Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hat, welches sich mit dem böhmischen messen kann; allein der Unterschied
des Erzeugungspreises war so groß, daß man alle künftigen Versuche
aufgeben mußte."

Ein anderer Gegenstand des französischen Neides ist die österreichische
Runkelrübenfabrication. Es ist bekannt, welche Verlegenheiten diese Fa-
brication dem französischen Gouvernement bereitete und welche Opfer sie
dem Staate gekostet hat, als er-vor zwei Jahren sich entschließen mußte,
sie zu Gunsten des Rohrzuckers gänzlich zu zerstören. In Oesterreich
dagegen ist diese Fabrication in voller Blüthe; sie wird in einem riesigen
Maßstab in mehr als hundert Etablissements betrieben. Herr Peligot
spricht namentlich mit Bewunderung von der Fabrik des Herrn Schult-
zenbach in Galizien, welche sich die Aufgabe gestellt hat, nach einer von
Letzterem neu erfundenen Methode des Austrocknens, 56 Millionen Kilo-
grammen Runkelrüben zu verarbeiten und folglich 4 bis 5 Millionen
Kilogrammen Zucker zu gewinnen. Dies ist dreißig Mal so viel -- ruft
Herr Peligot aus -- als unsere sämmtlichen Fabriken im Durchschnitts¬
preise produciren!

Es versteht sich von selbst, daß Herr Peligot es nicht unterläßt das
Uebergewicht der französischen Industrie auf andern Punkten in's volle
Licht zu stellen, und er sagt dabei so gewichtige Worte, daß sie unsere
Regierung sich hoffentlich hinter's Ohr schreiben wird. Vergebens -- sagt
er -- suchte man in den weiten Sälen der wiener Industrieausstellungen
jene Erzeugnisse, die von einer tiefbedachten und richtigen Anwendung
der Wissenschaft auf den Gewerbfleiß Zeugniß geben. Die chemischen
Erzeugnisse, die heut zu Tage mehr als jede andere Fabrication wissen¬
schaftliche Forschungen nöthig haben, boten kein neues Product und keine
hervorragende Vervollkommnung. Die Mechaniker, die mit mehr oder
weniger Genauigkeit die aus der Fremde kommenden Maschinen nach¬
bilden, zeichneten sich durch keine neue Erfindung aus. Vergebens suchte
man jene Bronzearbeiten, jene Pendeluhren, jene Bijouterien und Gold¬
arbeiten, jene Möbel, jene durch so mannichfache Zeichnungen und ge¬
schmackvolle Farbenmischungen sich auszeichnende Gewebe, kurz alle jene
Gegenstände, deren Werth hauptsachlich in der Form besteht und welche
eine Folge jenes künstlerischen Geschmackes ist, der bei uns in Frankreich
durch eine freisinnige Erziehung gepflegt, den Triumph des französischen
Gewerbfleißes bildet *).

"Dieses Urtheil" -- sagt mit einer Tartüffe-Miene das Journal
de Debats, welches letzthin den Bericht des Herrn Peligot in einem
größern Artikel besprach -- "dies Urtheil ist streng. Allein Herr Peligot



*) Dies Urtheil, das übrigens nicht blos Oesterreich allein trifft, ist auch
nicht in seiner ganzen Ausdehnung richtig. Um von der wiener Industrie allein
zu sprechen, so sind die sogenannten wiener Journals^ die wiener Wagenscibrico-
tion und manche Zweige der Quincaillerie, sowohl wegen ihrer geschmackvolle"
Arbeit-- namentlich der Wagen -- als auch ihres Preises willen, gewichtige
Nebenbuhler der französischen Industrie auf dem ausländischen Markte. Theil¬
weise gehören hierzu auch noch die hier verfertigten musikalischen Instrumente,
Anmerk. d. Eins. die optischen Gläser -c.

hat, welches sich mit dem böhmischen messen kann; allein der Unterschied
des Erzeugungspreises war so groß, daß man alle künftigen Versuche
aufgeben mußte."

