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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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führen? Sollten nicht mehr gefehlt haben, als die Wenigen, die hier
namentlich gemacht sind?" -- "Herr Masser, Sie können überzeugt
sein --" -- "Schon gut! Aber -- hin! hin! Die Branntwein-Con-
sumtion nimmt zu -- ich weiß nicht, wo mir hier größerer Prosit wird.
Der Branntwein macht die Menschen tasch -- freilich schenken wir
viel aus, kaufen im Ganzen und machen beim Ausschenken ein hübsches
Geschäft, aber ich weiß doch nicht, ob dieser Profit nicht durch die laschere
Arbeit wieder drauf geht. Könnte man das nicht ein Bischen be¬
rechnen, lieber Baltz?" -- "O glauben Sie doch so etwas nicht!"
sagte der Aufseher. "Wenn die Menschen Branntwein getrunken haben,
arbeiten sie wie die Bären. Doppelter Profit also, Herr Masser
-- fragen Sie nur alle Oekonomen rings herum. Wenn sie ein groß
Stück fertig haben wollen, wenn die Leute nach Sonnenuntergang
oder Sonntags arbeiten sollen: allemal Schnaps! -- Die Laschheit
kommt nach, das ist richtig, aber erst, wenn Feierabend ist, und über
Nacht erholt sich Alles wieder. Will's am Morgen auch noch nicht
gehen, nun, so stärkt man sich wieder durch ein Schnäpschen und
dabei kommen wir wenigstens nicht zu kurz." -- "Ja, das ist wohl
plausibel," erwiederte der Fabrikherr, "aber ein Ende muß es doch
einmal haben, wo sich die Natur nicht mehr hilft." -- "Nun, dann
bleiben sie weg oder werden entlassen," sagte der Aufseher lächelnd.
"Die Menschen reißen sich ja nach Arbeit in dieser brodleeren Zeit.
Sind's nicht diese, so sind es Andere."

Dabei beruhigte sich Herr Masser, welcher sich überhaupt nur in
diese Erörterung eingelassen hatte, weil in ihm heute ganz absonderliche
Gedanken angeregt worden waren. Nachdem das Geschäft in gewohn¬
ter Ordnung abgemacht war, entließ er seinen Mann, welcher, einen
Moment über die Anwandlung seines Brodherrn ganz stutzig gewor¬
den, eine Bekehrung desselben gefürchtet hatte, wie sie ja täglich von
viel verstockter" Menschen geschah. Ihm selbst, dem Herrn Baltz, wäre
damit ungemein schlecht gedient gewesen, weil er den Detailschcmk des
Branntweins noch demillirter auf eigne Privatrechnung besorgte. Er
tröstete sich aber damit, daß, wenn auch sein Herr Principal Mäßigkeit
predigen wolle, der Sinn der Masse viel zu sehr dem wohlfeilen Labe-
und Lethetrank ergeben sei, um sich davon abbringen zu lassen.

Als Masser nun endlich allein war, verriegelte er seine Thüre
und setzte sich mit der langen Pfeife in den lederbezogenen Großvater-
stuhl, welchem er schon oft seine besten Spekulationen verdankte. Im
Zimmer sah es unheimlich aus, überall bekundete sich die unordent-


"r"Njh"den, Isis. u. Is

führen? Sollten nicht mehr gefehlt haben, als die Wenigen, die hier
namentlich gemacht sind?" — „Herr Masser, Sie können überzeugt
sein —" — „Schon gut! Aber — hin! hin! Die Branntwein-Con-
sumtion nimmt zu — ich weiß nicht, wo mir hier größerer Prosit wird.
Der Branntwein macht die Menschen tasch — freilich schenken wir
viel aus, kaufen im Ganzen und machen beim Ausschenken ein hübsches
Geschäft, aber ich weiß doch nicht, ob dieser Profit nicht durch die laschere
Arbeit wieder drauf geht. Könnte man das nicht ein Bischen be¬
rechnen, lieber Baltz?" — „O glauben Sie doch so etwas nicht!"
sagte der Aufseher. „Wenn die Menschen Branntwein getrunken haben,
arbeiten sie wie die Bären. Doppelter Profit also, Herr Masser
— fragen Sie nur alle Oekonomen rings herum. Wenn sie ein groß
Stück fertig haben wollen, wenn die Leute nach Sonnenuntergang
oder Sonntags arbeiten sollen: allemal Schnaps! — Die Laschheit
kommt nach, das ist richtig, aber erst, wenn Feierabend ist, und über
Nacht erholt sich Alles wieder. Will's am Morgen auch noch nicht
gehen, nun, so stärkt man sich wieder durch ein Schnäpschen und
dabei kommen wir wenigstens nicht zu kurz." — „Ja, das ist wohl
plausibel," erwiederte der Fabrikherr, „aber ein Ende muß es doch
einmal haben, wo sich die Natur nicht mehr hilft." — „Nun, dann
bleiben sie weg oder werden entlassen," sagte der Aufseher lächelnd.
„Die Menschen reißen sich ja nach Arbeit in dieser brodleeren Zeit.
Sind's nicht diese, so sind es Andere."

