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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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ren Morgenstern und holte aus, um mich auf den Kopf zu schlagen.
Ich hob ängstlich die Hände empor, der Flammberg fiel mit ungeheu¬
rem Geräusch und ich erwachte. -- Erschrocken sah ich, in welcher
Gesellschaft ich geschlafen hatte, ließ den Flammberg liegen und eilte
in mein Schlafzimmer und in's Bett zurück, dessen Decke ich mir über
die Ohren zog. Ich kümmerte mich nicht mehr um das schauerliche
Geräusch in der Nebenstube, philosophirte nicht mehr und wollte fest
schlafen, denn ich war so matt und müde, als hätte ich wirklich zu
Nacht gegessen mit Gespenstern. Aber da donc" plötzlich gewichtige
Schritte aus dem Waffensaal und Waffen schlagen dumpf zusammen.
Ich setze mich im Bette auf und warte der Dinge, die da kommen
solle") ich war bereit mich mit den Rittern zu balgen. Es pocht an
die Thür, sie thut sich auf -> es war der Bediente des Herrn von
Arnswald, der kam, um mich zu wecken, daß ich den auf der Wart¬
burg himmlischen Sonnenaufgang nicht verschlafe. -- Gut geschlafen?
fragte er freundlich. Vortrefflich! antwortete ich verdrießlich.

Also war schon die Sonne wieder da, und ich hatte "och keinen
ruhigen Moment! -- lind ich stieg wieder aus dem Bette und setzte
mich an'S offene Fenster und erwartete gähnend den Sonnenauf¬
gang. Er ließ nicht lange auf sich warten und zum Glück
machte mich der frische Wind, der ihm vorherging, wieder mun-
ter. Die Pagen mochten der königlichen Frau schon vorausge¬
eilt sein, denn die Wege, die sie wandeln sollte, waren schon vom
schönsten Purpur bedeckt. Die Wölkchen, die hoch genug standen, um
sie schon aus weiter Ferne sehen zu können, wurden roth vor Freude,
und immer röther, bis sie ganz in Flammen standen und vom Mor¬
genwinde getrieben ihre Flammen weit durch den Himmel trugen.
Tief unter mir im Walde begannen die Vöglein aus dem Schlafe zu
sprechen, und sprachen immer deutlicher, bis endlich einer das Signal
gab und alle zusammen in großen Chören Morgenhymnen und Ge¬
bete zu singen anfingen. Da konnte kein Geschöpf der Erde mehr
schlafen; Alles begann sich zu regen und zu bewegen, zu rauschen und
zu lauschen, zu singen und zu klingen. Zumal die Bäume neigten
sich mit dumpfem Rauschen bald hierhin, bald dorthin und schüttelten
den mächtigen Thau und den träumerischen Nebel aus ihren Locken.
Jetzt stand der Venusberg in loben Flammen; die Sonne war ge¬
kommen und das Licht flog von Gipfel zu Gipfel, von Baum zu
Baum, bis auch die tiefen Sträucher und die niedern Gräser von ihm
gesegnet wurden. Es war Tag! -- Aller Schauer der Nacht fiel


ren Morgenstern und holte aus, um mich auf den Kopf zu schlagen.
Ich hob ängstlich die Hände empor, der Flammberg fiel mit ungeheu¬
rem Geräusch und ich erwachte. — Erschrocken sah ich, in welcher
Gesellschaft ich geschlafen hatte, ließ den Flammberg liegen und eilte
in mein Schlafzimmer und in's Bett zurück, dessen Decke ich mir über
die Ohren zog. Ich kümmerte mich nicht mehr um das schauerliche
Geräusch in der Nebenstube, philosophirte nicht mehr und wollte fest
schlafen, denn ich war so matt und müde, als hätte ich wirklich zu
Nacht gegessen mit Gespenstern. Aber da donc» plötzlich gewichtige
Schritte aus dem Waffensaal und Waffen schlagen dumpf zusammen.
Ich setze mich im Bette auf und warte der Dinge, die da kommen
solle») ich war bereit mich mit den Rittern zu balgen. Es pocht an
die Thür, sie thut sich auf -> es war der Bediente des Herrn von
Arnswald, der kam, um mich zu wecken, daß ich den auf der Wart¬
burg himmlischen Sonnenaufgang nicht verschlafe. — Gut geschlafen?
fragte er freundlich. Vortrefflich! antwortete ich verdrießlich.

