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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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mer. Ich wollte zu Bette, aber der Schritt unter mir scholl so gei¬
sterhaft, der Boden kreischte bei jedem Schritte und wie ich das Fen¬
ster zuschlug, hallte es lange wieder. Unentschlossen blieb ich mitten
im Zimmer stehen und starrte in die dunkle Flamme des Lichtes, wäh¬
rend es mir eiskalt den Rücken herab rieselte. Du bist müde, sagte
ich mir, und du mußt zu Bette, bevor du wachend zu träumen an¬
fängst. Schnell hatte ich die Kleider abgeworfen, das Licht ausge¬
löscht und mich unter die Bettdecke gesteckt. Allein es war jetzt fast
Heller im Zimmer als vorher, denn der Mond war nun ganz aus
dem Walde herausgetreten und warf seine Strahlen mit Macht durch
die beiden Fenster und begann die Zauber, die nur er versteht. Er
malte flüchtige Gestalten an die Wände, bewegte die Schatten, die
Fensterkreuze und belebte den Boden mit hunderterlei aus Staub und
Licht gewobenen Gespenstern, die hin und her hüpften. Ich schloß
die Augen vor dem unheimlichen Spiel. Schlief ich, wachte ich? --
ich weiß es nicht. So viel weiß ich, daß, als ein plötzliches Klopfen
oder Geräusch mich bewog, wieder die Augen zu öffnen, meine Stirn
glühte, mein Blut wild durch die Adern rannte und mein Herz hör¬
bar pochte. Das Geräusch kam aus der Nebenstube, deren Thüre
verschlossen war; es klang bald wie fallende Tropfen, bald wie ein
Aechzen, bald wie der Ton eines Käuzchens, das auf einsamem Lager
eine sapphische Ode singt. Wie ich mich umdrehte, um besser zu hor¬
chen, rauschte das Bettgewand wie die seidene Schleppe einer vor¬
überschreitender Dame; schnell wandte ich mich wieder um -- es war
nichts. Aber da rauschte es wieder in meinem Rücken -- schnell
wandte ich mich wieder nach jener Seite, von der ich mich eben ab¬
gewandt hatte-- es war wieder nichts! -- Ich lachte laut auf, denn
ich bemerkte, daß ich unwillkürlich Gespensterfurcht bekommen hatte
und wie gespenstisch auch das Lachen wiederhallte und aus dem Waf¬
fensaale dumpf wiedertönte, ich kehrte mich doch ruhig gegen die
Wand und wollte schlafen. Aber anstatt zu schlafen, begann ich zu
Philosophiren und brachte es richtig zu dem glücklichen Schluß, daß
einmal Gestorbene nie wieder zurückkehren können. Aber, dachte ich
am Ende, setzen wir den Fall, daß es doch wäre, daß all' die unarti¬
gen, gebissenen, hundetragenden, eisernen Landgrafen doch zurückkom¬
men könnten und da an dir mit glotzenden Augen vorüberschreiten?! --
Ach! -- ich sprang mit Einem Satze aus dem Bette und hin an'S
Fenster. Ich riß es aus und blickte wieder hinaus in die stille Nacht.
Ich mußte lange philosophirt haben, denn der Mond stand schon hoch


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mer. Ich wollte zu Bette, aber der Schritt unter mir scholl so gei¬
sterhaft, der Boden kreischte bei jedem Schritte und wie ich das Fen¬
ster zuschlug, hallte es lange wieder. Unentschlossen blieb ich mitten
im Zimmer stehen und starrte in die dunkle Flamme des Lichtes, wäh¬
rend es mir eiskalt den Rücken herab rieselte. Du bist müde, sagte
ich mir, und du mußt zu Bette, bevor du wachend zu träumen an¬
fängst. Schnell hatte ich die Kleider abgeworfen, das Licht ausge¬
löscht und mich unter die Bettdecke gesteckt. Allein es war jetzt fast
Heller im Zimmer als vorher, denn der Mond war nun ganz aus
dem Walde herausgetreten und warf seine Strahlen mit Macht durch
die beiden Fenster und begann die Zauber, die nur er versteht. Er
malte flüchtige Gestalten an die Wände, bewegte die Schatten, die
Fensterkreuze und belebte den Boden mit hunderterlei aus Staub und
Licht gewobenen Gespenstern, die hin und her hüpften. Ich schloß
die Augen vor dem unheimlichen Spiel. Schlief ich, wachte ich? —
ich weiß es nicht. So viel weiß ich, daß, als ein plötzliches Klopfen
oder Geräusch mich bewog, wieder die Augen zu öffnen, meine Stirn
glühte, mein Blut wild durch die Adern rannte und mein Herz hör¬
bar pochte. Das Geräusch kam aus der Nebenstube, deren Thüre