Dabei beruhigte sich Herr Masser, welcher sich überhaupt nur in
diese Erörterung eingelassen hatte, weil in ihm heute ganz absonderliche
Gedanken angeregt worden waren. Nachdem das Geschäft in gewohn¬
ter Ordnung abgemacht war, entließ er seinen Mann, welcher, einen
Moment über die Anwandlung seines Brodherrn ganz stutzig gewor¬
den, eine Bekehrung desselben gefürchtet hatte, wie sie ja täglich von
viel verstockter» Menschen geschah. Ihm selbst, dem Herrn Baltz, wäre
damit ungemein schlecht gedient gewesen, weil er den Detailschcmk des
Branntweins noch demillirter auf eigne Privatrechnung besorgte. Er
tröstete sich aber damit, daß, wenn auch sein Herr Principal Mäßigkeit
predigen wolle, der Sinn der Masse viel zu sehr dem wohlfeilen Labe-
und Lethetrank ergeben sei, um sich davon abbringen zu lassen.

Als Masser nun endlich allein war, verriegelte er seine Thüre
und setzte sich mit der langen Pfeife in den lederbezogenen Großvater-
stuhl, welchem er schon oft seine besten Spekulationen verdankte. Im
Zimmer sah es unheimlich aus, überall bekundete sich die unordent-


«r«Njh»den, Isis. u. Is
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[0149] führen? Sollten nicht mehr gefehlt haben, als die Wenigen, die hier namentlich gemacht sind?" — „Herr Masser, Sie können überzeugt sein —" — „Schon gut! Aber — hin! hin! Die Branntwein-Con- sumtion nimmt zu — ich weiß nicht, wo mir hier größerer Prosit wird. Der Branntwein macht die Menschen tasch — freilich schenken wir viel aus, kaufen im Ganzen und machen beim Ausschenken ein hübsches Geschäft, aber ich weiß doch nicht, ob dieser Profit nicht durch die laschere Arbeit wieder drauf geht. Könnte man das nicht ein Bischen be¬ rechnen, lieber Baltz?" — „O glauben Sie doch so etwas nicht!" sagte der Aufseher. „Wenn die Menschen Branntwein getrunken haben, arbeiten sie wie die Bären. Doppelter Profit also, Herr Masser — fragen Sie nur alle Oekonomen rings herum. Wenn sie ein groß Stück fertig haben wollen, wenn die Leute nach Sonnenuntergang oder Sonntags arbeiten sollen: allemal Schnaps! — Die Laschheit kommt nach, das ist richtig, aber erst, wenn Feierabend ist, und über Nacht erholt sich Alles wieder. Will's am Morgen auch noch nicht gehen, nun, so stärkt man sich wieder durch ein Schnäpschen und dabei kommen wir wenigstens nicht zu kurz." — „Ja, das ist wohl plausibel," erwiederte der Fabrikherr, „aber ein Ende muß es doch einmal haben, wo sich die Natur nicht mehr hilft." — „Nun, dann bleiben sie weg oder werden entlassen," sagte der Aufseher lächelnd. „Die Menschen reißen sich ja nach Arbeit in dieser brodleeren Zeit. Sind's nicht diese, so sind es Andere." Dabei beruhigte sich Herr Masser, welcher sich überhaupt nur in diese Erörterung eingelassen hatte, weil in ihm heute ganz absonderliche Gedanken angeregt worden waren. Nachdem das Geschäft in gewohn¬ ter Ordnung abgemacht war, entließ er seinen Mann, welcher, einen Moment über die Anwandlung seines Brodherrn ganz stutzig gewor¬ den, eine Bekehrung desselben gefürchtet hatte, wie sie ja täglich von viel verstockter» Menschen geschah. Ihm selbst, dem Herrn Baltz, wäre damit ungemein schlecht gedient gewesen, weil er den Detailschcmk des Branntweins noch demillirter auf eigne Privatrechnung besorgte. Er tröstete sich aber damit, daß, wenn auch sein Herr Principal Mäßigkeit predigen wolle, der Sinn der Masse viel zu sehr dem wohlfeilen Labe- und Lethetrank ergeben sei, um sich davon abbringen zu lassen. Als Masser nun endlich allein war, verriegelte er seine Thüre und setzte sich mit der langen Pfeife in den lederbezogenen Großvater- stuhl, welchem er schon oft seine besten Spekulationen verdankte. Im Zimmer sah es unheimlich aus, überall bekundete sich die unordent- «r«Njh»den, Isis. u. Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/149>, abgerufen am 24.11.2024.