Ein anderer Gegenstand des französischen Neides ist die österreichische
Runkelrübenfabrication. Es ist bekannt, welche Verlegenheiten diese Fa-
brication dem französischen Gouvernement bereitete und welche Opfer sie
dem Staate gekostet hat, als er-vor zwei Jahren sich entschließen mußte,
sie zu Gunsten des Rohrzuckers gänzlich zu zerstören. In Oesterreich
dagegen ist diese Fabrication in voller Blüthe; sie wird in einem riesigen
Maßstab in mehr als hundert Etablissements betrieben. Herr Peligot
spricht namentlich mit Bewunderung von der Fabrik des Herrn Schult-
zenbach in Galizien, welche sich die Aufgabe gestellt hat, nach einer von
Letzterem neu erfundenen Methode des Austrocknens, 56 Millionen Kilo-
grammen Runkelrüben zu verarbeiten und folglich 4 bis 5 Millionen
Kilogrammen Zucker zu gewinnen. Dies ist dreißig Mal so viel — ruft
Herr Peligot aus — als unsere sämmtlichen Fabriken im Durchschnitts¬
preise produciren!

Es versteht sich von selbst, daß Herr Peligot es nicht unterläßt das
Uebergewicht der französischen Industrie auf andern Punkten in's volle
Licht zu stellen, und er sagt dabei so gewichtige Worte, daß sie unsere
Regierung sich hoffentlich hinter's Ohr schreiben wird. Vergebens — sagt
er — suchte man in den weiten Sälen der wiener Industrieausstellungen
jene Erzeugnisse, die von einer tiefbedachten und richtigen Anwendung
der Wissenschaft auf den Gewerbfleiß Zeugniß geben. Die chemischen
Erzeugnisse, die heut zu Tage mehr als jede andere Fabrication wissen¬
schaftliche Forschungen nöthig haben, boten kein neues Product und keine
hervorragende Vervollkommnung. Die Mechaniker, die mit mehr oder
weniger Genauigkeit die aus der Fremde kommenden Maschinen nach¬
bilden, zeichneten sich durch keine neue Erfindung aus. Vergebens suchte
man jene Bronzearbeiten, jene Pendeluhren, jene Bijouterien und Gold¬
arbeiten, jene Möbel, jene durch so mannichfache Zeichnungen und ge¬
schmackvolle Farbenmischungen sich auszeichnende Gewebe, kurz alle jene
Gegenstände, deren Werth hauptsachlich in der Form besteht und welche
eine Folge jenes künstlerischen Geschmackes ist, der bei uns in Frankreich
durch eine freisinnige Erziehung gepflegt, den Triumph des französischen
Gewerbfleißes bildet *).

„Dieses Urtheil" — sagt mit einer Tartüffe-Miene das Journal
de Debats, welches letzthin den Bericht des Herrn Peligot in einem
größern Artikel besprach — „dies Urtheil ist streng. Allein Herr Peligot



