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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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anziehenden Eigenthümlichkeiten, nach schärfern Unirissen, als während
der gestrigen im Fluge gewonnenen Anschauungen, hervortrat. E6 be¬
finden sich auf dem ganzen Eilande zwei Kühe und ungefähr zwei¬
hundert Schaft (von der kurzwolligen, schwarzen Art der Haidschnuk-
ken): geritten und gefahren kann auf so beschränktem und unebenem
Erdreiche nicht werden; auch die stolzeste Erdenhoheit muß sich also
hier zu Fuße, folglich desto demüthiger, präsentiren. Bei unserm Rund¬
lauf lenkten sich natürlich auch die Schritte zur Kirche, die einen ein¬
fachen, aber edeln Eindruck macht und von der Decke her zweckmäßig
ein herabhängendes Schiffsmodel zeigt. Mit den örtlichen Zeiteinthei¬
lungen unbekannt, hatten wir die eigentliche Predigt, zu unserm Be¬
dauern, versäumt. Denn es kann nur ein erhebendes Gefühl sein, auf
so von der übrigen Menschheit abgelegenem und schier vergessenem
Punkte des Oceans einer versammelten kleinen, aber durch Vätersitte,
Lebensweise und Gemüthsbedürfniß, wie die Bevölkerung dieses stillen,
ja heiligen Punktes (ist doch Helgoland wirklich Heiligland!), gleich
den Höhen der Insel selber, an den Himmel geknüpften Gemeinde,
Gottes Wort würdig vortragen zu hören. Helgoland hat zwei von
der englischen Regierung anständig besoldete und comfortabel einge-
haufte Prediger, einen ältern, Herr Langenheim, von welchem wir
viel Gutes vernahmen und einen jüngern, welchen wir zu sehen und
zu hören bekamen, eine stämmige, großgegliederte, ramassirte Gestalt
bet rüstigen Jahren, mit einer Stimme, gleich den Trompeten, unter
denen die Mauern Jericho's einstürzten. Der Mann schien selbe für
seine Zwecke gut brauchen zu können. Es war grade Kinderlehre;
er stand an einem Kirchenstühle des Parkets, und beim Eintritts tra¬
fen uns mit Donnerklang die Worte: "Da kommen sie, die starken
Geister, welche sich vermessen, im Leben mit ihrer eigenen Kraft aus¬
zureichen," oder wie der eifervolle Sermon weiter lautete. Wir waren
allerdings, da wir uns nicht verhehlen konnten, wenn auch nicht starke,
doch solche Geister zu sein, die sich nicht gern etwas aufbinden lassen,
was bei den Pastoren insgemein die starken Geister sind, ein wenig
bestürzt und fürchteten, es habe sich durch irgend einen Colporteur,
wie sie dermalen durch die providentielle Vatersorge deutscher Polizeien
im befreiten Deutschland herumschleichen, ein Signalement von uns
nach Helgoland und an diesen Exorcisten der starken Geister verirrt.
Denn da wir so recht nicht fassen konnten, was wohl die Lehre von
starken Geistern mit der Kinderlehre in einer helgolander Kirche zu
schaffen habe, und ob es denn auch wohl gut sei, diese Kinder, die


anziehenden Eigenthümlichkeiten, nach schärfern Unirissen, als während
der gestrigen im Fluge gewonnenen Anschauungen, hervortrat. E6 be¬
finden sich auf dem ganzen Eilande zwei Kühe und ungefähr zwei¬
hundert Schaft (von der kurzwolligen, schwarzen Art der Haidschnuk-
ken): geritten und gefahren kann auf so beschränktem und unebenem
Erdreiche nicht werden; auch die stolzeste Erdenhoheit muß sich also
hier zu Fuße, folglich desto demüthiger, präsentiren. Bei unserm Rund¬
lauf lenkten sich natürlich auch die Schritte zur Kirche, die einen ein¬
fachen, aber edeln Eindruck macht und von der Decke her zweckmäßig
ein herabhängendes Schiffsmodel zeigt. Mit den örtlichen Zeiteinthei¬
lungen unbekannt, hatten wir die eigentliche Predigt, zu unserm Be¬
dauern, versäumt. Denn es kann nur ein erhebendes Gefühl sein, auf
so von der übrigen Menschheit abgelegenem und schier vergessenem
Punkte des Oceans einer versammelten kleinen, aber durch Vätersitte,
Lebensweise und Gemüthsbedürfniß, wie die Bevölkerung dieses stillen,
ja heiligen Punktes (ist doch Helgoland wirklich Heiligland!), gleich
den Höhen der Insel selber, an den Himmel geknüpften Gemeinde,
Gottes Wort würdig vortragen zu hören. Helgoland hat zwei von
der englischen Regierung anständig besoldete und comfortabel einge-
haufte Prediger, einen ältern, Herr Langenheim, von welchem wir
viel Gutes vernahmen und einen jüngern, welchen wir zu sehen und
zu hören bekamen, eine stämmige, großgegliederte, ramassirte Gestalt
bet rüstigen Jahren, mit einer Stimme, gleich den Trompeten, unter
denen die Mauern Jericho's einstürzten. Der Mann schien selbe für
seine Zwecke gut brauchen zu können. Es war grade Kinderlehre;
er stand an einem Kirchenstühle des Parkets, und beim Eintritts tra¬
fen uns mit Donnerklang die Worte: „Da kommen sie, die starken
Geister, welche sich vermessen, im Leben mit ihrer eigenen Kraft aus¬
zureichen," oder wie der eifervolle Sermon weiter lautete. Wir waren
allerdings, da wir uns nicht verhehlen konnten, wenn auch nicht starke,
doch solche Geister zu sein, die sich nicht gern etwas aufbinden lassen,
was bei den Pastoren insgemein die starken Geister sind, ein wenig
bestürzt und fürchteten, es habe sich durch irgend einen Colporteur,
wie sie dermalen durch die providentielle Vatersorge deutscher Polizeien
im befreiten Deutschland herumschleichen, ein Signalement von uns
nach Helgoland und an diesen Exorcisten der starken Geister verirrt.
Denn da wir so recht nicht fassen konnten, was wohl die Lehre von
starken Geistern mit der Kinderlehre in einer helgolander Kirche zu
schaffen habe, und ob es denn auch wohl gut sei, diese Kinder, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/68>, abgerufen am 04.07.2024.