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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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von denen nicht alle widerlegt werden. Der Wiener muß von Zeit
zu Zeit eine neue Liguorianergeschichte zu verzehren haben; es ist
dies ein wesentlicher Bestandtheil seiner Conversation. Die polnischen
Ereignisse mit ihren unerhörten, fast mährchenhaften Episoden konnten
unmöglich vorübergehen, ohne daß die Volksphantasie die Liguorianer
dabei eine Rolle spielen ließ, die Verwickelung der polnischen Geistlichkeit
in der galizischen Verschwörung, und die Thatsache, daß unter den Li-
guorianern ein großer Theil aus Slaven besteht und vielleicht noch man¬
cher andere, den Behörden selbst unbekannte Umstand hat der Selbst¬
mordgeschichte ihren Ursprung gegeben. Die Regierung aber kann aus
diesem, wie aus hundert andern Gerüchten, die über die Liguorianer --
begründet oder unbegründet -...... circuliren, den belehrenden Beweis ziehen,
welche Stimmung in Wien gegen diesen Orden herrscht.

-- Fürst Pückler ist für sein neuestes, in der dunkerschen Hof¬
buchhandlung erschienenes Buch der Bogen mit zehn Louiödors honorirt
worden. Manchem Schriftsteller ohne Wappenvögel im Schilde Wird der
Mund wassern. Allein: Standespersonen zahlen nach Belieben, waS
buchhändlerisch übersetzt heißt: Standespersonen zahlt man nach Belie¬
ben. Das Buch ist übrigens einem andern schriftstellerischen Fürsten
gewidmet: Felix Lichnowsky, gleichfalls ein Schlesier, sowie überhaupt
Schlesien die Heimath gefürsteter Literaten ist. Bei der ersten berliner
Aufführung von Gottsched und Gellert sah man eine ganze Trias in der
Intendanten-Loge beisammen sitzen: Pückler, Lichnowsky und Lynar.

-- Der Patriarch Abraham, wenn er mit seinen Kameelen, Pfer¬
den und Weibern von einem Ort zum andern aufbrach, hat dabei gewiß
nicht so viel Kosten gehabt, wie der Kunstreiter Lejars mit seiner Gesell¬
schaft. Die Lejars'sche Reitergesellschaft, die den Winter über in Berlin
spielte, ist zur Messe nach Leipzig aufgebrochen und hat für die kurze
Reisestrecke auf der Eisenbahn für Personen, Pferde und Gepäcke sechs¬
hundert Thaler bezahlt. Dibei bat die Gesellschaft sich obendrein mit
der Eisenbahndirection verständigt, um in Bausch und Bogen einen Nach¬
laß zu erhalten; zu den gewöhnlichen Fahrpreisen hatte der Betrag noch
um ^00 Thaler mehr betragen.




Druckfehler. In der Correspondenz aus Wien im vorigen Hefte muß en
in der Anmerkung, wo die Rede von der wiener Industrie ist, heißen: Die wie¬
ner Shaw is und nicht die wiener Journ als. Die wiener Journalistik hat
bisher, so viel wir wisse", der französischen noch keine gefährliche Concurrenz ge¬
macht, wie dort von den Shawls gemeldet wird.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrei.

von denen nicht alle widerlegt werden. Der Wiener muß von Zeit
zu Zeit eine neue Liguorianergeschichte zu verzehren haben; es ist
dies ein wesentlicher Bestandtheil seiner Conversation. Die polnischen
Ereignisse mit ihren unerhörten, fast mährchenhaften Episoden konnten
unmöglich vorübergehen, ohne daß die Volksphantasie die Liguorianer
dabei eine Rolle spielen ließ, die Verwickelung der polnischen Geistlichkeit
in der galizischen Verschwörung, und die Thatsache, daß unter den Li-
guorianern ein großer Theil aus Slaven besteht und vielleicht noch man¬
cher andere, den Behörden selbst unbekannte Umstand hat der Selbst¬
mordgeschichte ihren Ursprung gegeben. Die Regierung aber kann aus
diesem, wie aus hundert andern Gerüchten, die über die Liguorianer —
begründet oder unbegründet -...... circuliren, den belehrenden Beweis ziehen,
welche Stimmung in Wien gegen diesen Orden herrscht.

— Fürst Pückler ist für sein neuestes, in der dunkerschen Hof¬
buchhandlung erschienenes Buch der Bogen mit zehn Louiödors honorirt
worden. Manchem Schriftsteller ohne Wappenvögel im Schilde Wird der
Mund wassern. Allein: Standespersonen zahlen nach Belieben, waS
buchhändlerisch übersetzt heißt: Standespersonen zahlt man nach Belie¬
ben. Das Buch ist übrigens einem andern schriftstellerischen Fürsten
gewidmet: Felix Lichnowsky, gleichfalls ein Schlesier, sowie überhaupt
Schlesien die Heimath gefürsteter Literaten ist. Bei der ersten berliner
Aufführung von Gottsched und Gellert sah man eine ganze Trias in der
Intendanten-Loge beisammen sitzen: Pückler, Lichnowsky und Lynar.

