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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Körper entwichen. Noch einmal raffte er sich im Todeskampfe
auf, und in der Revolution vom Jahre 1830 sehen wir die letzte
Manifestation der ritterlich aristokratisch-militärisch-nationalen Exi¬
stenz der Fraction des sarmatischen Volkes, welches sich polnische
Nation nannte. Sie fielen, wie sie gelebt, tapfer gegen den Feind,
uneinig unter sich, -- das Schlachtfeld war ihr Element, auf
demselben haben sie gelebt, und auf demselben sind sie rühmlich
gefallen! --

Die letzten Neste des Polenthums hatten sich in der Emigra¬
tion gesammelt, und zu einer Art künstlicher nationaler Organisa¬
tion vereinigt. In ihr lebten noch die alten Hoffnungen und
Träume fort, aber nach und nach empfanden auch ihre Mitglieder
den Einfluß der auflösenden Macht der Zeit. Während sie ihre
Kräfte nutzlos in Folge der alten polnischen Erbsünde, -- der Un¬
einigkeit, -- im Kampfe unter sich zersplitterten und aufrieben,
während die aristokratische Partei, an "deren Spitze Czartoryski
stand, von der demokratischen, welche Lelewel leitete, befehdet wur¬
de, während die doctrinäre Faction die militärische bekriegte, --
consolidirte sich der materielle Zustand, das factische politische Leben
in den ehemaligen polnischen Provinzen von Jahr zu Jahr, und
verringerte die Hoffnung zu einer Umgestaltung- Die eiserne Hand
Rußlands, die Bemühungen Preußens entfernten immer mehr und
mehr die Aussicht, die Elemente zu erhalten, auf welche die Emi¬
granten rechneten. Noch gefährlicher aber war ihren Plänen der
milde Scepter Oesterreichs, mehr noch als das Schwert und die
Knute der Russen. Denn während der Moskowite nach einem
Völker-Zweikampf von mehreren Jahrhunderten auf der Wahlstatt
Sieger geblieben war, und sein Te Deum im griechischen Ritus
absang, -- während d.er germanische, protestantische Preuße immer
auf anhaltende Antipathien gefaßt sein mußte, ließ es sich erwarten,
daß das polnische Element in Galizien sich allmälig an die ho¬
mogenen katholischen und slavischen Mitbrüder anschließen, an dem
Schutze, welchen Oesterreich allen nationalen Individualitäten seiner
verschiedenen Völkerschaften angedeihen läßt, Gefallen finden,
und sich somit in der katholisch-slavischen Völkerfamilie auflösen
würde. Deshalb hielt es die Emigration für dringend nothwendig,
ohne Verzug durch einen Gewaltstreich störend einzugreifen, um so


Körper entwichen. Noch einmal raffte er sich im Todeskampfe
auf, und in der Revolution vom Jahre 1830 sehen wir die letzte
Manifestation der ritterlich aristokratisch-militärisch-nationalen Exi¬
stenz der Fraction des sarmatischen Volkes, welches sich polnische
Nation nannte. Sie fielen, wie sie gelebt, tapfer gegen den Feind,
uneinig unter sich, — das Schlachtfeld war ihr Element, auf
demselben haben sie gelebt, und auf demselben sind sie rühmlich
gefallen! —