*) Dies Urtheil, das übrigens nicht blos Oesterreich allein trifft, ist auch
nicht in seiner ganzen Ausdehnung richtig. Um von der wiener Industrie allein
zu sprechen, so sind die sogenannten wiener Journals^ die wiener Wagenscibrico-
tion und manche Zweige der Quincaillerie, sowohl wegen ihrer geschmackvolle»
Arbeit— namentlich der Wagen — als auch ihres Preises willen, gewichtige
Nebenbuhler der französischen Industrie auf dem ausländischen Markte. Theil¬
weise gehören hierzu auch noch die hier verfertigten musikalischen Instrumente,
Anmerk. d. Eins. die optischen Gläser -c.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182609"/>
            <p xml:id="ID_504" prev="#ID_503"> hat, welches sich mit dem böhmischen messen kann; allein der Unterschied<lb/>
des Erzeugungspreises war so groß, daß man alle künftigen Versuche<lb/>
aufgeben mußte."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_505"> Ein anderer Gegenstand des französischen Neides ist die österreichische<lb/>
Runkelrübenfabrication. Es ist bekannt, welche Verlegenheiten diese Fa-<lb/>
brication dem französischen Gouvernement bereitete und welche Opfer sie<lb/>
dem Staate gekostet hat, als er-vor zwei Jahren sich entschließen mußte,<lb/>
sie zu Gunsten des Rohrzuckers gänzlich zu zerstören. In Oesterreich<lb/>
dagegen ist diese Fabrication in voller Blüthe; sie wird in einem riesigen<lb/>
Maßstab in mehr als hundert Etablissements betrieben. Herr Peligot<lb/>
spricht namentlich mit Bewunderung von der Fabrik des Herrn Schult-<lb/>
zenbach in Galizien, welche sich die Aufgabe gestellt hat, nach einer von<lb/>
Letzterem neu erfundenen Methode des Austrocknens, 56 Millionen Kilo-<lb/>
grammen Runkelrüben zu verarbeiten und folglich 4 bis 5 Millionen<lb/>
Kilogrammen Zucker zu gewinnen. Dies ist dreißig Mal so viel &#x2014; ruft<lb/>
Herr Peligot aus &#x2014; als unsere sämmtlichen Fabriken im Durchschnitts¬<lb/>
preise produciren!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_506"> Es versteht sich von selbst, daß Herr Peligot es nicht unterläßt das<lb/>
Uebergewicht der französischen Industrie auf andern Punkten in's volle<lb/>
Licht zu stellen, und er sagt dabei so gewichtige Worte, daß sie unsere<lb/>
Regierung sich hoffentlich hinter's Ohr schreiben wird. Vergebens &#x2014; sagt<lb/>
er &#x2014; suchte man in den weiten Sälen der wiener Industrieausstellungen<lb/>
jene Erzeugnisse, die von einer tiefbedachten und richtigen Anwendung<lb/>
der Wissenschaft auf den Gewerbfleiß Zeugniß geben. Die chemischen<lb/>
Erzeugnisse, die heut zu Tage mehr als jede andere Fabrication wissen¬<lb/>
schaftliche Forschungen nöthig haben, boten kein neues Product und keine<lb/>
hervorragende Vervollkommnung. Die Mechaniker, die mit mehr oder<lb/>
weniger Genauigkeit die aus der Fremde kommenden Maschinen nach¬<lb/>
bilden, zeichneten sich durch keine neue Erfindung aus. Vergebens suchte<lb/>
man jene Bronzearbeiten, jene Pendeluhren, jene Bijouterien und Gold¬<lb/>
arbeiten, jene Möbel, jene durch so mannichfache Zeichnungen und ge¬<lb/>
schmackvolle Farbenmischungen sich auszeichnende Gewebe, kurz alle jene<lb/>
Gegenstände, deren Werth hauptsachlich in der Form besteht und welche<lb/>
eine Folge jenes künstlerischen Geschmackes ist, der bei uns in Frankreich<lb/>
durch eine freisinnige Erziehung gepflegt, den Triumph des französischen<lb/>
Gewerbfleißes bildet *).</p><lb/>
            <p xml:id="ID_507" next="#ID_508"> &#x201E;Dieses Urtheil" &#x2014; sagt mit einer Tartüffe-Miene das Journal<lb/>
de Debats, welches letzthin den Bericht des Herrn Peligot in einem<lb/>
größern Artikel besprach &#x2014; &#x201E;dies Urtheil ist streng. Allein Herr Peligot</p><lb/>
            <note xml:id="FID_12" place="foot"> *) Dies Urtheil, das übrigens nicht blos Oesterreich allein trifft, ist auch<lb/>
nicht in seiner ganzen Ausdehnung richtig. Um von der wiener Industrie allein<lb/>
