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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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nisse höchst charakteristisch für das jetzige Frankreich. Trotz aller Beileids,
bezeigungcn, die doch nur officiell sind, konnte man die unendliche Theil-
nahmlosigkeit für Politik im Allgemeinen und für gewisse Persönlichkeiten
im Besondern deutlich genug erkennen. Nur daß die gute, fromme,
wohlthatige Königin den Schreck mit haben mußte und die ganze darauf
folgende Nacht in Thränen und Gebet zubrachte erzählte man sich mit
Rührung, denn sie ist wirklich geliebt und verehrt, --

Der erste Mai, der Geburtstag der Wonne, der Blumen, der
Frühlingsliebe und der Namenstag Louis Philippe's ging ruhig und pracht¬
voll vorüber. Louis Philippe zeigte sich am Abend, in Mitte seiner Fa¬
milie an der Seite des Grafen von Paris, auf dem Balkone seinem
Volke. Nur zwei Dinge fanden die Pariser bei dieser Gelegenheit bemer¬
kenswerth; erstens, daß der König selbst seinem Enkel die Kappe vom
Kopfe zog und ihm befahl, sich vor dem Volke zu verbeugen, zweitens,
daß der König nicht mehr wie sonst den Takt zur Marseillaise schlug.
Sonntags darauf sprangen die hundert kleinen und großen, weltberühm¬
ten Fontänen von Versailles, die alljährlich über 40M0 Fras. kosten
sollen. Unter den zahllosen staunenden Zuschauern befand sich auch Ibra¬
him Pascha mit seinem ganzen Gefolge von weißen, braunen, gelben
und schwarzen Offizieren. Als er später, an ein Fenster des Schlosses
gelehnt, den Rauch seiner Pfeife verschluckend, einen schwarzen Sclaven
hinter sich, phlegmatisch auf das Volksgewühl hemiedcrschaute, hatte ich
Gelegenheit mir den Eroberer von Syrien aufmerksam zu betrachten. Ich
kann Ihnen versichern, er hat nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem in
Europa circulirenden imposanten Reiterbilde, auf dem er so schön aus¬
steht. Er scheint mehr aus der Phantasie irgend eines Mitarbeiters einer
illustrirten Zeitung hervorgegangen, als nach der Natur gezeichnet. Ibra¬
him Pascha hat nicht einmal die gewöhnlichste Schönheit des Türken.
Sein ganzes Gesicht ist alltäglich, nur die Augen haben etwas UnHeim-
liches. Lauerndes, dunkel Glühendes, etwas vom Katzengeschlechte, wenn
man etwa den Löwen ausnimmt. Interessanter fast war mir ein kleiner
Negerknabe, der ihn bestandig begleitet und voraus zu einem hohen Wür¬
denträger bestimmt sein soll. Die unsäglichste afrikanische Wildheit liegt
auf seinem ganzen, mürrisch blickenden Gesichte und als er auf das Volks¬
gewühl, später auf das prächtige Feuerwerk und das in bengalischen
Flammen stehende Schloß niedersah, schien er mir das ganze europäische
Treiben maßlos zu verachten, während ein Landsmann von ihm unge¬
fähr fünfzig Schritte vom Schlosse, vor einer Seiltänzerbude mit trauri¬
ger Miene die Trommel schlug. Als der kleine Begleiter des Pascha's
an ihm vorüber ging, würdigte er ihm kaum eines Blickes und doch
rauschte vielleicht dieselbe Palme über ihren Wiegen, denn Beide sind
Habessl'nier. Ja deutsch gemüthlich sind diese Schwarzen nicht!--
Nächsten Sonnabend wird Ibrahim Pascha zu Ehren ein großes Musik¬
fest gegeben, bei welchem mehre entsprechende Stücke vorkommen, als da
sind, die Wüste von Fetialen David, ägyptische Melodien und ein marok¬
kanischer Marsch von Berlioz. Die pariser musikalischen Türken sollen
sich hüten! was die Odalisken von Notredame de Lorette für ächt tur-


nisse höchst charakteristisch für das jetzige Frankreich. Trotz aller Beileids,
bezeigungcn, die doch nur officiell sind, konnte man die unendliche Theil-
nahmlosigkeit für Politik im Allgemeinen und für gewisse Persönlichkeiten
im Besondern deutlich genug erkennen. Nur daß die gute, fromme,
wohlthatige Königin den Schreck mit haben mußte und die ganze darauf
folgende Nacht in Thränen und Gebet zubrachte erzählte man sich mit
Rührung, denn sie ist wirklich geliebt und verehrt, —