— Der Patriarch Abraham, wenn er mit seinen Kameelen, Pfer¬
den und Weibern von einem Ort zum andern aufbrach, hat dabei gewiß
nicht so viel Kosten gehabt, wie der Kunstreiter Lejars mit seiner Gesell¬
schaft. Die Lejars'sche Reitergesellschaft, die den Winter über in Berlin
spielte, ist zur Messe nach Leipzig aufgebrochen und hat für die kurze
Reisestrecke auf der Eisenbahn für Personen, Pferde und Gepäcke sechs¬
hundert Thaler bezahlt. Dibei bat die Gesellschaft sich obendrein mit
der Eisenbahndirection verständigt, um in Bausch und Bogen einen Nach¬
laß zu erhalten; zu den gewöhnlichen Fahrpreisen hatte der Betrag noch
um ^00 Thaler mehr betragen.




Druckfehler. In der Correspondenz aus Wien im vorigen Hefte muß en
in der Anmerkung, wo die Rede von der wiener Industrie ist, heißen: Die wie¬
ner Shaw is und nicht die wiener Journ als. Die wiener Journalistik hat
bisher, so viel wir wisse», der französischen noch keine gefährliche Concurrenz ge¬
macht, wie dort von den Shawls gemeldet wird.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrei.
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[0232] von denen nicht alle widerlegt werden. Der Wiener muß von Zeit zu Zeit eine neue Liguorianergeschichte zu verzehren haben; es ist dies ein wesentlicher Bestandtheil seiner Conversation. Die polnischen Ereignisse mit ihren unerhörten, fast mährchenhaften Episoden konnten unmöglich vorübergehen, ohne daß die Volksphantasie die Liguorianer dabei eine Rolle spielen ließ, die Verwickelung der polnischen Geistlichkeit in der galizischen Verschwörung, und die Thatsache, daß unter den Li- guorianern ein großer Theil aus Slaven besteht und vielleicht noch man¬ cher andere, den Behörden selbst unbekannte Umstand hat der Selbst¬ mordgeschichte ihren Ursprung gegeben. Die Regierung aber kann aus diesem, wie aus hundert andern Gerüchten, die über die Liguorianer — begründet oder unbegründet -...... circuliren, den belehrenden Beweis ziehen, welche Stimmung in Wien gegen diesen Orden herrscht. — Fürst Pückler ist für sein neuestes, in der dunkerschen Hof¬ buchhandlung erschienenes Buch der Bogen mit zehn Louiödors honorirt worden. Manchem Schriftsteller ohne Wappenvögel im Schilde Wird der Mund wassern. Allein: Standespersonen zahlen nach Belieben, waS buchhändlerisch übersetzt heißt: Standespersonen zahlt man nach Belie¬ ben. Das Buch ist übrigens einem andern schriftstellerischen Fürsten gewidmet: Felix Lichnowsky, gleichfalls ein Schlesier, sowie überhaupt Schlesien die Heimath gefürsteter Literaten ist. Bei der ersten berliner Aufführung von Gottsched und Gellert sah man eine ganze Trias in der Intendanten-Loge beisammen sitzen: Pückler, Lichnowsky und Lynar. — Der Patriarch Abraham, wenn er mit seinen Kameelen, Pfer¬ den und Weibern von einem Ort zum andern aufbrach, hat dabei gewiß nicht so viel Kosten gehabt, wie der Kunstreiter Lejars mit seiner Gesell¬ schaft. Die Lejars'sche Reitergesellschaft, die den Winter über in Berlin spielte, ist zur Messe nach Leipzig aufgebrochen und hat für die kurze Reisestrecke auf der Eisenbahn für Personen, Pferde und Gepäcke sechs¬ hundert Thaler bezahlt. Dibei bat die Gesellschaft sich obendrein mit der Eisenbahndirection verständigt, um in Bausch und Bogen einen Nach¬ laß zu erhalten; zu den gewöhnlichen Fahrpreisen hatte der Betrag noch um ^00 Thaler mehr betragen. Druckfehler. In der Correspondenz aus Wien im vorigen Hefte muß en in der Anmerkung, wo die Rede von der wiener Industrie ist, heißen: Die wie¬ ner Shaw is und nicht die wiener Journ als. Die wiener Journalistik hat bisher, so viel wir wisse», der französischen noch keine gefährliche Concurrenz ge¬ macht, wie dort von den Shawls gemeldet wird. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/232>, abgerufen am 24.11.2024.