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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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dei hat dadurch bedeutend an Einfluß, an Ansehen gewonnen, und
wird es noch immer mehr, zumal die hauptstädtische Presse fortan in
demselben Geiste wirken zu wollen scheint. Dank sei dem lieben Gott
gebracht, wenn sie den Talar, der ihr gar nicht gut steht, für immer
fortwirft. Hoffentlich wird dazu auch ein Artikel von dem Senior
Krause in den "evangel. Zeitblättern" beitragen, worin er die Sache
des Lichtfreundismus bei jedem wahrhaft Liberalen blamirt. Diese
Herren fühlen, daß ihre Richtung innerlich hohl und leer, von keiner
Begeisterung getragen, nicht fähig ist, aus eigenen Mitteln sich empor
zu arbeiten. Darum fangen sie an dem politischen Positivismus zu
schmeicheln, ziehen sich den Hofrathsrock unter die Kutte und machen
loyale Visiten. "Wir sind eure Freunde, ihr Fürsten," sagen sie,
"wir wollen mit Politik nichts zu schaffen haben, wie die katholi¬
schen Geistlichen in Polen. Werdet ihr noch ferner glauben, daß von
dorther allein die Sicherung eurer Throne kommen kann?" -- Das
ist doch die rechte Art, der Sache des Geistes feste Begründung und
Anerkennung im Leben zu verschaffen.-- Zu der städtischen Ressource
besitzen wir ein Institut, das voraussichtlich zur Pacification der reli¬
giösen Streitereien viel beitragen wird, und das von diesem Standpunkte'
aus nicht genug gewürdigt werden kann. Man findet jeden Dienstag
mehrere hundert Personen fast aller Glaubensbekenntnisse beisammen,
die sich über öffentliche Verhältnisse besprechen. Die Jast der Mit¬
glieder überhaupt geht nahe an das Tausend, und umfaßt selbststän¬
dige Bewohner der Stadt vom geringsten Schuster bis zum Ober-
präsidenten. Letzterer war am vergangenen Dienstage zum ersten Male
anwesend, obgleich er schon lange Mitglied ist. Die alten gesellschaft¬
lichen Vorurtheile, an denen Breslau so reich ist, schwinden überhaupt
immer mehr.


IV.
Aus Paris.

Scribe's Genoveva. --- Politische Apathie.-- Thiers.-- Rarvaez und
Guizot. -- Die Kunstausstellung. -- Der deutsche Maler Lehmann. --
Scheffer, Schadow, Schlesinger und Poliar. -- Gutzkow's neuestes Drama.

So eben komme ich aus dem Vvmn-isv llr-u"""^"" zurück und
bin noch ganz erwärmt, nicht von Herrn Scribe's G'Meviiwe-- son¬
dern von den Reizen der schönen Schauspielerin Rose Ch<'ri -- und
soll Ihnen eine Correspondenz schreiben? -- Wahrlich, das ist viel
gefordert. Lieber legte ich die Feder hin und dächte über die Anmuth,
über die schönen Finger, Arme und Haare der schönen Rose Ch>in
Nach -- nebenbei wohl auch über die verführerische Blässe der schlan¬
ken Musik. Melzi, die ich ebenfalls heute Abend in dem allerliebsten
Stückchen: "lini, c>ni "<'- c^r-ax"gesehen habe. Die beiden
genannten Vaudevilles machen gegenwärtig hier Aufsehen, und die


dei hat dadurch bedeutend an Einfluß, an Ansehen gewonnen, und
wird es noch immer mehr, zumal die hauptstädtische Presse fortan in
demselben Geiste wirken zu wollen scheint. Dank sei dem lieben Gott
gebracht, wenn sie den Talar, der ihr gar nicht gut steht, für immer
fortwirft. Hoffentlich wird dazu auch ein Artikel von dem Senior
Krause in den „evangel. Zeitblättern" beitragen, worin er die Sache
des Lichtfreundismus bei jedem wahrhaft Liberalen blamirt. Diese
Herren fühlen, daß ihre Richtung innerlich hohl und leer, von keiner
Begeisterung getragen, nicht fähig ist, aus eigenen Mitteln sich empor
zu arbeiten. Darum fangen sie an dem politischen Positivismus zu
schmeicheln, ziehen sich den Hofrathsrock unter die Kutte und machen
loyale Visiten. „Wir sind eure Freunde, ihr Fürsten," sagen sie,
„wir wollen mit Politik nichts zu schaffen haben, wie die katholi¬
schen Geistlichen in Polen. Werdet ihr noch ferner glauben, daß von
dorther allein die Sicherung eurer Throne kommen kann?" — Das
ist doch die rechte Art, der Sache des Geistes feste Begründung und
Anerkennung im Leben zu verschaffen.— Zu der städtischen Ressource
besitzen wir ein Institut, das voraussichtlich zur Pacification der reli¬
giösen Streitereien viel beitragen wird, und das von diesem Standpunkte'
aus nicht genug gewürdigt werden kann. Man findet jeden Dienstag
mehrere hundert Personen fast aller Glaubensbekenntnisse beisammen,
die sich über öffentliche Verhältnisse besprechen. Die Jast der Mit¬
glieder überhaupt geht nahe an das Tausend, und umfaßt selbststän¬
dige Bewohner der Stadt vom geringsten Schuster bis zum Ober-
präsidenten. Letzterer war am vergangenen Dienstage zum ersten Male
anwesend, obgleich er schon lange Mitglied ist. Die alten gesellschaft¬
lichen Vorurtheile, an denen Breslau so reich ist, schwinden überhaupt
immer mehr.


IV.
Aus Paris.

Scribe's Genoveva. —- Politische Apathie.-- Thiers.— Rarvaez und
Guizot. — Die Kunstausstellung. — Der deutsche Maler Lehmann. —
Scheffer, Schadow, Schlesinger und Poliar. — Gutzkow's neuestes Drama.

So eben komme ich aus dem Vvmn-isv llr-u»»«^»« zurück und
bin noch ganz erwärmt, nicht von Herrn Scribe's G'Meviiwe— son¬
dern von den Reizen der schönen Schauspielerin Rose Ch<'ri — und
soll Ihnen eine Correspondenz schreiben? — Wahrlich, das ist viel
gefordert. Lieber legte ich die Feder hin und dächte über die Anmuth,
über die schönen Finger, Arme und Haare der schönen Rose Ch>in
Nach — nebenbei wohl auch über die verführerische Blässe der schlan¬
ken Musik. Melzi, die ich ebenfalls heute Abend in dem allerliebsten
Stückchen: »lini, c>ni «<'- c^r-ax«gesehen habe. Die beiden
genannten Vaudevilles machen gegenwärtig hier Aufsehen, und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/135>, abgerufen am 27.11.2024.