Also war schon die Sonne wieder da, und ich hatte «och keinen
ruhigen Moment! — lind ich stieg wieder aus dem Bette und setzte
mich an'S offene Fenster und erwartete gähnend den Sonnenauf¬
gang. Er ließ nicht lange auf sich warten und zum Glück
machte mich der frische Wind, der ihm vorherging, wieder mun-
ter. Die Pagen mochten der königlichen Frau schon vorausge¬
eilt sein, denn die Wege, die sie wandeln sollte, waren schon vom
schönsten Purpur bedeckt. Die Wölkchen, die hoch genug standen, um
sie schon aus weiter Ferne sehen zu können, wurden roth vor Freude,
und immer röther, bis sie ganz in Flammen standen und vom Mor¬
genwinde getrieben ihre Flammen weit durch den Himmel trugen.
Tief unter mir im Walde begannen die Vöglein aus dem Schlafe zu
sprechen, und sprachen immer deutlicher, bis endlich einer das Signal
gab und alle zusammen in großen Chören Morgenhymnen und Ge¬
bete zu singen anfingen. Da konnte kein Geschöpf der Erde mehr
schlafen; Alles begann sich zu regen und zu bewegen, zu rauschen und
zu lauschen, zu singen und zu klingen. Zumal die Bäume neigten
sich mit dumpfem Rauschen bald hierhin, bald dorthin und schüttelten
den mächtigen Thau und den träumerischen Nebel aus ihren Locken.
Jetzt stand der Venusberg in loben Flammen; die Sonne war ge¬
kommen und das Licht flog von Gipfel zu Gipfel, von Baum zu
Baum, bis auch die tiefen Sträucher und die niedern Gräser von ihm
gesegnet wurden. Es war Tag! — Aller Schauer der Nacht fiel


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[0201] ren Morgenstern und holte aus, um mich auf den Kopf zu schlagen. Ich hob ängstlich die Hände empor, der Flammberg fiel mit ungeheu¬ rem Geräusch und ich erwachte. — Erschrocken sah ich, in welcher Gesellschaft ich geschlafen hatte, ließ den Flammberg liegen und eilte in mein Schlafzimmer und in's Bett zurück, dessen Decke ich mir über die Ohren zog. Ich kümmerte mich nicht mehr um das schauerliche Geräusch in der Nebenstube, philosophirte nicht mehr und wollte fest schlafen, denn ich war so matt und müde, als hätte ich wirklich zu Nacht gegessen mit Gespenstern. Aber da donc» plötzlich gewichtige Schritte aus dem Waffensaal und Waffen schlagen dumpf zusammen. Ich setze mich im Bette auf und warte der Dinge, die da kommen solle») ich war bereit mich mit den Rittern zu balgen. Es pocht an die Thür, sie thut sich auf -> es war der Bediente des Herrn von Arnswald, der kam, um mich zu wecken, daß ich den auf der Wart¬ burg himmlischen Sonnenaufgang nicht verschlafe. — Gut geschlafen? fragte er freundlich. Vortrefflich! antwortete ich verdrießlich. Also war schon die Sonne wieder da, und ich hatte «och keinen ruhigen Moment! — lind ich stieg wieder aus dem Bette und setzte mich an'S offene Fenster und erwartete gähnend den Sonnenauf¬ gang. Er ließ nicht lange auf sich warten und zum Glück machte mich der frische Wind, der ihm vorherging, wieder mun- ter. Die Pagen mochten der königlichen Frau schon vorausge¬ eilt sein, denn die Wege, die sie wandeln sollte, waren schon vom schönsten Purpur bedeckt. Die Wölkchen, die hoch genug standen, um sie schon aus weiter Ferne sehen zu können, wurden roth vor Freude, und immer röther, bis sie ganz in Flammen standen und vom Mor¬ genwinde getrieben ihre Flammen weit durch den Himmel trugen. Tief unter mir im Walde begannen die Vöglein aus dem Schlafe zu sprechen, und sprachen immer deutlicher, bis endlich einer das Signal gab und alle zusammen in großen Chören Morgenhymnen und Ge¬ bete zu singen anfingen. Da konnte kein Geschöpf der Erde mehr schlafen; Alles begann sich zu regen und zu bewegen, zu rauschen und zu lauschen, zu singen und zu klingen. Zumal die Bäume neigten sich mit dumpfem Rauschen bald hierhin, bald dorthin und schüttelten den mächtigen Thau und den träumerischen Nebel aus ihren Locken. Jetzt stand der Venusberg in loben Flammen; die Sonne war ge¬ kommen und das Licht flog von Gipfel zu Gipfel, von Baum zu Baum, bis auch die tiefen Sträucher und die niedern Gräser von ihm gesegnet wurden. Es war Tag! — Aller Schauer der Nacht fiel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/201>, abgerufen am 23.07.2024.