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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Zahl des Senats schon abnehmen, daß nicht sowohl die Regierung, als
vielmehr die Aemterverwaltung der Bürgerschaft ziemlich theuer zu ste¬
hen kommen muß. In früherer Zeit, als die Stadt noch klein war
und natürlich jedes Amt, jedes städtische Institut einen eigenen Aufseher
oder Vorstand verlangte, wozu der herkömmlichen Art nach ein Sena¬
tor gehörte, da war das Mißverhältnis? nicht so groß, denn die Aemter
wurden honorirt nach dem Größenverhältniß der Stadt- Als nun die
Aemter einmal da waren und da sein mußten, als die Senatoren Be¬
amte blieben und die Stadt sich immer mehr und mehr vergrößerte, die
Ansprüche an das Leben selbst größer wurden, da mußte natürlich auch
die Besoldung wachsen. Es ist hierüber schon oft gesprochen worden;
man kann nicht sagen, daß die Senatoren zu hoch besoldet werden, der
jüngste Senator hat nur 6tM Mark, aber als Beamte, deren Function oft
sehr unwesentlich ist, wie z. B. das Amt eines Brodherren, welches in
Rücksicht gegen die ärmere Klasse in Hamburg gar nicht zum Durch¬
bruch kommt, nicht in Wirkung tritt, werden sie es gewiß. Die Be¬
griffe und Kategorien von Staats- und Stadtverwaltung müßten bei
einer Reform durchaus mehr gesondert werden. Eine große Klippe des
bürgerlichen Rechtes ist, daß alle Beamte zugleich Regierungsmitglieder
sind. Von dem Beamten findet keine positive Appellation statt, dieser
steht nicht unter Controlle wie in jedem königlichen Staat, der Senator
ist Regent, Minister und Beamter in einer Person.

An dem Bocksbeutel gehört es auch noch, daß der Hamburger Se¬
nat an den Tagen der Raths- und Bürgerversammlung noch immer in
den alten spanischen Sammtmänteln und weißen Priesterkragcn erscheint.
Für eine Regierungs - und Berathungssitzung gewiß die steifste und un¬
bequemste Tracht von der Welt. Man begreift nicht, warum der Se¬
nat, eigenen Wohlbefindens halber, diese altmodische Perrückentracht nicht
längst abgeschafft, wie es doch in Bremen geschehen ist. Ich sah oft
Fremde erstaunen und sich verwundern, wenn sie hörten, daß dies die
Hamburger Senatoren seien, die da mit Mantel und Kragen in den Wa¬
gen gehoben und von drei reitenden oder Herren-Dienern zu Fuß, in
blauen und gelben, silberbetreßten Mänteln und dreieckigen Hüten etwa
fünfzig Schritte, während der Kutscher langsam fährt, begleitet würden.
Solche Eigenthümlichkeit muß der deutschen Oeffentlichkeit immer von
Neuem dargebracht werden, damit sie sich endlich aufhebt. Sonderbar und
auffallend zugleich ist es, daß die Senatoren und die "reitenden Diener"
als erste Leichenträger im Ganzen noch nach derselben Sitte und Mode
gehen, Kragen und Mäntel und spanische Grandezza hier wie dort. Wem
sollte in Hamburg nun nicht noch manches Andere spanisch vorkommen,
hinsichtlich der Einrichtungen und Eorporationen?

Nicht alle Senatoren sind oder werden populär. Ost weiß der
beste und kundigste Hamburger nicht alle Senatoren zu nennen. Ein
Senator wird eigentlich erst bekannt und populär, wenn ihn das Amt
des Polizeiherrn oder eines Prätors (d. h. gewöhnlichen Stadtrichters)
trifft. Früher zeichneten sich die Senatoren mehr auch in der geistigen
oder literarischen Welt aus, doch dies scheint jetzt seltener zu werden. Es


Zahl des Senats schon abnehmen, daß nicht sowohl die Regierung, als
vielmehr die Aemterverwaltung der Bürgerschaft ziemlich theuer zu ste¬
hen kommen muß. In früherer Zeit, als die Stadt noch klein war
und natürlich jedes Amt, jedes städtische Institut einen eigenen Aufseher
oder Vorstand verlangte, wozu der herkömmlichen Art nach ein Sena¬
tor gehörte, da war das Mißverhältnis? nicht so groß, denn die Aemter
wurden honorirt nach dem Größenverhältniß der Stadt- Als nun die
Aemter einmal da waren und da sein mußten, als die Senatoren Be¬
amte blieben und die Stadt sich immer mehr und mehr vergrößerte, die
Ansprüche an das Leben selbst größer wurden, da mußte natürlich auch
die Besoldung wachsen. Es ist hierüber schon oft gesprochen worden;
man kann nicht sagen, daß die Senatoren zu hoch besoldet werden, der
jüngste Senator hat nur 6tM Mark, aber als Beamte, deren Function oft
sehr unwesentlich ist, wie z. B. das Amt eines Brodherren, welches in
Rücksicht gegen die ärmere Klasse in Hamburg gar nicht zum Durch¬
bruch kommt, nicht in Wirkung tritt, werden sie es gewiß. Die Be¬
griffe und Kategorien von Staats- und Stadtverwaltung müßten bei
einer Reform durchaus mehr gesondert werden. Eine große Klippe des
bürgerlichen Rechtes ist, daß alle Beamte zugleich Regierungsmitglieder
sind. Von dem Beamten findet keine positive Appellation statt, dieser
steht nicht unter Controlle wie in jedem königlichen Staat, der Senator
ist Regent, Minister und Beamter in einer Person.

