Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einem Mieg-liebe vom Herrenstande, dem ganzen geistlichen und
ganzen Ritterstande (weil nur 7 Mitglieder von diesem anwesend
waren, wovon 4 contra stimmten) nicht zu statten und es verdient
der Erwähnung, daß, während der Herrenstand mit feurigem Eifer
des Landes Interessen zu verfolgen strebt, der Ritterstand, in dessen
Mitte sich auch manche erfahrene Männer befinden, als ein besonderer
Stand im Allgemeinen sich noch sehr unthätig bewiesen. Dieser stän¬
dische Landtagsbeschluß gibt zugleich jenen ständischen Mitgliedern als
obrigkeitlichen Grundbesitzern, welche die ständischen Versammlungen
und Landtage gar nicht oder selten besuchen und jetzt über die sie tref¬
fende Steuererhöhung klagen, die gute Lehre, daß solche, wenn sie auch
vielleicht nicht gewohnt sind, dem allgemeinen Wohle des Landes einige
geringe Opfer zu bringen, zur Wahrung ihrer eigenen materiellen
Interessen die ständischen Versammlungen zahlreicher besuchen.

Wird es den Ständen fortan das Ziel aller ihrer Bestrebungen,
mit Hintansetzung jeder Rücksicht unser schönes Vaterland aus dem
Staube der Nichtigkeit (in die es allmälig zum Theile auch durch das
Verschulden der Stände herabgesunken ist) nach Maßgabe der gegen¬
wärtigen Verhältnisse zu dem Glanzpunkte seiner ehemaligen historischen
Größe zu führen, das sich Hierlands regende Nationalgefühl als Grund¬
bedingung jedes geistigen und materiellen Fortschrittes zu heben und
zu veredeln und als eifrige Mittler am Throne unserer Monar¬
chen (denn das Wort Vertreter wurde in dem Tendenzvortrage der
Deputation von 1845 den Ständen nicht genehm gehalten) die Inter¬
essen des Landes mit Eifer zu vertreten; so können sie nach meinem
Dafürhalten erwarten, daß ihrem Einmrte in die ehemaligen, wenn
auch bedeutend verringerten Schranken der ständischen Wirksamkeit ge¬
wiß auch die Sympathien ihrer Landsleute folgen und nur die Neider
oder Feinde jeder Neuerung ihre Leistungen als eine ephemäre Osten¬
tation erklären werden.

Der österreichischen Regierung, welche bei der so großen Verschie¬
denheit der ihr unterworfenen Nationen und deren Interessen eine an-
erkannt schwierige Aufgabe zu lösen hat, soll und wird gewiß ein freies,
besonnenes, von einer unbefangenen und weniger abhängigen Corpo¬
ration als der Beamten bescheiden ausgesprochenes Wort über die Bedürf¬
nisse des Landes willkommen sein und nur so wird es ihr gelingen
durch die Stände (welche als berathende Körperschaft die wichtigsten
Interessen des Landes: die Kirche, den Patrimonial-Grundbesitz, die
Grnndunterthanen, Handel und Gewerbe vertreten) Zwecke zu errei-


einem Mieg-liebe vom Herrenstande, dem ganzen geistlichen und
ganzen Ritterstande (weil nur 7 Mitglieder von diesem anwesend
waren, wovon 4 contra stimmten) nicht zu statten und es verdient
der Erwähnung, daß, während der Herrenstand mit feurigem Eifer
des Landes Interessen zu verfolgen strebt, der Ritterstand, in dessen
Mitte sich auch manche erfahrene Männer befinden, als ein besonderer
Stand im Allgemeinen sich noch sehr unthätig bewiesen. Dieser stän¬
dische Landtagsbeschluß gibt zugleich jenen ständischen Mitgliedern als
obrigkeitlichen Grundbesitzern, welche die ständischen Versammlungen
und Landtage gar nicht oder selten besuchen und jetzt über die sie tref¬
fende Steuererhöhung klagen, die gute Lehre, daß solche, wenn sie auch
vielleicht nicht gewohnt sind, dem allgemeinen Wohle des Landes einige
geringe Opfer zu bringen, zur Wahrung ihrer eigenen materiellen
Interessen die ständischen Versammlungen zahlreicher besuchen.

