Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.Zweck verloren sieht, dem scheint leicht das Gesammtdasein zwecklos. Zwar gesteht Rüge ein, das; das Reich der Freiheit keineswegs Zweck verloren sieht, dem scheint leicht das Gesammtdasein zwecklos. Zwar gesteht Rüge ein, das; das Reich der Freiheit keineswegs <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182660"/> <p xml:id="ID_667" prev="#ID_666"> Zweck verloren sieht, dem scheint leicht das Gesammtdasein zwecklos.<lb/> „Die Welt," fährt Rüge fort, „ist damit zufrieden, und die Leute lie¬<lb/> ben es, sich zu rühmen, wie sehr sie fortschreiten---- Ohne Zweifel,<lb/> ihr Vortrefflichen, kommt ihr euerm Ziel immer näher; ist es nicht<lb/> dem, welches ihr wollt, so ist es doch dem, welches ihr nicht wollt/'<lb/> Die scheinbare Befreiung ist in eine Restauration möglichst aller aus<lb/> der Zeit der „Unfreiheit", aus dem Mittelalter herstammenden und<lb/> diesem wieder zufliegenden Ideen umgeschlagen, in die „heilige Allianz<lb/> für die Wiederherstellung der alten Grabesruhe unterjochter, unge¬<lb/> schichtlicher, entmenschter Völker."... „Das alte wüste Reich ist wie¬<lb/> der auferstanden, Altdeutschland liegt, wie der Alp, auf jeder freien<lb/> Brust." Nichts findet er in Deutschland, als die besten „Dienernatu¬<lb/> ren", daher denn auch wirklich im Auslande deutsche Dienstboten am<lb/> meisten gesucht und geschätzt seien.</p><lb/> <p xml:id="ID_668" next="#ID_669"> Zwar gesteht Rüge ein, das; das Reich der Freiheit keineswegs<lb/> nur in Deutschland, sondern überall in der Welt noch vergeblich ge¬<lb/> sucht werde; von religiösem und politischem Fanatismus frei finde<lb/> man „nur einzelne Oasen in der Welt der Dichtung und wenige Weise<lb/> und Dichter in der Wirklichkeit." „Ganze Völker, auch nur ganze<lb/> Parteien, die unbefangen, gebildet und frei wären, würden wir um¬<lb/> sonst suchen. Wer mit ihnen und mit ihrer Geschichte sich einläßt,<lb/> der hat auch mit ihren Göttern und den Gräueln ihres Wahns zu<lb/> thun." Aber Deutschland ist es nun einmal, das ihn zunächst verletzt,<lb/> das ihn aus seinem Himmel gerissen hat, auf Deutschland daher vor¬<lb/> zugsweise leert er den Köcher seines Zornes; um so mehr, da eS ja<lb/> eben sein Vaterland ist, welches er nun doch am meisten liebt, welches<lb/> er am liebsten verherrlicht sähe durch die Aufrichtung jenes „Reiches<lb/> der Freiheit", von welchem man überall leider nur Oasen antreffe.<lb/> Ueberall ist ihm der „beschränkte Volksgeist" ein Gräuel; aber in<lb/> Deutschland, wo derselbe die von Rüge und den Mitarbeiten» der<lb/> Jahrbücher ihm angebotene Freiheit zurückgestoßen hat, in Deutschland,<lb/> welches die Boten des neuen Evangeliums nicht aufgenommen hat,<lb/> da muß man hinausgehen, den Staub von den Füßen schütteln und<lb/> Wehe rufen über die Verblendeten und Trägen. Rüge läßt den Dr.<lb/> Pollio in Nürnberg sage,» : „Wie können Sie an eine Befreiung der<lb/> Deutschen aus eigenen Mitteln glauben? Der Deutschen Zeit ist vor¬<lb/> über. Jahrtausende haben sie beherrscht und gemißbraucht. Die Deut¬<lb/> schen verstehen nichts von menschlichen Dingen und bürgerlicher Frei¬<lb/> heit. Ihr Befremnöftieg vor dreißig Jahren war nur ein ReligtonS-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
Zweck verloren sieht, dem scheint leicht das Gesammtdasein zwecklos.
„Die Welt," fährt Rüge fort, „ist damit zufrieden, und die Leute lie¬
ben es, sich zu rühmen, wie sehr sie fortschreiten---- Ohne Zweifel,
ihr Vortrefflichen, kommt ihr euerm Ziel immer näher; ist es nicht
dem, welches ihr wollt, so ist es doch dem, welches ihr nicht wollt/'
Die scheinbare Befreiung ist in eine Restauration möglichst aller aus
der Zeit der „Unfreiheit", aus dem Mittelalter herstammenden und
diesem wieder zufliegenden Ideen umgeschlagen, in die „heilige Allianz
für die Wiederherstellung der alten Grabesruhe unterjochter, unge¬
schichtlicher, entmenschter Völker."... „Das alte wüste Reich ist wie¬
der auferstanden, Altdeutschland liegt, wie der Alp, auf jeder freien
Brust." Nichts findet er in Deutschland, als die besten „Dienernatu¬
ren", daher denn auch wirklich im Auslande deutsche Dienstboten am
meisten gesucht und geschätzt seien.
Zwar gesteht Rüge ein, das; das Reich der Freiheit keineswegs
nur in Deutschland, sondern überall in der Welt noch vergeblich ge¬
sucht werde; von religiösem und politischem Fanatismus frei finde
man „nur einzelne Oasen in der Welt der Dichtung und wenige Weise
und Dichter in der Wirklichkeit." „Ganze Völker, auch nur ganze
Parteien, die unbefangen, gebildet und frei wären, würden wir um¬
sonst suchen. Wer mit ihnen und mit ihrer Geschichte sich einläßt,
der hat auch mit ihren Göttern und den Gräueln ihres Wahns zu
thun." Aber Deutschland ist es nun einmal, das ihn zunächst verletzt,
das ihn aus seinem Himmel gerissen hat, auf Deutschland daher vor¬
zugsweise leert er den Köcher seines Zornes; um so mehr, da eS ja
eben sein Vaterland ist, welches er nun doch am meisten liebt, welches
er am liebsten verherrlicht sähe durch die Aufrichtung jenes „Reiches
der Freiheit", von welchem man überall leider nur Oasen antreffe.
Ueberall ist ihm der „beschränkte Volksgeist" ein Gräuel; aber in
Deutschland, wo derselbe die von Rüge und den Mitarbeiten» der
Jahrbücher ihm angebotene Freiheit zurückgestoßen hat, in Deutschland,
welches die Boten des neuen Evangeliums nicht aufgenommen hat,
da muß man hinausgehen, den Staub von den Füßen schütteln und
Wehe rufen über die Verblendeten und Trägen. Rüge läßt den Dr.
Pollio in Nürnberg sage,» : „Wie können Sie an eine Befreiung der
Deutschen aus eigenen Mitteln glauben? Der Deutschen Zeit ist vor¬
über. Jahrtausende haben sie beherrscht und gemißbraucht. Die Deut¬
schen verstehen nichts von menschlichen Dingen und bürgerlicher Frei¬
heit. Ihr Befremnöftieg vor dreißig Jahren war nur ein ReligtonS-
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