Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.jetzt dem Volke das vorzuenthalten, was man ihm zu bieten ver¬ Es sind aber auch nicht immer der thatsächlichen Gewalt ge¬ Ein lebendiges volksthümliches Geistesleben und eine volks- jetzt dem Volke das vorzuenthalten, was man ihm zu bieten ver¬ Es sind aber auch nicht immer der thatsächlichen Gewalt ge¬ Ein lebendiges volksthümliches Geistesleben und eine volks- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182525"/> <p xml:id="ID_271" prev="#ID_270"> jetzt dem Volke das vorzuenthalten, was man ihm zu bieten ver¬<lb/> mag. Wir müssen unter ehrlosen Verhältnissen die innere Ehre<lb/> wach erhalten, in uns und Anderen.</p><lb/> <p xml:id="ID_272"> Es sind aber auch nicht immer der thatsächlichen Gewalt ge¬<lb/> genüber stehende Gedanken, die wir zurückhalte!? müssen; es wäre<lb/> auch Aufgabe der Wahrhaftigkeit, manches im Namen der Freiheit<lb/> Auftretende zu bekämpfen. Die lange, mit dem tiefsten innern Wi¬<lb/> derspruche ertragene Bevormundung hat es dahin gebracht, daß<lb/> alles der äußeren thatsächlichen Gewalt Mißliebige vorweg und<lb/> unbesehen als das Freie, auf das Volkswohl Abzielende gilt. Solche<lb/> innerste Auflehnung der Gemüther, solche Auflösung und Verwir¬<lb/> rung hat die unberechtigte Bevormundung zu Stande gebracht. Sie<lb/> allein hat es zu verantworten. Es gibt ganze Richtungen, die den<lb/> Schutz der polizeilichen Verfolgung genießen; wir müssen sie unbe-<lb/> kämpft lassen, weil ihnen die rohe Gewalt auf dem Nacken sitzt; wir<lb/> wollen nicht Handlanger der Polizei sein und! uns durch einen Gna¬<lb/> denblick beleidigen lassen. Die polizeiliche Verfehmung hat vieles<lb/> Verdammungswürdige dem zuständigen Richter entzogen; dieser<lb/> Richter ist einzig und allein der Volksgeist und der allgemeine Ge¬<lb/> schmack. Wäre das Wahlfeld offen und frei, wären den Bekämpf¬<lb/> ten nicht die Hände gebunden, wir würden in offener Sprache den<lb/> offenen Sinn des Volkes gegen sie aufrufen. Nun aber müssen<lb/> wir manche Verwirrung-und geistige Falschmünzerei gewähren und<lb/> selbst in die Volkskreise dringen lassen, weil wir den Beistand der<lb/> rohen Gewalt nicht zur Seite haben wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_273"> Ein lebendiges volksthümliches Geistesleben und eine volks-<lb/> thümliche Sprache ist nur in der ungehinderten Oeffentlichkeit und<lb/> Freiheit möglich, dort allein kann sich zeigen, wer den Geist des<lb/> Volkes kennt und die Sprache seines Geistes spricht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
jetzt dem Volke das vorzuenthalten, was man ihm zu bieten ver¬
mag. Wir müssen unter ehrlosen Verhältnissen die innere Ehre
wach erhalten, in uns und Anderen.
Es sind aber auch nicht immer der thatsächlichen Gewalt ge¬
genüber stehende Gedanken, die wir zurückhalte!? müssen; es wäre
auch Aufgabe der Wahrhaftigkeit, manches im Namen der Freiheit
Auftretende zu bekämpfen. Die lange, mit dem tiefsten innern Wi¬
derspruche ertragene Bevormundung hat es dahin gebracht, daß
alles der äußeren thatsächlichen Gewalt Mißliebige vorweg und
unbesehen als das Freie, auf das Volkswohl Abzielende gilt. Solche
innerste Auflehnung der Gemüther, solche Auflösung und Verwir¬
rung hat die unberechtigte Bevormundung zu Stande gebracht. Sie
allein hat es zu verantworten. Es gibt ganze Richtungen, die den
Schutz der polizeilichen Verfolgung genießen; wir müssen sie unbe-
kämpft lassen, weil ihnen die rohe Gewalt auf dem Nacken sitzt; wir
wollen nicht Handlanger der Polizei sein und! uns durch einen Gna¬
denblick beleidigen lassen. Die polizeiliche Verfehmung hat vieles
Verdammungswürdige dem zuständigen Richter entzogen; dieser
Richter ist einzig und allein der Volksgeist und der allgemeine Ge¬
schmack. Wäre das Wahlfeld offen und frei, wären den Bekämpf¬
ten nicht die Hände gebunden, wir würden in offener Sprache den
offenen Sinn des Volkes gegen sie aufrufen. Nun aber müssen
wir manche Verwirrung-und geistige Falschmünzerei gewähren und
selbst in die Volkskreise dringen lassen, weil wir den Beistand der
rohen Gewalt nicht zur Seite haben wollen.
Ein lebendiges volksthümliches Geistesleben und eine volks-
thümliche Sprache ist nur in der ungehinderten Oeffentlichkeit und
Freiheit möglich, dort allein kann sich zeigen, wer den Geist des
Volkes kennt und die Sprache seines Geistes spricht.
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