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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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getrost in die Zukunft sehen und Oesterreich und Preußen brauchen
vor dem Gedanken eines selbstständigen Polens nicht zu zittern. Denn
selbst auf die Gefahr hin, für einen Ideologen gehalten zu werden,
müssen wir es aussprechen: Wir glauben noch immer für die Zukunft
an ein silbstständiges Polen. Nicht durch Revolutionen und auch
nicht durch friedliche Vertrage! Aber einst, wenn die Würfel des Krie¬
ges wieder ein Mal auf dem rothen Schlachtfelde liegen, und Preu¬
ßen und Oesterreich vereint gegen den Feind stehen werden, dann wer¬
den sie bedenken, daß es in ihrem Ländcrverbande eine ewige schmerz¬
hafte Wunde gibt, der man jetzt Heilung/ bringen könnte; sie werden
bedenken, daß es jetzt an der Zeit sei die wunden Stellen gegen gesün¬
dere und nützlichere auszutauschen. Oesterreich wird an seine Donau¬
mündungen denken und an den bessern Tausch, den es dort machen
könnte und auch Preußen hat bis dahin vielleicht schon die Strecken
herausgefunden, die ihm behaglicher waren als das schwierige Posen.
Siege Deutschland, dann schreibt es Gesetze vor und ein unter seinem
Schutze wiederhergestelltes Polen ist sein ewiger Vorkämpfer gegen den
heißhungerigen Moskowiter, an dem es das Blut feiner edelsten Hel¬
den zu rächen hat; unterliegt Deutschland, was Gott verhüte --
dann freilich hören alle stolzen und menschlichen Phantasien auf und
die Knute ist der Gott der Welt.

Der Friede aber, der noch lange uns lächeln möge, gibt den
deutschen Herren polnischer Bevölkerung Zeit und Gelegenheit, sie durch
Gesetze, Freiheit und höhere Bildung in befreundete Stämme umzu¬
wandeln und zum sichern Bundesgenossen heranzubilden, wie es Frank¬
reich durch dreiundzwanzigjährige Herrschaft in Belgien gelungen!
Möge Galizien und Posen unser Belgien sein; wahren wir es, so
lange wir müssen und dürsen; aber bereiten wir uns vor, daß,
wenn wir es einst aufgeben müssen oder wollen, wir es als ein durch
gemeinsames Gesetz, gemeinsame Bildung und gemeinsame Freiheit
befreundetes Land entlassen.


I. Kuranda.
IN
Zwei Reisewerke.

Immer unmittelbarer die Wissenschaft mit dem Leben zu ver¬
mitteln, strebt die Neuzeit. Verallgemeinerung des Wissens ist ihr Wap-
penspruch. Humboldt's Kosmos war der großartigste Erfolg dieses
Stechers und Humboldt war es auch vorzugsweise, welcher die spe¬
cielle Richtung jenes Strebens nach der naturhistorischen Seite hin¬
lenkte. Es würde zu weitläufig sein, hier näher vorzüglich auf die
Reisewerke einzugehen, welche von naturforschenden Reisenden ausge¬
gangen, diesem Zwecke dienen sollen. Wohl aber darf man veilausig


getrost in die Zukunft sehen und Oesterreich und Preußen brauchen
vor dem Gedanken eines selbstständigen Polens nicht zu zittern. Denn
selbst auf die Gefahr hin, für einen Ideologen gehalten zu werden,
müssen wir es aussprechen: Wir glauben noch immer für die Zukunft
an ein silbstständiges Polen. Nicht durch Revolutionen und auch
nicht durch friedliche Vertrage! Aber einst, wenn die Würfel des Krie¬
ges wieder ein Mal auf dem rothen Schlachtfelde liegen, und Preu¬
ßen und Oesterreich vereint gegen den Feind stehen werden, dann wer¬
den sie bedenken, daß es in ihrem Ländcrverbande eine ewige schmerz¬
hafte Wunde gibt, der man jetzt Heilung/ bringen könnte; sie werden
bedenken, daß es jetzt an der Zeit sei die wunden Stellen gegen gesün¬
dere und nützlichere auszutauschen. Oesterreich wird an seine Donau¬
mündungen denken und an den bessern Tausch, den es dort machen
könnte und auch Preußen hat bis dahin vielleicht schon die Strecken
herausgefunden, die ihm behaglicher waren als das schwierige Posen.
Siege Deutschland, dann schreibt es Gesetze vor und ein unter seinem
Schutze wiederhergestelltes Polen ist sein ewiger Vorkämpfer gegen den
heißhungerigen Moskowiter, an dem es das Blut feiner edelsten Hel¬
den zu rächen hat; unterliegt Deutschland, was Gott verhüte —
dann freilich hören alle stolzen und menschlichen Phantasien auf und
die Knute ist der Gott der Welt.

Der Friede aber, der noch lange uns lächeln möge, gibt den
deutschen Herren polnischer Bevölkerung Zeit und Gelegenheit, sie durch
Gesetze, Freiheit und höhere Bildung in befreundete Stämme umzu¬
wandeln und zum sichern Bundesgenossen heranzubilden, wie es Frank¬
reich durch dreiundzwanzigjährige Herrschaft in Belgien gelungen!
Möge Galizien und Posen unser Belgien sein; wahren wir es, so
lange wir müssen und dürsen; aber bereiten wir uns vor, daß,
wenn wir es einst aufgeben müssen oder wollen, wir es als ein durch
gemeinsames Gesetz, gemeinsame Bildung und gemeinsame Freiheit
befreundetes Land entlassen.


I. Kuranda.
IN
Zwei Reisewerke.

Immer unmittelbarer die Wissenschaft mit dem Leben zu ver¬
mitteln, strebt die Neuzeit. Verallgemeinerung des Wissens ist ihr Wap-
penspruch. Humboldt's Kosmos war der großartigste Erfolg dieses
Stechers und Humboldt war es auch vorzugsweise, welcher die spe¬
cielle Richtung jenes Strebens nach der naturhistorischen Seite hin¬
lenkte. Es würde zu weitläufig sein, hier näher vorzüglich auf die
Reisewerke einzugehen, welche von naturforschenden Reisenden ausge¬
gangen, diesem Zwecke dienen sollen. Wohl aber darf man veilausig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/130>, abgerufen am 24.11.2024.