Die letzten Neste des Polenthums hatten sich in der Emigra¬
tion gesammelt, und zu einer Art künstlicher nationaler Organisa¬
tion vereinigt. In ihr lebten noch die alten Hoffnungen und
Träume fort, aber nach und nach empfanden auch ihre Mitglieder
den Einfluß der auflösenden Macht der Zeit. Während sie ihre
Kräfte nutzlos in Folge der alten polnischen Erbsünde, — der Un¬
einigkeit, — im Kampfe unter sich zersplitterten und aufrieben,
während die aristokratische Partei, an "deren Spitze Czartoryski
stand, von der demokratischen, welche Lelewel leitete, befehdet wur¬
de, während die doctrinäre Faction die militärische bekriegte, —
consolidirte sich der materielle Zustand, das factische politische Leben
in den ehemaligen polnischen Provinzen von Jahr zu Jahr, und
verringerte die Hoffnung zu einer Umgestaltung- Die eiserne Hand
Rußlands, die Bemühungen Preußens entfernten immer mehr und
mehr die Aussicht, die Elemente zu erhalten, auf welche die Emi¬
granten rechneten. Noch gefährlicher aber war ihren Plänen der
milde Scepter Oesterreichs, mehr noch als das Schwert und die
Knute der Russen. Denn während der Moskowite nach einem
Völker-Zweikampf von mehreren Jahrhunderten auf der Wahlstatt
Sieger geblieben war, und sein Te Deum im griechischen Ritus
absang, — während d.er germanische, protestantische Preuße immer
auf anhaltende Antipathien gefaßt sein mußte, ließ es sich erwarten,
daß das polnische Element in Galizien sich allmälig an die ho¬
mogenen katholischen und slavischen Mitbrüder anschließen, an dem
Schutze, welchen Oesterreich allen nationalen Individualitäten seiner
verschiedenen Völkerschaften angedeihen läßt, Gefallen finden,
und sich somit in der katholisch-slavischen Völkerfamilie auflösen
würde. Deshalb hielt es die Emigration für dringend nothwendig,
ohne Verzug durch einen Gewaltstreich störend einzugreifen, um so


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[0112] Körper entwichen. Noch einmal raffte er sich im Todeskampfe auf, und in der Revolution vom Jahre 1830 sehen wir die letzte Manifestation der ritterlich aristokratisch-militärisch-nationalen Exi¬ stenz der Fraction des sarmatischen Volkes, welches sich polnische Nation nannte. Sie fielen, wie sie gelebt, tapfer gegen den Feind, uneinig unter sich, — das Schlachtfeld war ihr Element, auf demselben haben sie gelebt, und auf demselben sind sie rühmlich gefallen! — Die letzten Neste des Polenthums hatten sich in der Emigra¬ tion gesammelt, und zu einer Art künstlicher nationaler Organisa¬ tion vereinigt. In ihr lebten noch die alten Hoffnungen und Träume fort, aber nach und nach empfanden auch ihre Mitglieder den Einfluß der auflösenden Macht der Zeit. Während sie ihre Kräfte nutzlos in Folge der alten polnischen Erbsünde, — der Un¬ einigkeit, — im Kampfe unter sich zersplitterten und aufrieben, während die aristokratische Partei, an "deren Spitze Czartoryski stand, von der demokratischen, welche Lelewel leitete, befehdet wur¬ de, während die doctrinäre Faction die militärische bekriegte, — consolidirte sich der materielle Zustand, das factische politische Leben in den ehemaligen polnischen Provinzen von Jahr zu Jahr, und verringerte die Hoffnung zu einer Umgestaltung- Die eiserne Hand Rußlands, die Bemühungen Preußens entfernten immer mehr und mehr die Aussicht, die Elemente zu erhalten, auf welche die Emi¬ granten rechneten. Noch gefährlicher aber war ihren Plänen der milde Scepter Oesterreichs, mehr noch als das Schwert und die Knute der Russen. Denn während der Moskowite nach einem Völker-Zweikampf von mehreren Jahrhunderten auf der Wahlstatt Sieger geblieben war, und sein Te Deum im griechischen Ritus absang, — während d.er germanische, protestantische Preuße immer auf anhaltende Antipathien gefaßt sein mußte, ließ es sich erwarten, daß das polnische Element in Galizien sich allmälig an die ho¬ mogenen katholischen und slavischen Mitbrüder anschließen, an dem Schutze, welchen Oesterreich allen nationalen Individualitäten seiner verschiedenen Völkerschaften angedeihen läßt, Gefallen finden, und sich somit in der katholisch-slavischen Völkerfamilie auflösen würde. Deshalb hielt es die Emigration für dringend nothwendig, ohne Verzug durch einen Gewaltstreich störend einzugreifen, um so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/112>, abgerufen am 24.11.2024.