zu sprechen, so sind die sogenannten wiener Journals^ die wiener Wagenscibrico-<lb/>
tion und manche Zweige der Quincaillerie, sowohl wegen ihrer geschmackvolle»<lb/>
Arbeit&#x2014; namentlich der Wagen &#x2014; als auch ihres Preises willen, gewichtige<lb/>
Nebenbuhler der französischen Industrie auf dem ausländischen Markte. Theil¬<lb/>
weise gehören hierzu auch noch die hier verfertigten musikalischen Instrumente,<lb/><note type="byline"> Anmerk. d. Eins.</note> die optischen Gläser -c. </note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0186] hat, welches sich mit dem böhmischen messen kann; allein der Unterschied des Erzeugungspreises war so groß, daß man alle künftigen Versuche aufgeben mußte." Ein anderer Gegenstand des französischen Neides ist die österreichische Runkelrübenfabrication. Es ist bekannt, welche Verlegenheiten diese Fa- brication dem französischen Gouvernement bereitete und welche Opfer sie dem Staate gekostet hat, als er-vor zwei Jahren sich entschließen mußte, sie zu Gunsten des Rohrzuckers gänzlich zu zerstören. In Oesterreich dagegen ist diese Fabrication in voller Blüthe; sie wird in einem riesigen Maßstab in mehr als hundert Etablissements betrieben. Herr Peligot spricht namentlich mit Bewunderung von der Fabrik des Herrn Schult- zenbach in Galizien, welche sich die Aufgabe gestellt hat, nach einer von Letzterem neu erfundenen Methode des Austrocknens, 56 Millionen Kilo- grammen Runkelrüben zu verarbeiten und folglich 4 bis 5 Millionen Kilogrammen Zucker zu gewinnen. Dies ist dreißig Mal so viel — ruft Herr Peligot aus — als unsere sämmtlichen Fabriken im Durchschnitts¬ preise produciren! Es versteht sich von selbst, daß Herr Peligot es nicht unterläßt das Uebergewicht der französischen Industrie auf andern Punkten in's volle Licht zu stellen, und er sagt dabei so gewichtige Worte, daß sie unsere Regierung sich hoffentlich hinter's Ohr schreiben wird. Vergebens — sagt er — suchte man in den weiten Sälen der wiener Industrieausstellungen jene Erzeugnisse, die von einer tiefbedachten und richtigen Anwendung der Wissenschaft auf den Gewerbfleiß Zeugniß geben. Die chemischen Erzeugnisse, die heut zu Tage mehr als jede andere Fabrication wissen¬ schaftliche Forschungen nöthig haben, boten kein neues Product und keine hervorragende Vervollkommnung. Die Mechaniker, die mit mehr oder weniger Genauigkeit die aus der Fremde kommenden Maschinen nach¬ bilden, zeichneten sich durch keine neue Erfindung aus. Vergebens suchte man jene Bronzearbeiten, jene Pendeluhren, jene Bijouterien und Gold¬ arbeiten, jene Möbel, jene durch so mannichfache Zeichnungen und ge¬ schmackvolle Farbenmischungen sich auszeichnende Gewebe, kurz alle jene Gegenstände, deren Werth hauptsachlich in der Form besteht und welche eine Folge jenes künstlerischen Geschmackes ist, der bei uns in Frankreich durch eine freisinnige Erziehung gepflegt, den Triumph des französischen Gewerbfleißes bildet *). „Dieses Urtheil" — sagt mit einer Tartüffe-Miene das Journal de Debats, welches letzthin den Bericht des Herrn Peligot in einem größern Artikel besprach — „dies Urtheil ist streng. Allein Herr Peligot *) Dies Urtheil, das übrigens nicht blos Oesterreich allein trifft, ist auch nicht in seiner ganzen Ausdehnung richtig. Um von der wiener Industrie allein zu sprechen, so sind die sogenannten wiener Journals^ die wiener Wagenscibrico- tion und manche Zweige der Quincaillerie, sowohl wegen ihrer geschmackvolle» Arbeit— namentlich der Wagen — als auch ihres Preises willen, gewichtige Nebenbuhler der französischen Industrie auf dem ausländischen Markte. Theil¬ weise gehören hierzu auch noch die hier verfertigten musikalischen Instrumente, Anmerk. d. Eins. die optischen Gläser -c.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/186
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/186>, abgerufen am 23.07.2024.