An dem Bocksbeutel gehört es auch noch, daß der Hamburger Se¬
nat an den Tagen der Raths- und Bürgerversammlung noch immer in
den alten spanischen Sammtmänteln und weißen Priesterkragcn erscheint.
Für eine Regierungs - und Berathungssitzung gewiß die steifste und un¬
bequemste Tracht von der Welt. Man begreift nicht, warum der Se¬
nat, eigenen Wohlbefindens halber, diese altmodische Perrückentracht nicht
längst abgeschafft, wie es doch in Bremen geschehen ist. Ich sah oft
Fremde erstaunen und sich verwundern, wenn sie hörten, daß dies die
Hamburger Senatoren seien, die da mit Mantel und Kragen in den Wa¬
gen gehoben und von drei reitenden oder Herren-Dienern zu Fuß, in
blauen und gelben, silberbetreßten Mänteln und dreieckigen Hüten etwa
fünfzig Schritte, während der Kutscher langsam fährt, begleitet würden.
Solche Eigenthümlichkeit muß der deutschen Oeffentlichkeit immer von
Neuem dargebracht werden, damit sie sich endlich aufhebt. Sonderbar und
auffallend zugleich ist es, daß die Senatoren und die „reitenden Diener"
als erste Leichenträger im Ganzen noch nach derselben Sitte und Mode
gehen, Kragen und Mäntel und spanische Grandezza hier wie dort. Wem
sollte in Hamburg nun nicht noch manches Andere spanisch vorkommen,
hinsichtlich der Einrichtungen und Eorporationen?

Nicht alle Senatoren sind oder werden populär. Ost weiß der
beste und kundigste Hamburger nicht alle Senatoren zu nennen. Ein
Senator wird eigentlich erst bekannt und populär, wenn ihn das Amt
des Polizeiherrn oder eines Prätors (d. h. gewöhnlichen Stadtrichters)
trifft. Früher zeichneten sich die Senatoren mehr auch in der geistigen
oder literarischen Welt aus, doch dies scheint jetzt seltener zu werden. Es


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[0182] Zahl des Senats schon abnehmen, daß nicht sowohl die Regierung, als vielmehr die Aemterverwaltung der Bürgerschaft ziemlich theuer zu ste¬ hen kommen muß. In früherer Zeit, als die Stadt noch klein war und natürlich jedes Amt, jedes städtische Institut einen eigenen Aufseher oder Vorstand verlangte, wozu der herkömmlichen Art nach ein Sena¬ tor gehörte, da war das Mißverhältnis? nicht so groß, denn die Aemter wurden honorirt nach dem Größenverhältniß der Stadt- Als nun die Aemter einmal da waren und da sein mußten, als die Senatoren Be¬ amte blieben und die Stadt sich immer mehr und mehr vergrößerte, die Ansprüche an das Leben selbst größer wurden, da mußte natürlich auch die Besoldung wachsen. Es ist hierüber schon oft gesprochen worden; man kann nicht sagen, daß die Senatoren zu hoch besoldet werden, der jüngste Senator hat nur 6tM Mark, aber als Beamte, deren Function oft sehr unwesentlich ist, wie z. B. das Amt eines Brodherren, welches in Rücksicht gegen die ärmere Klasse in Hamburg gar nicht zum Durch¬ bruch kommt, nicht in Wirkung tritt, werden sie es gewiß. Die Be¬ griffe und Kategorien von Staats- und Stadtverwaltung müßten bei einer Reform durchaus mehr gesondert werden. Eine große Klippe des bürgerlichen Rechtes ist, daß alle Beamte zugleich Regierungsmitglieder sind. Von dem Beamten findet keine positive Appellation statt, dieser steht nicht unter Controlle wie in jedem königlichen Staat, der Senator ist Regent, Minister und Beamter in einer Person. An dem Bocksbeutel gehört es auch noch, daß der Hamburger Se¬ nat an den Tagen der Raths- und Bürgerversammlung noch immer in den alten spanischen Sammtmänteln und weißen Priesterkragcn erscheint. Für eine Regierungs - und Berathungssitzung gewiß die steifste und un¬ bequemste Tracht von der Welt. Man begreift nicht, warum der Se¬ nat, eigenen Wohlbefindens halber, diese altmodische Perrückentracht nicht längst abgeschafft, wie es doch in Bremen geschehen ist. Ich sah oft Fremde erstaunen und sich verwundern, wenn sie hörten, daß dies die Hamburger Senatoren seien, die da mit Mantel und Kragen in den Wa¬ gen gehoben und von drei reitenden oder Herren-Dienern zu Fuß, in blauen und gelben, silberbetreßten Mänteln und dreieckigen Hüten etwa fünfzig Schritte, während der Kutscher langsam fährt, begleitet würden. Solche Eigenthümlichkeit muß der deutschen Oeffentlichkeit immer von Neuem dargebracht werden, damit sie sich endlich aufhebt. Sonderbar und auffallend zugleich ist es, daß die Senatoren und die „reitenden Diener" als erste Leichenträger im Ganzen noch nach derselben Sitte und Mode gehen, Kragen und Mäntel und spanische Grandezza hier wie dort. Wem sollte in Hamburg nun nicht noch manches Andere spanisch vorkommen, hinsichtlich der Einrichtungen und Eorporationen? Nicht alle Senatoren sind oder werden populär. Ost weiß der beste und kundigste Hamburger nicht alle Senatoren zu nennen. Ein Senator wird eigentlich erst bekannt und populär, wenn ihn das Amt des Polizeiherrn oder eines Prätors (d. h. gewöhnlichen Stadtrichters) trifft. Früher zeichneten sich die Senatoren mehr auch in der geistigen oder literarischen Welt aus, doch dies scheint jetzt seltener zu werden. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/182>, abgerufen am 27.11.2024.