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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Münzfußes und für viel andre Erleichterungen des gegenseitigen Ver¬
kehres mehr. Und auch in Bezug auf den Glauben ist es wohl von
allen am wenigsten von der Seelenfreiheit entfernt.

Das waren gewichtige Gründe zu der Vermuthung, Preuße," gehe
zwar vorsichtig und langsam, es gehe aber doch seinen eignen großartigen
Weg, es habe geprüft und gewählt; der jüngste und ungeschichtlichste
Gioßstaat weiß' es, daß nicht erzwungne und vergebliche Centralisirung
seiner so verschiednen, räumlich getrennten, und nur zufällig zusammen¬
gekommenen Landestheile sein Beruf sei, sondern daß rs als Bannerträger
deutscher Nationalität und deutschen Geistes eine ganz andere Aufgabe
und eine ganz andere Zukunft habe. Wie sollte man von diesem Staats
Schritte erwarten, die nur das schroffe Bewußtsein der Trennung und
Abgeschlossenheit zur Folge hat?

Es ist wahr, die Bundesacte gewahrt ausnahmsweise den unbehin¬
derten und berechtigten Aufenthalt in sämmtlichen deutschen Bundesstaaten
nur dem höchsten Adel, den ehemaligen Rcichsunmittelbaren, den Media-
tisi'reen; man hat nie geglaubt, daß diese Ausnahme einen Sinn haben
könnte, daß der Bund sich in der That so wenig als Ersatz des alten
ReichsvcrbandeS betrachte, daß er einer bevorzugten Classe gleichsam ein
Stück desselben aufzubewahren für nöthig erachtet haben sollte, man hat
sie für eine jener formellen Concessionen gehalten, in denen wir uns
Anstands wegen mit unsern historischen Erinnerungen abfinden, und die
schon dadurch bedeutungslos werden, daß sie thatsächlich jeder genießt;
aber wie viele neuere Beispiele beweisen, daß man sich getäuscht hat.

Allerdings, das Recht ist dem Buchstaben nach aus Seiten der
Negierung, aber die öffentliche Meinung fragt: Ist dieses Recht recht,
oder wenigstens ist es recht, daß Gebrauch davon gemacht wird? Ist
es recht, daß ein bundeSgesetzmaßiger Volksvertreter in einem Bundes¬
staate, um seiner Wirksamkeit als solcher, oder vielleicht um der Sympathie
willen, die man ihm in Folge dessen schenkt, von einem Theile des
deutschen Gebiets ausgeschlossen wird? I? es recht, daß ein deutscher
Schriftsteller, wegen einer Zeitschrift, die mit Concession und unter Censur
eines Bundesstaates erscheint, also ebenfalls wegen einer ganz gesetzmäßigen
Wirksamkeit, aus einem Staate entfernt wird, der keineswegs blos
auf die geistige Entwickelung innerhalb seiner Grenzen, sondern auf die
gesammte deutsche Entwickelung durch seine Beschickung des Bundestags
einen Einfluß hat, der ihn eigentlich für das, was in andern deutschen
Landestheilen gedruckt wird, ebenso gut selbst verantwortlich macht?

Man mag sogar zugestehen, daß jenes Recht der einzelnen Staaten
in besondern Fällen seine praktische Nothwendigkeit habe. Vielleicht ist
Gefahr im Verzüge und der Recurs an die Bundesversammlung entweder
zu weitläuftig, oder wegen mangelnder Jndicien unthunlich, dann aber
darf auch nur die Noth den Schritt entschuldigen.

Wo aber der Augenschein lehrt, daß dies nicht der Fall, ja wo ein-
gestandenermaßen es nur die oben bezeichneten Verhältnisse veranlaßt
haben, da hat die Ausübung des Rechtes einen nutzlosen Druck zur
Folge. Und welcher Druck!


73--!-

Münzfußes und für viel andre Erleichterungen des gegenseitigen Ver¬
kehres mehr. Und auch in Bezug auf den Glauben ist es wohl von
allen am wenigsten von der Seelenfreiheit entfernt.

Das waren gewichtige Gründe zu der Vermuthung, Preuße,» gehe
zwar vorsichtig und langsam, es gehe aber doch seinen eignen großartigen
Weg, es habe geprüft und gewählt; der jüngste und ungeschichtlichste
Gioßstaat weiß' es, daß nicht erzwungne und vergebliche Centralisirung
seiner so verschiednen, räumlich getrennten, und nur zufällig zusammen¬
gekommenen Landestheile sein Beruf sei, sondern daß rs als Bannerträger
deutscher Nationalität und deutschen Geistes eine ganz andere Aufgabe
und eine ganz andere Zukunft habe. Wie sollte man von diesem Staats
Schritte erwarten, die nur das schroffe Bewußtsein der Trennung und
Abgeschlossenheit zur Folge hat?

Es ist wahr, die Bundesacte gewahrt ausnahmsweise den unbehin¬
derten und berechtigten Aufenthalt in sämmtlichen deutschen Bundesstaaten
nur dem höchsten Adel, den ehemaligen Rcichsunmittelbaren, den Media-
tisi'reen; man hat nie geglaubt, daß diese Ausnahme einen Sinn haben
könnte, daß der Bund sich in der That so wenig als Ersatz des alten
ReichsvcrbandeS betrachte, daß er einer bevorzugten Classe gleichsam ein
Stück desselben aufzubewahren für nöthig erachtet haben sollte, man hat
sie für eine jener formellen Concessionen gehalten, in denen wir uns
Anstands wegen mit unsern historischen Erinnerungen abfinden, und die
schon dadurch bedeutungslos werden, daß sie thatsächlich jeder genießt;
aber wie viele neuere Beispiele beweisen, daß man sich getäuscht hat.

