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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Dutzend Manuscripte populär-tandnürthschafllichen und technologischen
Inhalts zu bringen, die mit den anziehendsten Titeln versehen sein
würden. Dem deutschen Michel geht ja ein Titel und ein Ordens¬
band über Alles.

Ach verlegte also jetzt Dutzendweise, machte schreiende Annoncen
für die öffentlichen Blätter (ich weiß selbst nicht, wie ich dies so schnell
erlernte) und siehe da, meine Bemühungen wurden von den glänzend¬
sten Erfolgen gekrönt. Die schlechten Wische, welche ich in die Welt
sandte, wurden so ungeheuer verkauft, daß ich von den meisten der¬
selben in einem Jahre mehrere Auflagen besorgen mußte. Mein Doc-
tor i>l,no8"i>in!l<z war äußerst thätig, und schaffte in 50 Wochen fünf¬
zig dergleichen Manuscripte.

O ihr Thoren, die ihr in euren Werken euer wärmstes Herzblut
dem Volke darreicht, und die ihr dann zum Lohne dafür von ihm ver¬
lacht werdet! Prellt, sorget allein für euch, und ihr werdet goldene
Früchte ernten. So dachte ich. Man sieht, daß ich schon ein recht
vernünftiger Philister geworden war.

Es gab bald keine Krankheit, für die ick) nicht ein Buch verlegt
hätte. Tausende wurden getäuscht, und andere Tausende kamen zu
dem wunderthätigen Quell.

So waren kaum zehn Jahre verflossen, als ich nicht nur mein
verlorenes Vermögen wieder erlangt, sondern auch noch einen Ueber¬
schuß von zehntausend Thalern hatte. Man hätte denken sollen: reelle
Buchhändler hätten sich geweigert, meinen Verlag anzunehmen, und
zu verkaufen. Aber weit fehlgeschossen, diese Werke brachten ihnen
einen ansehnlichen Gewinn, und das genügte ihnen. Als ich nun so
auf dem Gipfel meines Glückes stand, befiel mich eine schwere Krank¬
heit, der ich als Opfer fallen zu sollen schien.

Da bekam plötzlich mein Lebenslauf eine andere Richtung. Die
Nähe des Todes erfüllte mich mit Angst; "nein Gewissen erwachte
aus langem Schlummer, und bereitete mir Folterqualen. Ich dachte
mir: wie viel unglückliche Leidende mögen deine Rathgeber und Hilfs¬
büchlein vielleicht dem Tode zugeführt haben, die mit Hilfe eines
tüchtigen Arztes genesen wären? Zwar warf ich dann und wann den
leidigen Trost hin: du hast ja Niemand dazu gezwungen, diese Bücher
zu kaufen; aber dieser Trost hielt nicht lange vor, denn die Stimme
des Gewissens erwiderte mir: du hast Charlatanerie getrieben, und
das ist Sünde. Schwachen Geistes war ich nur; und so gelang es-
denn der Krankheit und einem frommen Prediger, mich zu einem büß


GrmM-n, IN. ISiv. 7Z

Dutzend Manuscripte populär-tandnürthschafllichen und technologischen
Inhalts zu bringen, die mit den anziehendsten Titeln versehen sein
würden. Dem deutschen Michel geht ja ein Titel und ein Ordens¬
band über Alles.

Ach verlegte also jetzt Dutzendweise, machte schreiende Annoncen
für die öffentlichen Blätter (ich weiß selbst nicht, wie ich dies so schnell
erlernte) und siehe da, meine Bemühungen wurden von den glänzend¬
sten Erfolgen gekrönt. Die schlechten Wische, welche ich in die Welt
sandte, wurden so ungeheuer verkauft, daß ich von den meisten der¬
selben in einem Jahre mehrere Auflagen besorgen mußte. Mein Doc-
tor i>l,no8»i>in!l<z war äußerst thätig, und schaffte in 50 Wochen fünf¬
zig dergleichen Manuscripte.

O ihr Thoren, die ihr in euren Werken euer wärmstes Herzblut
dem Volke darreicht, und die ihr dann zum Lohne dafür von ihm ver¬
lacht werdet! Prellt, sorget allein für euch, und ihr werdet goldene
Früchte ernten. So dachte ich. Man sieht, daß ich schon ein recht
vernünftiger Philister geworden war.

Es gab bald keine Krankheit, für die ick) nicht ein Buch verlegt
hätte. Tausende wurden getäuscht, und andere Tausende kamen zu
dem wunderthätigen Quell.

