Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.nungen, Kasernen und sonstige öffentliche Gebäude sind zu Arvesten Wenn man reiflich über den ganzen Verschwörungsplan nach¬ nungen, Kasernen und sonstige öffentliche Gebäude sind zu Arvesten Wenn man reiflich über den ganzen Verschwörungsplan nach¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182543"/> <p xml:id="ID_311" prev="#ID_310"> nungen, Kasernen und sonstige öffentliche Gebäude sind zu Arvesten<lb/> verwandelt und überfüllt. Die zahlreichen, mit Bietern und Git¬<lb/> tern verschlagenen, von auf- und abschreitenden Posten beobachteten<lb/> Fenster, dazu zahlreiche in Trauer gekleidete Frauen, deren thränen¬<lb/> der Blick auf jene Fenster gerichtet ist, gewähren dem Reisenden<lb/> einen traurige!: Anblick. Als ich in Tarnow mich aufhielt, fand<lb/> eine Kirchenparade statt. Mehrere Bataillone, aus kaum eingerück¬<lb/> ten Beurlaubten bestehend, und eine Abtheilung des während dieser<lb/> bewegten Epoche durch Tapferkeit, Ausdauer, Haltung besonders<lb/> bewährten leichten Reiterregiments „Kaiser" paradirten vor seiner<lb/> k. H. dem Landesgouverneur. Außer diesen Reitern, welche deut¬<lb/> sches Volk sind und dem siebenbürgischen Regiments Graf Leinin¬<lb/> gen, bestanden alle andere Truppen durchaus aus Polen, und gerade<lb/> diese Truppen zeigten die größte Kampfbegierde, und Tag und Nacht<lb/> sah man in den Quartieren die neu eingerückten Beurlaubten ihre<lb/> Waffen putzen und Montur und Rüstung so schnell als möglich in<lb/> guten Stand setzen. Als die Truppen mit klingendem Spiele, mit<lb/> der Hymne „Gott erhalte den Kaiser" desilirtcn, was mußten da<lb/> die Gefangenen hinter ihren Gittern suhlen und denken? Wohl hat¬<lb/> ten sie Stoff und Muße, die UnHaltbarkeit der wahnsinnigen Täu¬<lb/> schung zu betrauern, in deren Folge sie diese Masse von Trauer,<lb/> Leid und Schmerz über ihr Land verhängt hatten. Aber diejenigen,<lb/> welche es anzettelten, sitzen nicht hinter diesen Gittern, sondern<lb/> schmausen, kritzeln, kritteln und intriguiren in Paris und London.</p><lb/> <p xml:id="ID_312" next="#ID_313"> Wenn man reiflich über den ganzen Verschwörungsplan nach¬<lb/> denkt, so weiß man nicht, wie sich so viel Schlauheit, Combinati-<lb/> onsgabe, terroristische Energie, und so manche Selbstaufopferung<lb/> mit so kleinlichen Jntriguengeiste und maßlosem Leichtsinne verbin¬<lb/> den läßt. Die Verschworeneil bauten ein Gerüst von administrati¬<lb/> ven, politischen und militärischen Organisationen, alle Würden und<lb/> Stellen, alle Aemter und Funktionen waren besetzt, sogar Purpur-<lb/> mäntel und Herzogskronen ausgetheilt (?), aber Niemand hatte sich<lb/> die Mühe gegeben, den Boden zu prüfen, auf dem das Gebäude<lb/> gebaut werden sollte. Wie konnte eS den Verschworenen unbekannt<lb/> bleiben, daß sie für ihr Unternehmen weder beim Landvolke, noch in<lb/> den Reihen der Truppen ans eine Sympathie rechnen konnten!?<lb/> Und wenn sich das Gegentheil schon so entschieden in den West-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
nungen, Kasernen und sonstige öffentliche Gebäude sind zu Arvesten
verwandelt und überfüllt. Die zahlreichen, mit Bietern und Git¬
tern verschlagenen, von auf- und abschreitenden Posten beobachteten
Fenster, dazu zahlreiche in Trauer gekleidete Frauen, deren thränen¬
der Blick auf jene Fenster gerichtet ist, gewähren dem Reisenden
einen traurige!: Anblick. Als ich in Tarnow mich aufhielt, fand
eine Kirchenparade statt. Mehrere Bataillone, aus kaum eingerück¬
ten Beurlaubten bestehend, und eine Abtheilung des während dieser
bewegten Epoche durch Tapferkeit, Ausdauer, Haltung besonders
bewährten leichten Reiterregiments „Kaiser" paradirten vor seiner
k. H. dem Landesgouverneur. Außer diesen Reitern, welche deut¬
sches Volk sind und dem siebenbürgischen Regiments Graf Leinin¬
gen, bestanden alle andere Truppen durchaus aus Polen, und gerade
diese Truppen zeigten die größte Kampfbegierde, und Tag und Nacht
sah man in den Quartieren die neu eingerückten Beurlaubten ihre
Waffen putzen und Montur und Rüstung so schnell als möglich in
guten Stand setzen. Als die Truppen mit klingendem Spiele, mit
der Hymne „Gott erhalte den Kaiser" desilirtcn, was mußten da
die Gefangenen hinter ihren Gittern suhlen und denken? Wohl hat¬
ten sie Stoff und Muße, die UnHaltbarkeit der wahnsinnigen Täu¬
schung zu betrauern, in deren Folge sie diese Masse von Trauer,
Leid und Schmerz über ihr Land verhängt hatten. Aber diejenigen,
welche es anzettelten, sitzen nicht hinter diesen Gittern, sondern
schmausen, kritzeln, kritteln und intriguiren in Paris und London.
Wenn man reiflich über den ganzen Verschwörungsplan nach¬
denkt, so weiß man nicht, wie sich so viel Schlauheit, Combinati-
onsgabe, terroristische Energie, und so manche Selbstaufopferung
mit so kleinlichen Jntriguengeiste und maßlosem Leichtsinne verbin¬
den läßt. Die Verschworeneil bauten ein Gerüst von administrati¬
ven, politischen und militärischen Organisationen, alle Würden und
Stellen, alle Aemter und Funktionen waren besetzt, sogar Purpur-
mäntel und Herzogskronen ausgetheilt (?), aber Niemand hatte sich
die Mühe gegeben, den Boden zu prüfen, auf dem das Gebäude
gebaut werden sollte. Wie konnte eS den Verschworenen unbekannt
bleiben, daß sie für ihr Unternehmen weder beim Landvolke, noch in
den Reihen der Truppen ans eine Sympathie rechnen konnten!?
Und wenn sich das Gegentheil schon so entschieden in den West-
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