verschlossen war; es klang bald wie fallende Tropfen, bald wie ein
Aechzen, bald wie der Ton eines Käuzchens, das auf einsamem Lager
eine sapphische Ode singt. Wie ich mich umdrehte, um besser zu hor¬
chen, rauschte das Bettgewand wie die seidene Schleppe einer vor¬
überschreitender Dame; schnell wandte ich mich wieder um — es war
nichts. Aber da rauschte es wieder in meinem Rücken — schnell
wandte ich mich wieder nach jener Seite, von der ich mich eben ab¬
gewandt hatte— es war wieder nichts! — Ich lachte laut auf, denn
ich bemerkte, daß ich unwillkürlich Gespensterfurcht bekommen hatte
und wie gespenstisch auch das Lachen wiederhallte und aus dem Waf¬
fensaale dumpf wiedertönte, ich kehrte mich doch ruhig gegen die
Wand und wollte schlafen. Aber anstatt zu schlafen, begann ich zu
Philosophiren und brachte es richtig zu dem glücklichen Schluß, daß
einmal Gestorbene nie wieder zurückkehren können. Aber, dachte ich
am Ende, setzen wir den Fall, daß es doch wäre, daß all' die unarti¬
gen, gebissenen, hundetragenden, eisernen Landgrafen doch zurückkom¬
men könnten und da an dir mit glotzenden Augen vorüberschreiten?! —
Ach! — ich sprang mit Einem Satze aus dem Bette und hin an'S
Fenster. Ich riß es aus und blickte wieder hinaus in die stille Nacht.
Ich mußte lange philosophirt haben, denn der Mond stand schon hoch


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[0199] mer. Ich wollte zu Bette, aber der Schritt unter mir scholl so gei¬ sterhaft, der Boden kreischte bei jedem Schritte und wie ich das Fen¬ ster zuschlug, hallte es lange wieder. Unentschlossen blieb ich mitten im Zimmer stehen und starrte in die dunkle Flamme des Lichtes, wäh¬ rend es mir eiskalt den Rücken herab rieselte. Du bist müde, sagte ich mir, und du mußt zu Bette, bevor du wachend zu träumen an¬ fängst. Schnell hatte ich die Kleider abgeworfen, das Licht ausge¬ löscht und mich unter die Bettdecke gesteckt. Allein es war jetzt fast Heller im Zimmer als vorher, denn der Mond war nun ganz aus dem Walde herausgetreten und warf seine Strahlen mit Macht durch die beiden Fenster und begann die Zauber, die nur er versteht. Er malte flüchtige Gestalten an die Wände, bewegte die Schatten, die Fensterkreuze und belebte den Boden mit hunderterlei aus Staub und Licht gewobenen Gespenstern, die hin und her hüpften. Ich schloß die Augen vor dem unheimlichen Spiel. Schlief ich, wachte ich? — ich weiß es nicht. So viel weiß ich, daß, als ein plötzliches Klopfen oder Geräusch mich bewog, wieder die Augen zu öffnen, meine Stirn glühte, mein Blut wild durch die Adern rannte und mein Herz hör¬ bar pochte. Das Geräusch kam aus der Nebenstube, deren Thüre verschlossen war; es klang bald wie fallende Tropfen, bald wie ein Aechzen, bald wie der Ton eines Käuzchens, das auf einsamem Lager eine sapphische Ode singt. Wie ich mich umdrehte, um besser zu hor¬ chen, rauschte das Bettgewand wie die seidene Schleppe einer vor¬ überschreitender Dame; schnell wandte ich mich wieder um — es war nichts. Aber da rauschte es wieder in meinem Rücken — schnell wandte ich mich wieder nach jener Seite, von der ich mich eben ab¬ gewandt hatte— es war wieder nichts! — Ich lachte laut auf, denn ich bemerkte, daß ich unwillkürlich Gespensterfurcht bekommen hatte und wie gespenstisch auch das Lachen wiederhallte und aus dem Waf¬ fensaale dumpf wiedertönte, ich kehrte mich doch ruhig gegen die Wand und wollte schlafen. Aber anstatt zu schlafen, begann ich zu Philosophiren und brachte es richtig zu dem glücklichen Schluß, daß einmal Gestorbene nie wieder zurückkehren können. Aber, dachte ich am Ende, setzen wir den Fall, daß es doch wäre, daß all' die unarti¬ gen, gebissenen, hundetragenden, eisernen Landgrafen doch zurückkom¬ men könnten und da an dir mit glotzenden Augen vorüberschreiten?! — Ach! — ich sprang mit Einem Satze aus dem Bette und hin an'S Fenster. Ich riß es aus und blickte wieder hinaus in die stille Nacht. Ich mußte lange philosophirt haben, denn der Mond stand schon hoch 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/199>, abgerufen am 24.11.2024.