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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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pietistische Richtung gefördert worden tst, während die Anträge,
welche aus einer freien Ansicht hervorgingen und auf Förderung
einer freien Geistesbildung hinzielten, mehrentheils, die zur Forde¬
rung der Volksbildung aber durchaus abgewiesen wurden. Der
Adel und was daran hängt ist hier zu Lande dem Pietismus der
protestantischen Kirche sehr ergeben. Das stimmt auch ja mit der
übrigen conservativen Richtung ganz überein. Deshalb fratcrnisirt
die Aristokratie auch hier stark mit der rechtgläubigen Hierarchie
und sie wirken jetzt eifrig zusammen, den bösen beweglichen Zeit¬
geist darnieder zu hallen. Damit aber haben sie gar viel zu thun,
denn dieser hat. wenn auch von der Geistlichkeit den kleinsten Theil
doch den Lehrerstand von oben bis unten fast ganz und ebenfalls den
gebildeten Bürgerstand mächtig ergriffen, auf unserer Universität
wenden sich trotz der strenggläubigen Lehrer die besten Köpfe unter
den Theologie Studierenden der kirchlichen Bewegung zu, ältere
und jüngere Theologen haben zu Ende des vorigen Jahrs eine
"norddeutsche Monatsschrift zur Förderung des freien Protestan¬
tismus" gegründet, womit sie viel Beifall finden und ganze Kir¬
chengemeinden werden nur, wenn auch nicht mit Gewalt, so doch
durch Hindernisse, die man ihnen in den Weg legt, abgehalten, sich
von den orthodoxen Kirchen gänzlich los zu sagen, aber eins ist
da, was bisher die Männer des Stillstandes und der Bewegung
noch zusammen gehalten hat, das ist der Kampf gegen das Dänen-
thum, das ist das gemeinsame deutsche Nationalgefühl.

Dänisch will man nicht werden, weder im Geist, so daß man
die deutsche Sprache, deutsche Bildung, Gesetzgebung u. s. w. be¬
halte, aber die staatliche Selbständigkeit, soweit sie besteht, auf¬
gebe und mit Dänemark eine Staatseinheit bilde, wie es dort
Volk und Regierung begehrt. Dagegen wehrt man sich in aller
Weise durch Protestationen, Petitionen und Demonstrationen und
man könnte nicht wissen, ob nicht der ruhige, ja phlegmatische
Volkscharakter der hiesigen Bevölkerung selbst zum ernstlichen Han¬
deln käme, wenn man von Kopenhagen aus einen ernstlichen Act
vornähme. Freilich ist diese nationale Stimmung bei den verschie¬
denen Ständen auch verschieden ; der Adel und ein großer Theil
des Beamtenstandeö will hauptsächlich conserviren, was vorhanden
ist, er will wohl nicht dänisch werden, will die selbstständigen


pietistische Richtung gefördert worden tst, während die Anträge,
welche aus einer freien Ansicht hervorgingen und auf Förderung
einer freien Geistesbildung hinzielten, mehrentheils, die zur Forde¬
rung der Volksbildung aber durchaus abgewiesen wurden. Der
Adel und was daran hängt ist hier zu Lande dem Pietismus der
protestantischen Kirche sehr ergeben. Das stimmt auch ja mit der
übrigen conservativen Richtung ganz überein. Deshalb fratcrnisirt
die Aristokratie auch hier stark mit der rechtgläubigen Hierarchie
und sie wirken jetzt eifrig zusammen, den bösen beweglichen Zeit¬
geist darnieder zu hallen. Damit aber haben sie gar viel zu thun,
denn dieser hat. wenn auch von der Geistlichkeit den kleinsten Theil
doch den Lehrerstand von oben bis unten fast ganz und ebenfalls den
gebildeten Bürgerstand mächtig ergriffen, auf unserer Universität
wenden sich trotz der strenggläubigen Lehrer die besten Köpfe unter
den Theologie Studierenden der kirchlichen Bewegung zu, ältere
und jüngere Theologen haben zu Ende des vorigen Jahrs eine
„norddeutsche Monatsschrift zur Förderung des freien Protestan¬
tismus" gegründet, womit sie viel Beifall finden und ganze Kir¬
chengemeinden werden nur, wenn auch nicht mit Gewalt, so doch
durch Hindernisse, die man ihnen in den Weg legt, abgehalten, sich
von den orthodoxen Kirchen gänzlich los zu sagen, aber eins ist
da, was bisher die Männer des Stillstandes und der Bewegung
noch zusammen gehalten hat, das ist der Kampf gegen das Dänen-
thum, das ist das gemeinsame deutsche Nationalgefühl.

