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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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zufließen würde. Selbst die würtembergischen Adeligen bei ihrem mäßigen
Einkommen schauen dem Eintreffen der an Glanz und Größe gewohnten
Prinzessin mit pochendem Herzen entgegen. Wie den Aufwand betreiben,
den ihnen, den geborenen Coryphäen und Statisten der Hoffeste, das jmint
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sich von der schwelgerischen Pracht der russischen Starosten, die nun hier
ihr Absteigequartier nehmen werden, nicht überflügelt zu sehen, sie, die in
besserer Gesittung und in einem freien Lande lebend, ihre Wagengespanne
nicht von kurzgeschorenen Kosaken führen und den Silberrubel nicht aus
dem Marke gepeitschter Leibeignen zum Heckcthaler schmelzen lassen kön¬
nen? Mit welchen mißtrauischen Blicken die Liberalen in die Zukunft
sehen, ist leicht zu ermessen. Unser Kronprinz ist ein noch sehr junger
Mann, dem man zwar einen selbstständigen, ja eigenwilligen Charakter
nachrühmt; allein die strahlende Olga ist so schön und der weiße Czar
ist groß! Doch achten wir das Familienglück der allen Würtenbergern
theuern Königsfamilie und stören wir nicht durch vorläufige Reflexionen
das Familienfest, zu dem sie sich vorbereitet. Lassen wir dem Mensch¬
lichen zur Zeit die Oberhand über die Politik und nehmen wir diese auf,
wenn der Moment uns dazu rufen wird. Die Vorbereitungen zu den
nächsten Festen sind glänzend. Für das Gesammtpublicum, das außer¬
halb der erclusiven Hofkreise steht, ist namentlich das neue, in seinem
Innern umgebaute Theater eine Quelle großer Erwartungen. Das halb¬
neue Gebäude, die neuen Engagements, die neue Leitung, zu der Herr
von Gall aus Oldenburg berufen wurde, die Ernennung Dingelstedt's
zum Dramaturgen, alles dieses stachelt die Neugierde und wir wollen
hoffen, daß nicht blos diese allein, sondern auch die höhere Aufgabe der
Kunst ihre Lösung finden möge. Bei der intimen Stellung Dingelstedt's
zu zwei der größten politischen Blätter am Rheine und in Süddeutsch¬
land, von denen sich Letzteres für würtenbergische Zustände noch ganz
besonders interesstrt, bei seiner Verbindung mit der vielverbreiteten "Illu¬
strieren" und bei dem natürlichen Wunsche mancher andern Zeitschrift
Beiträge aus seiner pikanten stylistisch-liebenswürdigen Feder zu erhalten,
wird es an vollen Glockentönen sür die neuen Leistungen unseres Thea¬
ters nicht fehlen. Indessen werden Sie mir gestatten, in Ihrem unab¬
hängigen Blatte Gebrauch zu machen von jenem leidenschaftslosen Frei-
wuth, der die Grenzboten charakterisirt. Das Stuttgarter Theater wird
in der neuen Phase, in die es tritt, aufhören in den Bereich des gewöhn¬
lichen Theaterklatsches zu gehören, es erhält durch die Summen, die dar¬
auf verwendet werden, so wie durch den Klang der Namen, die jetzt an
seiner Spitze stehen, eine allgemeine deutsche Bedeutung. Es wird sich
Zeigen, was an der Spitze eines Institutes, das die pecunmre Frage als
Nebensache behandeln kann, ein Schriftsteller zu leisten vermag, der end¬
lich die Stelle erreichte, von der aus er einen wirklichen Einfluß auf einen
Theil unserer Zustände üben kann und der dazu die Eigenschaften mit¬
bringt, die man bei den übrigen Intendanten und Dramaturgen deut¬
scher Bühnen nicht findet: gesellschaftliche und literarische Bildung, gesell¬
schaftliche und literarische Stellung! Aber Herr Dingelstedt darf sich's


