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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Nie betrüge ich ihn, Wahrhaftigkeit ruft Offenherzigkeit, Theilnahme
ruft Vertrauen, Zuneigung, Freundschaft, gerechte Begegnung ruft
Reumuth hervor, und die Gerechtigkeit, mit welcher ich dem Sträfling
begegne, ist nicht jene grausame Gewalt, welche stets das Schwert
blank trägt, mit der Sprache, die keine Verzeihung hoffen läßt, mit
der schroffen, starren, zerschmetternden Geberde, vielmehr diejenige Ge¬
rechtigkeit, deren Waffe das Evangelium, deren Stimme die des Ge¬
wissens, deren Augen offen, deren Ohren nicht für die Laute der Neue
und Zerknirschung taub sind; ... sie schläft nie, zu jeder Stunde des
Tages und der Nacht kann der arme Gefangene sich ihr zu Füßen
werfen und Trost von ihr erwarten." Um seine Besserungsanstalt,
wenn man es damit versuchen wollte, in'ö Werk setzen zu können, ver¬
langt Appert vor allen Dingen ein nicht unbeträchtliches Landgut, von
der Hauptstadt und überhaupt von jeder größeren Stadt möglichst
entfernt und mit alten Gebäuden versehen, welche Gelegenheit darbie¬
ten, sie zu Wohnungen und Werkstätten für die Gefangenen dergestalt
einzurichten, daß sie zugleich einen sicheren Gewahrsam abgaben. Zwei¬
hundert Gefangene sollten da untergebracht werden, zuerst Maurer,
Zimmerleute, Tischler ihres Handwerkes, die man zur Herstellung der
Baulichkeiten und Einrichtungen gebrauchen würde. Als Beamte der
Detentions- oder vielmehr Besserungsanstalt müßten ein Director, ein
Arzt, ein katholischer und protestantischer Geistlicher, ein Apotheker, ein
Inspector, ein Secretär und zwölf Aufseher angestellt werden. Die
Gemeinde der Gefangenen würde Appert in zehn Klassen eintheilen,
für diese zehn Werkstätten errichten, 50 Schlafzeiten für Einzelne und
zehn Schlafsäle zu fünfzehn Betten für Gefangene und einem Auf¬
seherbett. Er würde jedem Schlafsaal und jeder Werkstatt den Namen
"irgend eines Wohlthäters der Menschheit" geben, die Gefängnisse
würde er mit einem Christusbilde und mit dem Brustbilde des Königs
auözieren. Eine Kapelle müßte vorhanden sein, in welcher sowohl
katholischer als evangelischer Gottesdienst abgehalten würde. Jeder
der zehn Klassen will Appert ein Sittenbuch geben, in welches die den
Mitgliedern derselben decretirten Strafen und Belohnungen eingetra¬
gen werden, und nach dessen Ergebniß Versetzungen in höhere oder
niedrigere Klassen der Anstalt stattfinden. Eine Monatschrift soll
redigirt werden, welche Nachrichten über das Gefängniß, etwa auch
über andere Gefängnisse des Staates, die Statistik der zuerkannten
Strafen und Belohnungen u. tgi. enthält (ohne Angabe der Fami¬
liennamen der Sträflinge) und welche den Gefangenen zur Lectüre


Nie betrüge ich ihn, Wahrhaftigkeit ruft Offenherzigkeit, Theilnahme
ruft Vertrauen, Zuneigung, Freundschaft, gerechte Begegnung ruft
Reumuth hervor, und die Gerechtigkeit, mit welcher ich dem Sträfling
begegne, ist nicht jene grausame Gewalt, welche stets das Schwert
blank trägt, mit der Sprache, die keine Verzeihung hoffen läßt, mit
der schroffen, starren, zerschmetternden Geberde, vielmehr diejenige Ge¬
rechtigkeit, deren Waffe das Evangelium, deren Stimme die des Ge¬
wissens, deren Augen offen, deren Ohren nicht für die Laute der Neue
und Zerknirschung taub sind; ... sie schläft nie, zu jeder Stunde des
Tages und der Nacht kann der arme Gefangene sich ihr zu Füßen
werfen und Trost von ihr erwarten." Um seine Besserungsanstalt,
wenn man es damit versuchen wollte, in'ö Werk setzen zu können, ver¬
langt Appert vor allen Dingen ein nicht unbeträchtliches Landgut, von
der Hauptstadt und überhaupt von jeder größeren Stadt möglichst
entfernt und mit alten Gebäuden versehen, welche Gelegenheit darbie¬
ten, sie zu Wohnungen und Werkstätten für die Gefangenen dergestalt
einzurichten, daß sie zugleich einen sicheren Gewahrsam abgaben. Zwei¬
hundert Gefangene sollten da untergebracht werden, zuerst Maurer,
Zimmerleute, Tischler ihres Handwerkes, die man zur Herstellung der
Baulichkeiten und Einrichtungen gebrauchen würde. Als Beamte der
