiz über die kleine
Eitelkeit ihm geht. Herr Dingelstedt ist Legationsrath geworden. Der
für seine Antecedentien ziemlich ridikule bisherige Titel ist abgestreift.
Wir gratuliren ihm dazu. Obschon wir nicht glauben, daß der Herr
Legationsrath den Beruf hat, dereinst als diplomatischer Nachtwächter am
deutschen Bundestage die Morgenröthe deutscher Freiheit herbei zu blasen,
so ist es uns doch willkommen, eine so bekannte literarische Persönlichkeit
aus der halbkomischen Stellung erlöst zu sehen, die auf die Gesammtheit
der Schriftsteller einen sei es auch nur noch so dünnen Schein von Zwei¬
deutigkeit warf. Es ist voraus zu sehen, daß bei der großen Ordensver¬
theilung, die bei Gelegenheit der Vermählungsfeier stattfinden wird,
unserm geistreichen schriftstellerischen College», der Antheil an diesen Aus¬
zeichnungen nicht entgehen kann, der ihm bei den mannichfachen schmerz¬
lichen Stunden, die seine Stellung ihm bereitete und bei den vielen bit¬
tern Angrissen, welche die liberale Presse gegen ihn richtete, gewissermaßen
als Entschädigung gebührt. Der Orden der würtembergischen Krone führt
sogar den persönlichen Adel mit und es wird sicherlich an Spöttereien
und Hallohgeschrei nicht fehlen, sobald das erste Mal das „Ritter'/ oder
das „von" mit dem wohlbekannten Namen des coömopolitischen lyrischen
Sünders in Verbindung gebracht werden. Allein dieser Witz des Anfalls,
oder auch diese im Geiste des alten Fritz gehaltene Gunstbezeigung Sr.
Majestät unseres Königs, wäre eine natürliche Tache und obschon es im
Gedichte heißt:

so würden wir diese Ordensverleihung doch ganz in der Ordnung finden.
Von unserer Seite soll nicht das leiseste spöttische Wort darüber fallen.
Wir sind zwar kein Legationsrath, indessen doch im diplomatischen Geist
unserer Zeit so großgezogen, um das kalt ne<:van>i submissest zu respectiren.
Möge daher der cosmopolitische Nachtwächter immerhin den Frack mit
einem ganzen Regenbogen von farbigen Ordensbändchen geschmückt erhal¬
ten, wir werden ihm darüber (vorausgesetzt daß kein russischer Orden
darunter ist!) nicht den Krieg machen, wenn nur das Herz unter dem
Frack sich als ein wackeres beweist. Hier erwarten wir Herrn Dingel¬
stedt. Die Prüfungsstunde wird nicht lange ausbleiben.


IV.
Uns Leipzig.

Ostermesse. — Leipziger und Frankfurter Bundestag. — Persönlichkeiten
deutscher Buchhändler. — ' Aufschwung des Kommissionshandels. — Die Ueber¬
setzungen. — Beispielloser Absatz. — Aufschlüsse über Otto Wigand.

Ueber den Congreß von Verona, über den Congreß von Wien, sind
unzählige pikante Schilderungen erschienen. Warum hat nie Jemand


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[0324] auch nicht verhehlen, daß er einer Prüfung entgegen geht, die über seinen Charakter endlich das letzte entscheidende Urtheil herbeiruft. Er steht an der Schwelle einer Thätigkeit, wo es sich bald zeigen wird, ob ein dürrer Egoismus oder eine warme poetische Seele ihn belebt, ob der Schrift¬ steller über den Hofmann, der höhere männliche Ehrgeiz über die kleine Eitelkeit ihm geht. Herr Dingelstedt ist Legationsrath geworden. Der für seine Antecedentien ziemlich ridikule bisherige Titel ist abgestreift. Wir gratuliren ihm dazu. Obschon wir nicht glauben, daß der Herr Legationsrath den Beruf hat, dereinst als diplomatischer Nachtwächter am deutschen Bundestage die Morgenröthe deutscher Freiheit herbei zu blasen, so ist es uns doch willkommen, eine so bekannte literarische Persönlichkeit aus der halbkomischen Stellung erlöst zu sehen, die auf die Gesammtheit der Schriftsteller einen sei es auch nur noch so dünnen Schein von Zwei¬ deutigkeit warf. Es ist voraus zu sehen, daß bei der großen Ordensver¬ theilung, die bei Gelegenheit der Vermählungsfeier stattfinden wird, unserm geistreichen schriftstellerischen College», der Antheil an diesen Aus¬ zeichnungen nicht entgehen kann, der ihm bei den mannichfachen schmerz¬ lichen Stunden, die seine Stellung ihm bereitete und bei den vielen bit¬ tern Angrissen, welche die liberale Presse gegen ihn richtete, gewissermaßen als Entschädigung gebührt. Der Orden der würtembergischen Krone führt sogar den persönlichen Adel mit und es wird sicherlich an Spöttereien und Hallohgeschrei nicht fehlen, sobald das erste Mal das „Ritter'/ oder das „von" mit dem wohlbekannten Namen des coömopolitischen lyrischen Sünders in Verbindung gebracht werden. Allein dieser Witz des Anfalls, oder auch diese im Geiste des alten Fritz gehaltene Gunstbezeigung Sr. Majestät unseres Königs, wäre eine natürliche Tache und obschon es im Gedichte heißt: so würden wir diese Ordensverleihung doch ganz in der Ordnung finden. Von unserer Seite soll nicht das leiseste spöttische Wort darüber fallen. Wir sind zwar kein Legationsrath, indessen doch im diplomatischen Geist unserer Zeit so großgezogen, um das kalt ne<:van>i submissest zu respectiren. Möge daher der cosmopolitische Nachtwächter immerhin den Frack mit einem ganzen Regenbogen von farbigen Ordensbändchen geschmückt erhal¬ ten, wir werden ihm darüber (vorausgesetzt daß kein russischer Orden darunter ist!) nicht den Krieg machen, wenn nur das Herz unter dem Frack sich als ein wackeres beweist. Hier erwarten wir Herrn Dingel¬ stedt. Die Prüfungsstunde wird nicht lange ausbleiben. IV. Uns Leipzig. Ostermesse. — Leipziger und Frankfurter Bundestag. — Persönlichkeiten deutscher Buchhändler. — ' Aufschwung des Kommissionshandels. — Die Ueber¬ setzungen. — Beispielloser Absatz. — Aufschlüsse über Otto Wigand. Ueber den Congreß von Verona, über den Congreß von Wien, sind unzählige pikante Schilderungen erschienen. Warum hat nie Jemand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/324>, abgerufen am 27.11.2024.