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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Zwei Inseln in Böhmen.



Zwei Inseln -- nicht wasserumfluthete, wohl aber von fremden,
vielleicht feindlichen Elementen umgebene. Die Eine eine Anschwem¬
mung von fremdartigen Theilen, die Andere ein Ueberrest, nachdem
sich die Sturmfluth hussitisch-utraquistischer Kriege verlaufen; die Eine
von nicht weniger fremdartigem Idiom als fremdartigen Sitten und
Gefühlen umrungen, eine Sprachinsel; die Andere von himmelweitver¬
schiedener Denkungsart umwogt, eine Glaubensinsel, oder wie soll man
einen kleinen Flecken, ein kleines Dorf von Calvinisten bewohnt, mitten
im katholischen Böhmen anders nennen? -- Und wahrlich, ein erstau-
nenswürdigeö Eiland ist dieses kleine calvinische Dorf, wenn man
seine Umgebungen betrachtet. schutzlos und einsam liegt es da in
einer Gegend, die mit Kreuzen, Heiligenbildern und vielen andern
Abzeichen und Fahnen des Katholicismus besäet ist, inmitten von
"Heiligenfeld" (Sunda pe>le), einem kleinen und vom "Heiligen Berge"
Oval" Kora) einem weit berühmten Wallfahrtsorte; wie eingekeilt ist
es in einem Winkel Böhmens, wo die Jesuiten sich besonders gern
heimisch fühlten und wo ihre Klöster noch heute, freilich hier und da
als Zuckerraffinereien, zu sehen sind, und wo erst vor wenigen Jahren
ein Jesuit als Propst vom "Heiligen Berge" verstarb. Dazu kommt
noch, daß der Boden, auf welchem das Dörfchen steht, den Fürsten
Colloredo-Mansfeld gehört, deren Haus sich seit Jahrhunderten dem
Hause Habsburg sowohl als dem Katholicismus als treu ergeben erwiesen
hat. Zu diesen örtlichen Umständen gesellen sich noch die historischen,
die Operationen auf Leben und Tod, welche die Ferdinande und ihre
Nachfolger vorgenommen, um jeden Ketzerglauben aus Böhmen mit
Stumpf und Stiel auszurotten. Bedenkt man, wie brüderlich die Cal¬
vinisten Böhmens von den benachbarten Protestanten im Stich gelas-


Zwei Inseln in Böhmen.



Zwei Inseln — nicht wasserumfluthete, wohl aber von fremden,
vielleicht feindlichen Elementen umgebene. Die Eine eine Anschwem¬
mung von fremdartigen Theilen, die Andere ein Ueberrest, nachdem
sich die Sturmfluth hussitisch-utraquistischer Kriege verlaufen; die Eine
von nicht weniger fremdartigem Idiom als fremdartigen Sitten und
Gefühlen umrungen, eine Sprachinsel; die Andere von himmelweitver¬
schiedener Denkungsart umwogt, eine Glaubensinsel, oder wie soll man
einen kleinen Flecken, ein kleines Dorf von Calvinisten bewohnt, mitten
im katholischen Böhmen anders nennen? — Und wahrlich, ein erstau-
nenswürdigeö Eiland ist dieses kleine calvinische Dorf, wenn man
seine Umgebungen betrachtet. schutzlos und einsam liegt es da in
einer Gegend, die mit Kreuzen, Heiligenbildern und vielen andern
Abzeichen und Fahnen des Katholicismus besäet ist, inmitten von
„Heiligenfeld" (Sunda pe>le), einem kleinen und vom „Heiligen Berge"
Oval» Kora) einem weit berühmten Wallfahrtsorte; wie eingekeilt ist
es in einem Winkel Böhmens, wo die Jesuiten sich besonders gern
heimisch fühlten und wo ihre Klöster noch heute, freilich hier und da
als Zuckerraffinereien, zu sehen sind, und wo erst vor wenigen Jahren
ein Jesuit als Propst vom „Heiligen Berge" verstarb. Dazu kommt
noch, daß der Boden, auf welchem das Dörfchen steht, den Fürsten
Colloredo-Mansfeld gehört, deren Haus sich seit Jahrhunderten dem
Hause Habsburg sowohl als dem Katholicismus als treu ergeben erwiesen
hat. Zu diesen örtlichen Umständen gesellen sich noch die historischen,
die Operationen auf Leben und Tod, welche die Ferdinande und ihre
Nachfolger vorgenommen, um jeden Ketzerglauben aus Böhmen mit
Stumpf und Stiel auszurotten. Bedenkt man, wie brüderlich die Cal¬
vinisten Böhmens von den benachbarten Protestanten im Stich gelas-


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[0174] Zwei Inseln in Böhmen. Zwei Inseln — nicht wasserumfluthete, wohl aber von fremden, vielleicht feindlichen Elementen umgebene. Die Eine eine Anschwem¬ mung von fremdartigen Theilen, die Andere ein Ueberrest, nachdem sich die Sturmfluth hussitisch-utraquistischer Kriege verlaufen; die Eine von nicht weniger fremdartigem Idiom als fremdartigen Sitten und Gefühlen umrungen, eine Sprachinsel; die Andere von himmelweitver¬ schiedener Denkungsart umwogt, eine Glaubensinsel, oder wie soll man einen kleinen Flecken, ein kleines Dorf von Calvinisten bewohnt, mitten im katholischen Böhmen anders nennen? — Und wahrlich, ein erstau- nenswürdigeö Eiland ist dieses kleine calvinische Dorf, wenn man seine Umgebungen betrachtet. schutzlos und einsam liegt es da in einer Gegend, die mit Kreuzen, Heiligenbildern und vielen andern Abzeichen und Fahnen des Katholicismus besäet ist, inmitten von „Heiligenfeld" (Sunda pe>le), einem kleinen und vom „Heiligen Berge" Oval» Kora) einem weit berühmten Wallfahrtsorte; wie eingekeilt ist es in einem Winkel Böhmens, wo die Jesuiten sich besonders gern heimisch fühlten und wo ihre Klöster noch heute, freilich hier und da als Zuckerraffinereien, zu sehen sind, und wo erst vor wenigen Jahren ein Jesuit als Propst vom „Heiligen Berge" verstarb. Dazu kommt noch, daß der Boden, auf welchem das Dörfchen steht, den Fürsten Colloredo-Mansfeld gehört, deren Haus sich seit Jahrhunderten dem Hause Habsburg sowohl als dem Katholicismus als treu ergeben erwiesen hat. Zu diesen örtlichen Umständen gesellen sich noch die historischen, die Operationen auf Leben und Tod, welche die Ferdinande und ihre Nachfolger vorgenommen, um jeden Ketzerglauben aus Böhmen mit Stumpf und Stiel auszurotten. Bedenkt man, wie brüderlich die Cal¬ vinisten Böhmens von den benachbarten Protestanten im Stich gelas-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/174>, abgerufen am 27.11.2024.