Wird es den Ständen fortan das Ziel aller ihrer Bestrebungen,
mit Hintansetzung jeder Rücksicht unser schönes Vaterland aus dem
Staube der Nichtigkeit (in die es allmälig zum Theile auch durch das
Verschulden der Stände herabgesunken ist) nach Maßgabe der gegen¬
wärtigen Verhältnisse zu dem Glanzpunkte seiner ehemaligen historischen
Größe zu führen, das sich Hierlands regende Nationalgefühl als Grund¬
bedingung jedes geistigen und materiellen Fortschrittes zu heben und
zu veredeln und als eifrige Mittler am Throne unserer Monar¬
chen (denn das Wort Vertreter wurde in dem Tendenzvortrage der
Deputation von 1845 den Ständen nicht genehm gehalten) die Inter¬
essen des Landes mit Eifer zu vertreten; so können sie nach meinem
Dafürhalten erwarten, daß ihrem Einmrte in die ehemaligen, wenn
auch bedeutend verringerten Schranken der ständischen Wirksamkeit ge¬
wiß auch die Sympathien ihrer Landsleute folgen und nur die Neider
oder Feinde jeder Neuerung ihre Leistungen als eine ephemäre Osten¬
tation erklären werden.

Der österreichischen Regierung, welche bei der so großen Verschie¬
denheit der ihr unterworfenen Nationen und deren Interessen eine an-
erkannt schwierige Aufgabe zu lösen hat, soll und wird gewiß ein freies,
besonnenes, von einer unbefangenen und weniger abhängigen Corpo¬
ration als der Beamten bescheiden ausgesprochenes Wort über die Bedürf¬
nisse des Landes willkommen sein und nur so wird es ihr gelingen
durch die Stände (welche als berathende Körperschaft die wichtigsten
Interessen des Landes: die Kirche, den Patrimonial-Grundbesitz, die
Grnndunterthanen, Handel und Gewerbe vertreten) Zwecke zu errei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183110"/>
            <p xml:id="ID_217" prev="#ID_216"> einem Mieg-liebe vom Herrenstande, dem ganzen geistlichen und<lb/>
ganzen Ritterstande (weil nur 7 Mitglieder von diesem anwesend<lb/>
waren, wovon 4 contra stimmten) nicht zu statten und es verdient<lb/>
der Erwähnung, daß, während der Herrenstand mit feurigem Eifer<lb/>
des Landes Interessen zu verfolgen strebt, der Ritterstand, in dessen<lb/>
Mitte sich auch manche erfahrene Männer befinden, als ein besonderer<lb/>
Stand im Allgemeinen sich noch sehr unthätig bewiesen. Dieser stän¬<lb/>
dische Landtagsbeschluß gibt zugleich jenen ständischen Mitgliedern als<lb/>
obrigkeitlichen Grundbesitzern, welche die ständischen Versammlungen<lb/>
und Landtage gar nicht oder selten besuchen und jetzt über die sie tref¬<lb/>
fende Steuererhöhung klagen, die gute Lehre, daß solche, wenn sie auch<lb/>
vielleicht nicht gewohnt sind, dem allgemeinen Wohle des Landes einige<lb/>
geringe Opfer zu bringen, zur Wahrung ihrer eigenen materiellen<lb/>
Interessen die ständischen Versammlungen zahlreicher besuchen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_218"> Wird es den Ständen fortan das Ziel aller ihrer Bestrebungen,<lb/>
mit Hintansetzung jeder Rücksicht unser schönes Vaterland aus dem<lb/>
Staube der Nichtigkeit (in die es allmälig zum Theile auch durch das<lb/>
Verschulden der Stände herabgesunken ist) nach Maßgabe der gegen¬<lb/>
wärtigen Verhältnisse zu dem Glanzpunkte seiner ehemaligen historischen<lb/>
Größe zu führen, das sich Hierlands regende Nationalgefühl als Grund¬<lb/>
bedingung jedes geistigen und materiellen Fortschrittes zu heben und<lb/>
zu veredeln und als eifrige Mittler am Throne unserer Monar¬<lb/>
chen (denn das Wort Vertreter wurde in dem Tendenzvortrage der<lb/>
Deputation von 1845 den Ständen nicht genehm gehalten) die Inter¬<lb/>
essen des Landes mit Eifer zu vertreten; so können sie nach meinem<lb/>
Dafürhalten erwarten, daß ihrem Einmrte in die ehemaligen, wenn<lb/>