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zufließen würde. Selbst die würtembergischen Adeligen bei ihrem mäßigen
Einkommen schauen dem Eintreffen der an Glanz und Größe gewohnten
Prinzessin mit pochendem Herzen entgegen. Wie den Aufwand betreiben,
den ihnen, den geborenen Coryphäen und Statisten der Hoffeste, das jmint
,I'!i<»i,i<;ni- von nun an auferlegt? Wie dem drückenden Gefühle entgehen,
sich von der schwelgerischen Pracht der russischen Starosten, die nun hier
ihr Absteigequartier nehmen werden, nicht überflügelt zu sehen, sie, die in
besserer Gesittung und in einem freien Lande lebend, ihre Wagengespanne
nicht von kurzgeschorenen Kosaken führen und den Silberrubel nicht aus
dem Marke gepeitschter Leibeignen zum Heckcthaler schmelzen lassen kön¬
nen? Mit welchen mißtrauischen Blicken die Liberalen in die Zukunft
sehen, ist leicht zu ermessen. Unser Kronprinz ist ein noch sehr junger
Mann, dem man zwar einen selbstständigen, ja eigenwilligen Charakter
nachrühmt; allein die strahlende Olga ist so schön und der weiße Czar
ist groß! Doch achten wir das Familienglück der allen Würtenbergern
theuern Königsfamilie und stören wir nicht durch vorläufige Reflexionen
das Familienfest, zu dem sie sich vorbereitet. Lassen wir dem Mensch¬
lichen zur Zeit die Oberhand über die Politik und nehmen wir diese auf,
wenn der Moment uns dazu rufen wird. Die Vorbereitungen zu den
nächsten Festen sind glänzend. Für das Gesammtpublicum, das außer¬
halb der erclusiven Hofkreise steht, ist namentlich das neue, in seinem
Innern umgebaute Theater eine Quelle großer Erwartungen. Das halb¬
neue Gebäude, die neuen Engagements, die neue Leitung, zu der Herr
von Gall aus Oldenburg berufen wurde, die Ernennung Dingelstedt's
zum Dramaturgen, alles dieses stachelt die Neugierde und wir wollen
hoffen, daß nicht blos diese allein, sondern auch die höhere Aufgabe der
Kunst ihre Lösung finden möge. Bei der intimen Stellung Dingelstedt's
zu zwei der größten politischen Blätter am Rheine und in Süddeutsch¬
land, von denen sich Letzteres für würtenbergische Zustände noch ganz
besonders interesstrt, bei seiner Verbindung mit der vielverbreiteten „Illu¬
strieren" und bei dem natürlichen Wunsche mancher andern Zeitschrift
Beiträge aus seiner pikanten stylistisch-liebenswürdigen Feder zu erhalten,
wird es an vollen Glockentönen sür die neuen Leistungen unseres Thea¬
ters nicht fehlen. Indessen werden Sie mir gestatten, in Ihrem unab¬
hängigen Blatte Gebrauch zu machen von jenem leidenschaftslosen Frei-
wuth, der die Grenzboten charakterisirt. Das Stuttgarter Theater wird
in der neuen Phase, in die es tritt, aufhören in den Bereich des gewöhn¬
lichen Theaterklatsches zu gehören, es erhält durch die Summen, die dar¬
auf verwendet werden, so wie durch den Klang der Namen, die jetzt an
seiner Spitze stehen, eine allgemeine deutsche Bedeutung. Es wird sich
Zeigen, was an der Spitze eines Institutes, das die pecunmre Frage als
Nebensache behandeln kann, ein Schriftsteller zu leisten vermag, der end¬
lich die Stelle erreichte, von der aus er einen wirklichen Einfluß auf einen
Theil unserer Zustände üben kann und der dazu die Eigenschaften mit¬
bringt, die man bei den übrigen Intendanten und Dramaturgen deut¬
scher Bühnen nicht findet: gesellschaftliche und literarische Bildung, gesell¬
schaftliche und literarische Stellung! Aber Herr Dingelstedt darf sich's


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/323>, abgerufen am 28.11.2024.