Detentions- oder vielmehr Besserungsanstalt müßten ein Director, ein
Arzt, ein katholischer und protestantischer Geistlicher, ein Apotheker, ein
Inspector, ein Secretär und zwölf Aufseher angestellt werden. Die
Gemeinde der Gefangenen würde Appert in zehn Klassen eintheilen,
für diese zehn Werkstätten errichten, 50 Schlafzeiten für Einzelne und
zehn Schlafsäle zu fünfzehn Betten für Gefangene und einem Auf¬
seherbett. Er würde jedem Schlafsaal und jeder Werkstatt den Namen
„irgend eines Wohlthäters der Menschheit" geben, die Gefängnisse
würde er mit einem Christusbilde und mit dem Brustbilde des Königs
auözieren. Eine Kapelle müßte vorhanden sein, in welcher sowohl
katholischer als evangelischer Gottesdienst abgehalten würde. Jeder
der zehn Klassen will Appert ein Sittenbuch geben, in welches die den
Mitgliedern derselben decretirten Strafen und Belohnungen eingetra¬
gen werden, und nach dessen Ergebniß Versetzungen in höhere oder
niedrigere Klassen der Anstalt stattfinden. Eine Monatschrift soll
redigirt werden, welche Nachrichten über das Gefängniß, etwa auch
über andere Gefängnisse des Staates, die Statistik der zuerkannten
Strafen und Belohnungen u. tgi. enthält (ohne Angabe der Fami¬
liennamen der Sträflinge) und welche den Gefangenen zur Lectüre


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[0169] Nie betrüge ich ihn, Wahrhaftigkeit ruft Offenherzigkeit, Theilnahme ruft Vertrauen, Zuneigung, Freundschaft, gerechte Begegnung ruft Reumuth hervor, und die Gerechtigkeit, mit welcher ich dem Sträfling begegne, ist nicht jene grausame Gewalt, welche stets das Schwert blank trägt, mit der Sprache, die keine Verzeihung hoffen läßt, mit der schroffen, starren, zerschmetternden Geberde, vielmehr diejenige Ge¬ rechtigkeit, deren Waffe das Evangelium, deren Stimme die des Ge¬ wissens, deren Augen offen, deren Ohren nicht für die Laute der Neue und Zerknirschung taub sind; ... sie schläft nie, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht kann der arme Gefangene sich ihr zu Füßen werfen und Trost von ihr erwarten." Um seine Besserungsanstalt, wenn man es damit versuchen wollte, in'ö Werk setzen zu können, ver¬ langt Appert vor allen Dingen ein nicht unbeträchtliches Landgut, von der Hauptstadt und überhaupt von jeder größeren Stadt möglichst entfernt und mit alten Gebäuden versehen, welche Gelegenheit darbie¬ ten, sie zu Wohnungen und Werkstätten für die Gefangenen dergestalt einzurichten, daß sie zugleich einen sicheren Gewahrsam abgaben. Zwei¬ hundert Gefangene sollten da untergebracht werden, zuerst Maurer, Zimmerleute, Tischler ihres Handwerkes, die man zur Herstellung der Baulichkeiten und Einrichtungen gebrauchen würde. Als Beamte der Detentions- oder vielmehr Besserungsanstalt müßten ein Director, ein Arzt, ein katholischer und protestantischer Geistlicher, ein Apotheker, ein Inspector, ein Secretär und zwölf Aufseher angestellt werden. Die Gemeinde der Gefangenen würde Appert in zehn Klassen eintheilen, für diese zehn Werkstätten errichten, 50 Schlafzeiten für Einzelne und zehn Schlafsäle zu fünfzehn Betten für Gefangene und einem Auf¬ seherbett. Er würde jedem Schlafsaal und jeder Werkstatt den Namen „irgend eines Wohlthäters der Menschheit" geben, die Gefängnisse würde er mit einem Christusbilde und mit dem Brustbilde des Königs auözieren. Eine Kapelle müßte vorhanden sein, in welcher sowohl katholischer als evangelischer Gottesdienst abgehalten würde. Jeder der zehn Klassen will Appert ein Sittenbuch geben, in welches die den Mitgliedern derselben decretirten Strafen und Belohnungen eingetra¬ gen werden, und nach dessen Ergebniß Versetzungen in höhere oder niedrigere Klassen der Anstalt stattfinden. Eine Monatschrift soll redigirt werden, welche Nachrichten über das Gefängniß, etwa auch über andere Gefängnisse des Staates, die Statistik der zuerkannten Strafen und Belohnungen u. tgi. enthält (ohne Angabe der Fami¬ liennamen der Sträflinge) und welche den Gefangenen zur Lectüre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/169>, abgerufen am 24.11.2024.