Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.lachte, denn ich fürchte mich nicht vor Geistern und muthig folgte Lange, lange sah ich hinaus -- bis es hinter mir dunkel zu lachte, denn ich fürchte mich nicht vor Geistern und muthig folgte Lange, lange sah ich hinaus — bis es hinter mir dunkel zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182621"/> <p xml:id="ID_528" prev="#ID_527"> lachte, denn ich fürchte mich nicht vor Geistern und muthig folgte<lb/> ich dem Bedienten, der mir über den Hos, durch den Waffensaal in<lb/> das mir bestimmte Zimmer vorleuchtete. Die alten Rüstungen im<lb/> Waffensaale schienen mich mit ihren hohlen Visiren entrüstet anzuse¬<lb/> hen, daß ich schwächliches Kind eines gebildeten Zeitalters es wagte,<lb/> in ihrer Behausung zu übernachten; aber daraus machte ich mir nichts.<lb/> Bedenklicher war mir das Benehmen des Bedienten, der mich mit so<lb/> trauriger Miene ansah, als ob es ihm leid thäte um mein junges<lb/> Leben. Er wollte immer gehen, blieb aber stets doch wieder, als hätte<lb/> er mir noch etwas zu sagen und als wagte er es nicht. Nach langem<lb/> Zögern endlich faßte er sich ein Herz und zeigte nur durch's Fenster<lb/> die Schildwache, die ich nur zu rufen hätte, wenn mir etwas „Böses"<lb/> begegnete. — Schon gut, sagte ich und er ging tränig. Ich öff¬<lb/> nete das Fenster und sah hinaus — es war eine „mondbeglänzte<lb/> Zaubernacht!" Tief unten, als wäre es viele tausend Meilen weit<lb/> von mir, tief unten in Eisenach glänzten noch einige Fensterlichter,<lb/> wie festgebannte Irrlichter — auch sie verschwanden nach und nach<lb/> und ich war allein mit der nächtlichen Natur. Meine Augen mußte<lb/> ich anstrengen, um die Teiche im Thale zu entdecken; sie sahen mich<lb/> an wie Nonnenaugen durch den schwarzen Schleier. Grade mir ge¬<lb/> genüber ragte König EtzelS Stein, an dem die Strahlen des Mondes<lb/> machtlos niederglitten. Aber am Himmel war heiterer Friede. Der<lb/> Mond schien sich über diesen Wäldern zu gefallen und mit Wohlbe¬<lb/> hagen vergoldete er einzelne Gipfel hervorragender Bäume oder felsige<lb/> Bergspitzen, die wie still glimmende Kerzen in die Nacht hinein leuch¬<lb/> teten. — Mir war so wohl und weh zu Muth, wie seit lange nicht.<lb/> — Gedanken, die ich lange nicht mehr gedacht, längst aufgegebene<lb/> Pläne, Wünsche, Hoffnungen, alte Leiden und Freuden, todte Liebe<lb/> und gestorbene Freundschaft erwachten von Neuem in mir; sollten in<lb/> solchen Nächten nicht auch Geister erstehen? Jedes Herz hat ein Mal<lb/> seine Geisterstunde, jeder Mensch sieht ein Mal im Leben Geister; —<lb/> ich sah sie in jener Nacht. Es war eine deutsche, urgermanische<lb/> Nacht, wie man sie sonst unter keinem Himmelsstriche auf Erden er¬<lb/> leben kann. Was ist mir jene am Comer-See gegen die Nacht auf<lb/> der Wartburg? italienische, schwüle Liebe gegen tiefe, geheimnißvolle<lb/> deutsche Liebe!</p><lb/> <p xml:id="ID_529" next="#ID_530"> Lange, lange sah ich hinaus — bis es hinter mir dunkel zu<lb/> werden und zu knistern anfing. Ich sah mich um — das Licht hatte<lb/> einen langen Docht und Dämmerung lag auf dem großen, öden Ziu-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
lachte, denn ich fürchte mich nicht vor Geistern und muthig folgte
ich dem Bedienten, der mir über den Hos, durch den Waffensaal in
das mir bestimmte Zimmer vorleuchtete. Die alten Rüstungen im
Waffensaale schienen mich mit ihren hohlen Visiren entrüstet anzuse¬
hen, daß ich schwächliches Kind eines gebildeten Zeitalters es wagte,
in ihrer Behausung zu übernachten; aber daraus machte ich mir nichts.
Bedenklicher war mir das Benehmen des Bedienten, der mich mit so
trauriger Miene ansah, als ob es ihm leid thäte um mein junges
Leben. Er wollte immer gehen, blieb aber stets doch wieder, als hätte
er mir noch etwas zu sagen und als wagte er es nicht. Nach langem
Zögern endlich faßte er sich ein Herz und zeigte nur durch's Fenster
die Schildwache, die ich nur zu rufen hätte, wenn mir etwas „Böses"
begegnete. — Schon gut, sagte ich und er ging tränig. Ich öff¬
nete das Fenster und sah hinaus — es war eine „mondbeglänzte
Zaubernacht!" Tief unten, als wäre es viele tausend Meilen weit
von mir, tief unten in Eisenach glänzten noch einige Fensterlichter,
wie festgebannte Irrlichter — auch sie verschwanden nach und nach
und ich war allein mit der nächtlichen Natur. Meine Augen mußte
ich anstrengen, um die Teiche im Thale zu entdecken; sie sahen mich
an wie Nonnenaugen durch den schwarzen Schleier. Grade mir ge¬
genüber ragte König EtzelS Stein, an dem die Strahlen des Mondes
machtlos niederglitten. Aber am Himmel war heiterer Friede. Der
Mond schien sich über diesen Wäldern zu gefallen und mit Wohlbe¬
hagen vergoldete er einzelne Gipfel hervorragender Bäume oder felsige
Bergspitzen, die wie still glimmende Kerzen in die Nacht hinein leuch¬
teten. — Mir war so wohl und weh zu Muth, wie seit lange nicht.
— Gedanken, die ich lange nicht mehr gedacht, längst aufgegebene
Pläne, Wünsche, Hoffnungen, alte Leiden und Freuden, todte Liebe
und gestorbene Freundschaft erwachten von Neuem in mir; sollten in
solchen Nächten nicht auch Geister erstehen? Jedes Herz hat ein Mal
seine Geisterstunde, jeder Mensch sieht ein Mal im Leben Geister; —
ich sah sie in jener Nacht. Es war eine deutsche, urgermanische
Nacht, wie man sie sonst unter keinem Himmelsstriche auf Erden er¬
leben kann. Was ist mir jene am Comer-See gegen die Nacht auf
der Wartburg? italienische, schwüle Liebe gegen tiefe, geheimnißvolle
deutsche Liebe!
Lange, lange sah ich hinaus — bis es hinter mir dunkel zu
werden und zu knistern anfing. Ich sah mich um — das Licht hatte
einen langen Docht und Dämmerung lag auf dem großen, öden Ziu-
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