So waren kaum zehn Jahre verflossen, als ich nicht nur mein
verlorenes Vermögen wieder erlangt, sondern auch noch einen Ueber¬
schuß von zehntausend Thalern hatte. Man hätte denken sollen: reelle
Buchhändler hätten sich geweigert, meinen Verlag anzunehmen, und
zu verkaufen. Aber weit fehlgeschossen, diese Werke brachten ihnen
einen ansehnlichen Gewinn, und das genügte ihnen. Als ich nun so
auf dem Gipfel meines Glückes stand, befiel mich eine schwere Krank¬
heit, der ich als Opfer fallen zu sollen schien.

Da bekam plötzlich mein Lebenslauf eine andere Richtung. Die
Nähe des Todes erfüllte mich mit Angst; «nein Gewissen erwachte
aus langem Schlummer, und bereitete mir Folterqualen. Ich dachte
mir: wie viel unglückliche Leidende mögen deine Rathgeber und Hilfs¬
büchlein vielleicht dem Tode zugeführt haben, die mit Hilfe eines
tüchtigen Arztes genesen wären? Zwar warf ich dann und wann den
leidigen Trost hin: du hast ja Niemand dazu gezwungen, diese Bücher
zu kaufen; aber dieser Trost hielt nicht lange vor, denn die Stimme
des Gewissens erwiderte mir: du hast Charlatanerie getrieben, und
das ist Sünde. Schwachen Geistes war ich nur; und so gelang es-
denn der Krankheit und einem frommen Prediger, mich zu einem büß


GrmM-n, IN. ISiv. 7Z
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[0541] Dutzend Manuscripte populär-tandnürthschafllichen und technologischen Inhalts zu bringen, die mit den anziehendsten Titeln versehen sein würden. Dem deutschen Michel geht ja ein Titel und ein Ordens¬ band über Alles. Ach verlegte also jetzt Dutzendweise, machte schreiende Annoncen für die öffentlichen Blätter (ich weiß selbst nicht, wie ich dies so schnell erlernte) und siehe da, meine Bemühungen wurden von den glänzend¬ sten Erfolgen gekrönt. Die schlechten Wische, welche ich in die Welt sandte, wurden so ungeheuer verkauft, daß ich von den meisten der¬ selben in einem Jahre mehrere Auflagen besorgen mußte. Mein Doc- tor i>l,no8»i>in!l<z war äußerst thätig, und schaffte in 50 Wochen fünf¬ zig dergleichen Manuscripte. O ihr Thoren, die ihr in euren Werken euer wärmstes Herzblut dem Volke darreicht, und die ihr dann zum Lohne dafür von ihm ver¬ lacht werdet! Prellt, sorget allein für euch, und ihr werdet goldene Früchte ernten. So dachte ich. Man sieht, daß ich schon ein recht vernünftiger Philister geworden war. Es gab bald keine Krankheit, für die ick) nicht ein Buch verlegt hätte. Tausende wurden getäuscht, und andere Tausende kamen zu dem wunderthätigen Quell. So waren kaum zehn Jahre verflossen, als ich nicht nur mein verlorenes Vermögen wieder erlangt, sondern auch noch einen Ueber¬ schuß von zehntausend Thalern hatte. Man hätte denken sollen: reelle Buchhändler hätten sich geweigert, meinen Verlag anzunehmen, und zu verkaufen. Aber weit fehlgeschossen, diese Werke brachten ihnen einen ansehnlichen Gewinn, und das genügte ihnen. Als ich nun so auf dem Gipfel meines Glückes stand, befiel mich eine schwere Krank¬ heit, der ich als Opfer fallen zu sollen schien. Da bekam plötzlich mein Lebenslauf eine andere Richtung. Die Nähe des Todes erfüllte mich mit Angst; «nein Gewissen erwachte aus langem Schlummer, und bereitete mir Folterqualen. Ich dachte mir: wie viel unglückliche Leidende mögen deine Rathgeber und Hilfs¬ büchlein vielleicht dem Tode zugeführt haben, die mit Hilfe eines tüchtigen Arztes genesen wären? Zwar warf ich dann und wann den leidigen Trost hin: du hast ja Niemand dazu gezwungen, diese Bücher zu kaufen; aber dieser Trost hielt nicht lange vor, denn die Stimme des Gewissens erwiderte mir: du hast Charlatanerie getrieben, und das ist Sünde. Schwachen Geistes war ich nur; und so gelang es- denn der Krankheit und einem frommen Prediger, mich zu einem büß GrmM-n, IN. ISiv. 7Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/541>, abgerufen am 24.07.2024.