Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.sie den Unglücklichen hatten liegen lassen, aber es hätte auch nichts Den Damen trübte der schreckliche Vorfall die Ruhe, sie sehnten "Molleicht hätte ihn diesmal eine Gabe gerettet," sagte er, "aber . Er spendete seinen- Trost, um die Mädchen zu beruhigen, welche "Finden wir nicht bald Abhülfe des Elends, das sich unter den sie den Unglücklichen hatten liegen lassen, aber es hätte auch nichts Den Damen trübte der schreckliche Vorfall die Ruhe, sie sehnten „Molleicht hätte ihn diesmal eine Gabe gerettet," sagte er, „aber . Er spendete seinen- Trost, um die Mädchen zu beruhigen, welche „Finden wir nicht bald Abhülfe des Elends, das sich unter den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182586"/> <p xml:id="ID_451" prev="#ID_450"> sie den Unglücklichen hatten liegen lassen, aber es hätte auch nichts<lb/> geholfen^ denn sein Leben war längst entflohen. Die jüngste Comtesse<lb/> konnte sich jetzt schaudernd erklären, warum der Unglückliche, sobald<lb/> sie vorüber gewesen, den Baum erklettert, was sein Sprung von oben<lb/> herab bedeutet habe. Das Gericht recognoscirte die Leiche des Unde<<lb/> kannten, der Arzt schritt zur gesetzlichen Obduction, aber es ergab sich<lb/> nichts, was über ihn hätte Auskunft geben können.</p><lb/> <p xml:id="ID_452"> Den Damen trübte der schreckliche Vorfall die Ruhe, sie sehnten<lb/> sich, die Gegend, wo diese grauenhaften Dinge so rasch auf einander<lb/> folgten, zu verlassen. Folgenden Nachmittags besuchte sie wieder der<lb/> Bekannte aus der Residenz, welchem die neue Fabrik, wo kürzlich der<lb/> Aufstand gewesen war, gehörte. Sein erster Gang nach der Ankunft<lb/> war hierher gewesen und täglich kam er wieder, die Domestiken bezeich¬<lb/> neten ihn als Werber um die älteste Comtesse. Er hörte die traurige<lb/> Erzählung, welche die aufgeregten Damen ihm in den lebendigsten<lb/> Farben gaben> mit Antheil an und suchte die Gemüther zu beschwich¬<lb/> tigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_453"> „Molleicht hätte ihn diesmal eine Gabe gerettet," sagte er, „aber<lb/> nicht auf immer. Wenn er später auch nicht durch Selbstmord unter¬<lb/> ging, so hätte er sein Verderben auf andere Weise gesunden, denn<lb/> verloren war er schon, als Sie ihn sailor. Das Uebel, dem er erlag,<lb/> ist allgemeiner, als Sie glauben, Gott gebe, daß man bald ein Heil¬<lb/> mittel dafür entdecke!"</p><lb/> <p xml:id="ID_454"> . Er spendete seinen- Trost, um die Mädchen zu beruhigen, welche<lb/> ja doch nicht für die Wirkung der Atmosphäre konnten, in der sie<lb/> bisher, wie in einem Rosengewölk, das alle Wirklichkeit phantastisch<lb/> schön erscheinen ließ, befangen gewesen waren. Mit dem Grafen hatte<lb/> er ein ernsteres Gespräch.</p><lb/> <p xml:id="ID_455" next="#ID_456"> „Finden wir nicht bald Abhülfe des Elends, das sich unter den<lb/> niedern Klassen wie ein Haidefeuer verbreitet, so droht der Gesellschaft<lb/> die größte Gefahr. Gleichviel, ob verschuldet oder nicht, daS Factum<lb/> der zunehmenden Verarmung ist da, die großen Capitalien erdrücken<lb/> die kleinen, aller Vortheil ist bei jenen, die kleinern Industriellen, die<lb/> ürmern Handwerker können mit den großen und reichen nicht mehr<lb/> concurriren, viele Meister stellen ihre Geschäfte ein und arbeiten wie¬<lb/> der als Gesellen, um nur das tägliche Brod zu haben. Die Menge<lb/> der Erwerblosen nimmt zu, ihr Groll wächst, der Neid sieht mit begehr¬<lb/> lichen Augen auf die Reichen, denen gleichsam die gebratenen Tauben<lb/> in den Mund fliegen, mit dem Physischen wächst das sittliche Elend -"</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
sie den Unglücklichen hatten liegen lassen, aber es hätte auch nichts
geholfen^ denn sein Leben war längst entflohen. Die jüngste Comtesse
konnte sich jetzt schaudernd erklären, warum der Unglückliche, sobald
sie vorüber gewesen, den Baum erklettert, was sein Sprung von oben
herab bedeutet habe. Das Gericht recognoscirte die Leiche des Unde<
kannten, der Arzt schritt zur gesetzlichen Obduction, aber es ergab sich
nichts, was über ihn hätte Auskunft geben können.
Den Damen trübte der schreckliche Vorfall die Ruhe, sie sehnten
sich, die Gegend, wo diese grauenhaften Dinge so rasch auf einander
folgten, zu verlassen. Folgenden Nachmittags besuchte sie wieder der
Bekannte aus der Residenz, welchem die neue Fabrik, wo kürzlich der
Aufstand gewesen war, gehörte. Sein erster Gang nach der Ankunft
war hierher gewesen und täglich kam er wieder, die Domestiken bezeich¬
neten ihn als Werber um die älteste Comtesse. Er hörte die traurige
Erzählung, welche die aufgeregten Damen ihm in den lebendigsten
Farben gaben> mit Antheil an und suchte die Gemüther zu beschwich¬
tigen.
„Molleicht hätte ihn diesmal eine Gabe gerettet," sagte er, „aber
nicht auf immer. Wenn er später auch nicht durch Selbstmord unter¬
ging, so hätte er sein Verderben auf andere Weise gesunden, denn
verloren war er schon, als Sie ihn sailor. Das Uebel, dem er erlag,
ist allgemeiner, als Sie glauben, Gott gebe, daß man bald ein Heil¬
mittel dafür entdecke!"
. Er spendete seinen- Trost, um die Mädchen zu beruhigen, welche
ja doch nicht für die Wirkung der Atmosphäre konnten, in der sie
bisher, wie in einem Rosengewölk, das alle Wirklichkeit phantastisch
schön erscheinen ließ, befangen gewesen waren. Mit dem Grafen hatte
er ein ernsteres Gespräch.
„Finden wir nicht bald Abhülfe des Elends, das sich unter den
niedern Klassen wie ein Haidefeuer verbreitet, so droht der Gesellschaft
die größte Gefahr. Gleichviel, ob verschuldet oder nicht, daS Factum
der zunehmenden Verarmung ist da, die großen Capitalien erdrücken
die kleinen, aller Vortheil ist bei jenen, die kleinern Industriellen, die
ürmern Handwerker können mit den großen und reichen nicht mehr
concurriren, viele Meister stellen ihre Geschäfte ein und arbeiten wie¬
der als Gesellen, um nur das tägliche Brod zu haben. Die Menge
der Erwerblosen nimmt zu, ihr Groll wächst, der Neid sieht mit begehr¬
lichen Augen auf die Reichen, denen gleichsam die gebratenen Tauben
in den Mund fliegen, mit dem Physischen wächst das sittliche Elend -"
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