Dänisch will man nicht werden, weder im Geist, so daß man
die deutsche Sprache, deutsche Bildung, Gesetzgebung u. s. w. be¬
halte, aber die staatliche Selbständigkeit, soweit sie besteht, auf¬
gebe und mit Dänemark eine Staatseinheit bilde, wie es dort
Volk und Regierung begehrt. Dagegen wehrt man sich in aller
Weise durch Protestationen, Petitionen und Demonstrationen und
man könnte nicht wissen, ob nicht der ruhige, ja phlegmatische
Volkscharakter der hiesigen Bevölkerung selbst zum ernstlichen Han¬
deln käme, wenn man von Kopenhagen aus einen ernstlichen Act
vornähme. Freilich ist diese nationale Stimmung bei den verschie¬
denen Ständen auch verschieden ; der Adel und ein großer Theil
des Beamtenstandeö will hauptsächlich conserviren, was vorhanden
ist, er will wohl nicht dänisch werden, will die selbstständigen


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[0019] pietistische Richtung gefördert worden tst, während die Anträge, welche aus einer freien Ansicht hervorgingen und auf Förderung einer freien Geistesbildung hinzielten, mehrentheils, die zur Forde¬ rung der Volksbildung aber durchaus abgewiesen wurden. Der Adel und was daran hängt ist hier zu Lande dem Pietismus der protestantischen Kirche sehr ergeben. Das stimmt auch ja mit der übrigen conservativen Richtung ganz überein. Deshalb fratcrnisirt die Aristokratie auch hier stark mit der rechtgläubigen Hierarchie und sie wirken jetzt eifrig zusammen, den bösen beweglichen Zeit¬ geist darnieder zu hallen. Damit aber haben sie gar viel zu thun, denn dieser hat. wenn auch von der Geistlichkeit den kleinsten Theil doch den Lehrerstand von oben bis unten fast ganz und ebenfalls den gebildeten Bürgerstand mächtig ergriffen, auf unserer Universität wenden sich trotz der strenggläubigen Lehrer die besten Köpfe unter den Theologie Studierenden der kirchlichen Bewegung zu, ältere und jüngere Theologen haben zu Ende des vorigen Jahrs eine „norddeutsche Monatsschrift zur Förderung des freien Protestan¬ tismus" gegründet, womit sie viel Beifall finden und ganze Kir¬ chengemeinden werden nur, wenn auch nicht mit Gewalt, so doch durch Hindernisse, die man ihnen in den Weg legt, abgehalten, sich von den orthodoxen Kirchen gänzlich los zu sagen, aber eins ist da, was bisher die Männer des Stillstandes und der Bewegung noch zusammen gehalten hat, das ist der Kampf gegen das Dänen- thum, das ist das gemeinsame deutsche Nationalgefühl. Dänisch will man nicht werden, weder im Geist, so daß man die deutsche Sprache, deutsche Bildung, Gesetzgebung u. s. w. be¬ halte, aber die staatliche Selbständigkeit, soweit sie besteht, auf¬ gebe und mit Dänemark eine Staatseinheit bilde, wie es dort Volk und Regierung begehrt. Dagegen wehrt man sich in aller Weise durch Protestationen, Petitionen und Demonstrationen und man könnte nicht wissen, ob nicht der ruhige, ja phlegmatische Volkscharakter der hiesigen Bevölkerung selbst zum ernstlichen Han¬ deln käme, wenn man von Kopenhagen aus einen ernstlichen Act vornähme. Freilich ist diese nationale Stimmung bei den verschie¬ denen Ständen auch verschieden ; der Adel und ein großer Theil des Beamtenstandeö will hauptsächlich conserviren, was vorhanden ist, er will wohl nicht dänisch werden, will die selbstständigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/19>, abgerufen am 24.11.2024.