Allerdings, das Recht ist dem Buchstaben nach aus Seiten der
Negierung, aber die öffentliche Meinung fragt: Ist dieses Recht recht,
oder wenigstens ist es recht, daß Gebrauch davon gemacht wird? Ist
es recht, daß ein bundeSgesetzmaßiger Volksvertreter in einem Bundes¬
staate, um seiner Wirksamkeit als solcher, oder vielleicht um der Sympathie
willen, die man ihm in Folge dessen schenkt, von einem Theile des
deutschen Gebiets ausgeschlossen wird? I? es recht, daß ein deutscher
Schriftsteller, wegen einer Zeitschrift, die mit Concession und unter Censur
eines Bundesstaates erscheint, also ebenfalls wegen einer ganz gesetzmäßigen
Wirksamkeit, aus einem Staate entfernt wird, der keineswegs blos
auf die geistige Entwickelung innerhalb seiner Grenzen, sondern auf die
gesammte deutsche Entwickelung durch seine Beschickung des Bundestags
einen Einfluß hat, der ihn eigentlich für das, was in andern deutschen
Landestheilen gedruckt wird, ebenso gut selbst verantwortlich macht?

Man mag sogar zugestehen, daß jenes Recht der einzelnen Staaten
in besondern Fällen seine praktische Nothwendigkeit habe. Vielleicht ist
Gefahr im Verzüge und der Recurs an die Bundesversammlung entweder
zu weitläuftig, oder wegen mangelnder Jndicien unthunlich, dann aber
darf auch nur die Noth den Schritt entschuldigen.

Wo aber der Augenschein lehrt, daß dies nicht der Fall, ja wo ein-
gestandenermaßen es nur die oben bezeichneten Verhältnisse veranlaßt
haben, da hat die Ausübung des Rechtes einen nutzlosen Druck zur
Folge. Und welcher Druck!


73--!-
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[0551] Münzfußes und für viel andre Erleichterungen des gegenseitigen Ver¬ kehres mehr. Und auch in Bezug auf den Glauben ist es wohl von allen am wenigsten von der Seelenfreiheit entfernt. Das waren gewichtige Gründe zu der Vermuthung, Preuße,» gehe zwar vorsichtig und langsam, es gehe aber doch seinen eignen großartigen Weg, es habe geprüft und gewählt; der jüngste und ungeschichtlichste Gioßstaat weiß' es, daß nicht erzwungne und vergebliche Centralisirung seiner so verschiednen, räumlich getrennten, und nur zufällig zusammen¬ gekommenen Landestheile sein Beruf sei, sondern daß rs als Bannerträger deutscher Nationalität und deutschen Geistes eine ganz andere Aufgabe und eine ganz andere Zukunft habe. Wie sollte man von diesem Staats Schritte erwarten, die nur das schroffe Bewußtsein der Trennung und Abgeschlossenheit zur Folge hat? Es ist wahr, die Bundesacte gewahrt ausnahmsweise den unbehin¬ derten und berechtigten Aufenthalt in sämmtlichen deutschen Bundesstaaten nur dem höchsten Adel, den ehemaligen Rcichsunmittelbaren, den Media- tisi'reen; man hat nie geglaubt, daß diese Ausnahme einen Sinn haben könnte, daß der Bund sich in der That so wenig als Ersatz des alten ReichsvcrbandeS betrachte, daß er einer bevorzugten Classe gleichsam ein Stück desselben aufzubewahren für nöthig erachtet haben sollte, man hat sie für eine jener formellen Concessionen gehalten, in denen wir uns Anstands wegen mit unsern historischen Erinnerungen abfinden, und die schon dadurch bedeutungslos werden, daß sie thatsächlich jeder genießt; aber wie viele neuere Beispiele beweisen, daß man sich getäuscht hat. Allerdings, das Recht ist dem Buchstaben nach aus Seiten der Negierung, aber die öffentliche Meinung fragt: Ist dieses Recht recht, oder wenigstens ist es recht, daß Gebrauch davon gemacht wird? Ist es recht, daß ein bundeSgesetzmaßiger Volksvertreter in einem Bundes¬ staate, um seiner Wirksamkeit als solcher, oder vielleicht um der Sympathie willen, die man ihm in Folge dessen schenkt, von einem Theile des deutschen Gebiets ausgeschlossen wird? I? es recht, daß ein deutscher Schriftsteller, wegen einer Zeitschrift, die mit Concession und unter Censur eines Bundesstaates erscheint, also ebenfalls wegen einer ganz gesetzmäßigen Wirksamkeit, aus einem Staate entfernt wird, der keineswegs blos auf die geistige Entwickelung innerhalb seiner Grenzen, sondern auf die gesammte deutsche Entwickelung durch seine Beschickung des Bundestags einen Einfluß hat, der ihn eigentlich für das, was in andern deutschen Landestheilen gedruckt wird, ebenso gut selbst verantwortlich macht? Man mag sogar zugestehen, daß jenes Recht der einzelnen Staaten in besondern Fällen seine praktische Nothwendigkeit habe. Vielleicht ist Gefahr im Verzüge und der Recurs an die Bundesversammlung entweder zu weitläuftig, oder wegen mangelnder Jndicien unthunlich, dann aber darf auch nur die Noth den Schritt entschuldigen. Wo aber der Augenschein lehrt, daß dies nicht der Fall, ja wo ein- gestandenermaßen es nur die oben bezeichneten Verhältnisse veranlaßt haben, da hat die Ausübung des Rechtes einen nutzlosen Druck zur Folge. Und welcher Druck! 73--!-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/551>, abgerufen am 24.07.2024.