auch bedeutend verringerten Schranken der ständischen Wirksamkeit ge¬<lb/>
wiß auch die Sympathien ihrer Landsleute folgen und nur die Neider<lb/>
oder Feinde jeder Neuerung ihre Leistungen als eine ephemäre Osten¬<lb/>
tation erklären werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_219" next="#ID_220"> Der österreichischen Regierung, welche bei der so großen Verschie¬<lb/>
denheit der ihr unterworfenen Nationen und deren Interessen eine an-<lb/>
erkannt schwierige Aufgabe zu lösen hat, soll und wird gewiß ein freies,<lb/>
besonnenes, von einer unbefangenen und weniger abhängigen Corpo¬<lb/>
ration als der Beamten bescheiden ausgesprochenes Wort über die Bedürf¬<lb/>
nisse des Landes willkommen sein und nur so wird es ihr gelingen<lb/>
durch die Stände (welche als berathende Körperschaft die wichtigsten<lb/>
Interessen des Landes: die Kirche, den Patrimonial-Grundbesitz, die<lb/>
Grnndunterthanen, Handel und Gewerbe vertreten) Zwecke zu errei-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] einem Mieg-liebe vom Herrenstande, dem ganzen geistlichen und ganzen Ritterstande (weil nur 7 Mitglieder von diesem anwesend waren, wovon 4 contra stimmten) nicht zu statten und es verdient der Erwähnung, daß, während der Herrenstand mit feurigem Eifer des Landes Interessen zu verfolgen strebt, der Ritterstand, in dessen Mitte sich auch manche erfahrene Männer befinden, als ein besonderer Stand im Allgemeinen sich noch sehr unthätig bewiesen. Dieser stän¬ dische Landtagsbeschluß gibt zugleich jenen ständischen Mitgliedern als obrigkeitlichen Grundbesitzern, welche die ständischen Versammlungen und Landtage gar nicht oder selten besuchen und jetzt über die sie tref¬ fende Steuererhöhung klagen, die gute Lehre, daß solche, wenn sie auch vielleicht nicht gewohnt sind, dem allgemeinen Wohle des Landes einige geringe Opfer zu bringen, zur Wahrung ihrer eigenen materiellen Interessen die ständischen Versammlungen zahlreicher besuchen. Wird es den Ständen fortan das Ziel aller ihrer Bestrebungen, mit Hintansetzung jeder Rücksicht unser schönes Vaterland aus dem Staube der Nichtigkeit (in die es allmälig zum Theile auch durch das Verschulden der Stände herabgesunken ist) nach Maßgabe der gegen¬ wärtigen Verhältnisse zu dem Glanzpunkte seiner ehemaligen historischen Größe zu führen, das sich Hierlands regende Nationalgefühl als Grund¬ bedingung jedes geistigen und materiellen Fortschrittes zu heben und zu veredeln und als eifrige Mittler am Throne unserer Monar¬ chen (denn das Wort Vertreter wurde in dem Tendenzvortrage der Deputation von 1845 den Ständen nicht genehm gehalten) die Inter¬ essen des Landes mit Eifer zu vertreten; so können sie nach meinem Dafürhalten erwarten, daß ihrem Einmrte in die ehemaligen, wenn auch bedeutend verringerten Schranken der ständischen Wirksamkeit ge¬ wiß auch die Sympathien ihrer Landsleute folgen und nur die Neider oder Feinde jeder Neuerung ihre Leistungen als eine ephemäre Osten¬ tation erklären werden. Der österreichischen Regierung, welche bei der so großen Verschie¬ denheit der ihr unterworfenen Nationen und deren Interessen eine an- erkannt schwierige Aufgabe zu lösen hat, soll und wird gewiß ein freies, besonnenes, von einer unbefangenen und weniger abhängigen Corpo¬ ration als der Beamten bescheiden ausgesprochenes Wort über die Bedürf¬ nisse des Landes willkommen sein und nur so wird es ihr gelingen durch die Stände (welche als berathende Körperschaft die wichtigsten Interessen des Landes: die Kirche, den Patrimonial-Grundbesitz, die Grnndunterthanen, Handel und Gewerbe vertreten) Zwecke zu errei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/89>, abgerufen am 24.07.2024.