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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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standen, darüber in Ekstase kommen. Aber charakteristisch ist die Art
und Weise. Der Eine sagte zum andern: -I"! n" v"i">i>^n>I" "uns
ouum c'"-"", den"! -- Der Ausdruck in den Gesichtern der schönen
Nymphen, die sich weinend dem gefesselten Prometheus zukehren, ist
so unendlich rührend, daß man glaubt, sie klagen zu hören. Ebenso
gefallt mir sein Hamlet und seine Ophelia, wie viel auch gewisse Par¬
teien daran auszusetzen haben, die sich vielleicht argern, daß Hamlet
nicht fett genug ist. -- Bei Ary Scheffer will ich den Streit nicht
erneuen, ob er als Deutscher zu betrachten sei oder nicht; durch die
Auffassung der Faustbilder, die er dieses Jahr als Fortsetzung seiner
frühern folgen ließ, hat er gezeigt, daß er ein gewisses Deutsch so
wenig verstehe, wie irgend ein Franzose. Nur die Farblosigkeit, an
denen seine Bilder immer mehr und mehr leiden, scheint ihn noch
zum Deutschen zu qualificiren. Faust und Gretchen im Garten ist
das schlechteste Faustbild, das vielleicht noch gemalt wurde. Faust
war ein junger, gemüthlicher Gentelman aus dem fünfzehnten Jahr¬
hundert, der Sohn irgend eines feisten Neichsbürgers, der gewiß noch
nicht eine einzige Mitternacht an seinem Pult herangemacht; Gret¬
chen, das weich- katholische Gretchen, hat der Calvinist Scheffer so
graulich protestantisch trocken und farblos gemacht und ihr statt der
Einfalt so viel Einfaltigkeit gegeben, daß es nicht zu sagen ist. Auf
dem zweiten Bilde, welches die Erscheinung Gretchens auf dem Blocks¬
bergs vorstellt, ist Faust besser und dem Originale naher, aber desto
schlechter sind Mephisto und Gretchen. Mephisto, wie er auf die Er¬
scheinung hindeutet und Faust in's Ohr flüstert, macht ein gemein-
höhnisches Gesicht, als ob er ihm eben eine Zote gemeinster Art
sagte, wahrend ihm doch selbst unheimlich und schauerlich zu Muthe
sein sollte, da er die Worte spricht:'


Laß das nur stehn! dabei wirds Niemand wohl.
Es ist ein Aauberbild, ist leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen ist nicht gut,
Bom starren Blick erstarrt des Menschen Blut
Und er wird fast in Stein verkehrt.
Von der Medusa hast du ja gehört.

Gretchen selbst ist ein hölzernes Gespenst, und doch soll sie ein blas¬
ses, schönes Kind sein, mit Augen eines Todten, die eine liebende
Hand nicht schloß. Auch ein alter Meister, Herr Schadow, macht
uns durch einen fahlen, farblosen Christus wenig Ehre. Da sind
Mir noch die frivolen Bilder des Herrn Schlcsinger, den man witzi¬
ger Weise den H--banuphel nennt, viel lieber; sie sind doch voll
Wahrheit und frischen Lebens. Auch ein Landsmann von uns, L.
Pollak ist durch eine gute Lithographie seiner "neugierigen Madchen"
auf der Ausstellung repräsentirt.

Wahrend, wie Sie wohl gelesen, Herr Gasparin und Herr Martin
(<in Roral) sich in der Kammer über die Colportation protestantischer


standen, darüber in Ekstase kommen. Aber charakteristisch ist die Art
und Weise. Der Eine sagte zum andern: -I«! n« v»i»>i>^n>I« »uns
ouum c'»-««, den»! — Der Ausdruck in den Gesichtern der schönen
Nymphen, die sich weinend dem gefesselten Prometheus zukehren, ist
so unendlich rührend, daß man glaubt, sie klagen zu hören. Ebenso
gefallt mir sein Hamlet und seine Ophelia, wie viel auch gewisse Par¬
teien daran auszusetzen haben, die sich vielleicht argern, daß Hamlet
nicht fett genug ist. — Bei Ary Scheffer will ich den Streit nicht
erneuen, ob er als Deutscher zu betrachten sei oder nicht; durch die
Auffassung der Faustbilder, die er dieses Jahr als Fortsetzung seiner
frühern folgen ließ, hat er gezeigt, daß er ein gewisses Deutsch so
wenig verstehe, wie irgend ein Franzose. Nur die Farblosigkeit, an
denen seine Bilder immer mehr und mehr leiden, scheint ihn noch
zum Deutschen zu qualificiren. Faust und Gretchen im Garten ist
das schlechteste Faustbild, das vielleicht noch gemalt wurde. Faust
war ein junger, gemüthlicher Gentelman aus dem fünfzehnten Jahr¬
hundert, der Sohn irgend eines feisten Neichsbürgers, der gewiß noch
nicht eine einzige Mitternacht an seinem Pult herangemacht; Gret¬
chen, das weich- katholische Gretchen, hat der Calvinist Scheffer so
graulich protestantisch trocken und farblos gemacht und ihr statt der
Einfalt so viel Einfaltigkeit gegeben, daß es nicht zu sagen ist. Auf
dem zweiten Bilde, welches die Erscheinung Gretchens auf dem Blocks¬
bergs vorstellt, ist Faust besser und dem Originale naher, aber desto
schlechter sind Mephisto und Gretchen. Mephisto, wie er auf die Er¬
scheinung hindeutet und Faust in's Ohr flüstert, macht ein gemein-
höhnisches Gesicht, als ob er ihm eben eine Zote gemeinster Art
sagte, wahrend ihm doch selbst unheimlich und schauerlich zu Muthe
sein sollte, da er die Worte spricht:'


Laß das nur stehn! dabei wirds Niemand wohl.
Es ist ein Aauberbild, ist leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen ist nicht gut,
Bom starren Blick erstarrt des Menschen Blut
Und er wird fast in Stein verkehrt.
Von der Medusa hast du ja gehört.

Gretchen selbst ist ein hölzernes Gespenst, und doch soll sie ein blas¬
ses, schönes Kind sein, mit Augen eines Todten, die eine liebende
Hand nicht schloß. Auch ein alter Meister, Herr Schadow, macht
uns durch einen fahlen, farblosen Christus wenig Ehre. Da sind
Mir noch die frivolen Bilder des Herrn Schlcsinger, den man witzi¬
ger Weise den H—banuphel nennt, viel lieber; sie sind doch voll
Wahrheit und frischen Lebens. Auch ein Landsmann von uns, L.
Pollak ist durch eine gute Lithographie seiner „neugierigen Madchen"
auf der Ausstellung repräsentirt.

Wahrend, wie Sie wohl gelesen, Herr Gasparin und Herr Martin
(<in Roral) sich in der Kammer über die Colportation protestantischer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/138>, abgerufen am 24.11.2024.