Der erste Mai, der Geburtstag der Wonne, der Blumen, der
Frühlingsliebe und der Namenstag Louis Philippe's ging ruhig und pracht¬
voll vorüber. Louis Philippe zeigte sich am Abend, in Mitte seiner Fa¬
milie an der Seite des Grafen von Paris, auf dem Balkone seinem
Volke. Nur zwei Dinge fanden die Pariser bei dieser Gelegenheit bemer¬
kenswerth; erstens, daß der König selbst seinem Enkel die Kappe vom
Kopfe zog und ihm befahl, sich vor dem Volke zu verbeugen, zweitens,
daß der König nicht mehr wie sonst den Takt zur Marseillaise schlug.
Sonntags darauf sprangen die hundert kleinen und großen, weltberühm¬
ten Fontänen von Versailles, die alljährlich über 40M0 Fras. kosten
sollen. Unter den zahllosen staunenden Zuschauern befand sich auch Ibra¬
him Pascha mit seinem ganzen Gefolge von weißen, braunen, gelben
und schwarzen Offizieren. Als er später, an ein Fenster des Schlosses
gelehnt, den Rauch seiner Pfeife verschluckend, einen schwarzen Sclaven
hinter sich, phlegmatisch auf das Volksgewühl hemiedcrschaute, hatte ich
Gelegenheit mir den Eroberer von Syrien aufmerksam zu betrachten. Ich
kann Ihnen versichern, er hat nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem in
Europa circulirenden imposanten Reiterbilde, auf dem er so schön aus¬
steht. Er scheint mehr aus der Phantasie irgend eines Mitarbeiters einer
illustrirten Zeitung hervorgegangen, als nach der Natur gezeichnet. Ibra¬
him Pascha hat nicht einmal die gewöhnlichste Schönheit des Türken.
Sein ganzes Gesicht ist alltäglich, nur die Augen haben etwas UnHeim-
liches. Lauerndes, dunkel Glühendes, etwas vom Katzengeschlechte, wenn
man etwa den Löwen ausnimmt. Interessanter fast war mir ein kleiner
Negerknabe, der ihn bestandig begleitet und voraus zu einem hohen Wür¬
denträger bestimmt sein soll. Die unsäglichste afrikanische Wildheit liegt
auf seinem ganzen, mürrisch blickenden Gesichte und als er auf das Volks¬
gewühl, später auf das prächtige Feuerwerk und das in bengalischen
Flammen stehende Schloß niedersah, schien er mir das ganze europäische
Treiben maßlos zu verachten, während ein Landsmann von ihm unge¬
fähr fünfzig Schritte vom Schlosse, vor einer Seiltänzerbude mit trauri¬
ger Miene die Trommel schlug. Als der kleine Begleiter des Pascha's
an ihm vorüber ging, würdigte er ihm kaum eines Blickes und doch
rauschte vielleicht dieselbe Palme über ihren Wiegen, denn Beide sind
Habessl'nier. Ja deutsch gemüthlich sind diese Schwarzen nicht!--
Nächsten Sonnabend wird Ibrahim Pascha zu Ehren ein großes Musik¬
fest gegeben, bei welchem mehre entsprechende Stücke vorkommen, als da
sind, die Wüste von Fetialen David, ägyptische Melodien und ein marok¬
kanischer Marsch von Berlioz. Die pariser musikalischen Türken sollen
sich hüten! was die Odalisken von Notredame de Lorette für ächt tur-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/320>, abgerufen am 28.11.2024.