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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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einen Streich gespielt. Ich hatte die Tochter eines wohlhabenden
Kaufmanns geheirathet. Es wurde mir versprochen, daß ich nach
einigen Jahren eine Mitgift von einigen tausend Thalern erhalten
sollte. Diese Mitgift blieb aber aus, weil mein Schwiegervater das
Unglück hatte, banquerott zu machen, und uun hatte ich große Noth,
mir und meiner kleinen Familie den Lebensunterhalt zu verschaffen.

In dieser Lage saß ich eines Abends, bei melancholischen Regen¬
wetter, in meinem Kämmerlein tief betrübt da, und dachte darüber
nach, wie mein heißes Streben so schlecht belohnt worden war, als
ein hagerer Mann in den dreißiger Jahren, ein Packet, anscheinend
mit Büchern, uuter dem Arme, hereintrat, sich mir als den Doctor
der Philosophie: Schmierer, vorstellte, und also zu reden anhob: Mann
des Unglücks, ich habe Ihr edles Streben lange Zeit verfolgt,,und
bewundert. Sie hatten bei allen Ihren Verlagsunternehmen nur die
Absicht, ohne nach Gewinn zu trachten, wahre Humanität zu beför¬
dern; ich weiß, wie wenig Ihnen das gelang, und wieviel Sie bei
diesem Streben einbüßten. Sie haben Familie, und es ist Ihre Pflicht,
für ihren Lebensunterhalt zu sorgen; das möchte Ihnen aber schwer
werden, wenn Sie die eingeschlagene Richtung noch länger verfolgten.
Ich will Ihnen einen Weg weisen, auf dem wir Beide reich werden
können. Seien Sie klug, und folgen Sie meinem Rathe. Und der
wäre?

Ich habe hier ein Dutzend Manuskripte populär-medicinischen In¬
halts.'; Rathgeber für verschiedene Krankheiten mit pomphaften Titeln,
die, weim auch nicht den Kranken, doch dem Verleger aus der Noth
helfen können. Sehen Sie hier. Dabei öffnete er das Packet, und
legte mir zwölf Manuskripte vor.

Ich las "Unfehlbares Mittel gegen die Hämorrhoiden." "Die
Kunst, die Lungenentzündung ohne Arzt zu kuriren." Anweisung, die
Gicht und den Rheumatismus durch ganz einfache Mittel zu besei¬
tigen." "Sichere Hülfe gegen Zahnschmerzen" u. tgi. in. Sämmt¬
liche Manuskripte hatten einen englischen berühmten Arzt zum Ver¬
fasser, und waren in's Deutsche übersetzt (natürlich vorgeblich.)

Erstaunt blickte ich den mir unbekannten Herrn an und fragte:
Aber sagten Sie mir nicht, Sie wären Doctor der Philosophie? "DaS
sagte ich, und so ist es auch."

Aber wie können Sie, ohne Arzt zu sein, medicinische Bücher
schreiben?


einen Streich gespielt. Ich hatte die Tochter eines wohlhabenden
Kaufmanns geheirathet. Es wurde mir versprochen, daß ich nach
einigen Jahren eine Mitgift von einigen tausend Thalern erhalten
sollte. Diese Mitgift blieb aber aus, weil mein Schwiegervater das
Unglück hatte, banquerott zu machen, und uun hatte ich große Noth,
mir und meiner kleinen Familie den Lebensunterhalt zu verschaffen.

In dieser Lage saß ich eines Abends, bei melancholischen Regen¬
wetter, in meinem Kämmerlein tief betrübt da, und dachte darüber
nach, wie mein heißes Streben so schlecht belohnt worden war, als
ein hagerer Mann in den dreißiger Jahren, ein Packet, anscheinend
mit Büchern, uuter dem Arme, hereintrat, sich mir als den Doctor
der Philosophie: Schmierer, vorstellte, und also zu reden anhob: Mann
des Unglücks, ich habe Ihr edles Streben lange Zeit verfolgt,,und
bewundert. Sie hatten bei allen Ihren Verlagsunternehmen nur die
Absicht, ohne nach Gewinn zu trachten, wahre Humanität zu beför¬
dern; ich weiß, wie wenig Ihnen das gelang, und wieviel Sie bei
diesem Streben einbüßten. Sie haben Familie, und es ist Ihre Pflicht,
für ihren Lebensunterhalt zu sorgen; das möchte Ihnen aber schwer
werden, wenn Sie die eingeschlagene Richtung noch länger verfolgten.
Ich will Ihnen einen Weg weisen, auf dem wir Beide reich werden
können. Seien Sie klug, und folgen Sie meinem Rathe. Und der
wäre?

Ich habe hier ein Dutzend Manuskripte populär-medicinischen In¬
halts.'; Rathgeber für verschiedene Krankheiten mit pomphaften Titeln,
die, weim auch nicht den Kranken, doch dem Verleger aus der Noth
helfen können. Sehen Sie hier. Dabei öffnete er das Packet, und
legte mir zwölf Manuskripte vor.

Ich las „Unfehlbares Mittel gegen die Hämorrhoiden." „Die
Kunst, die Lungenentzündung ohne Arzt zu kuriren." Anweisung, die
Gicht und den Rheumatismus durch ganz einfache Mittel zu besei¬
tigen." „Sichere Hülfe gegen Zahnschmerzen" u. tgi. in. Sämmt¬
liche Manuskripte hatten einen englischen berühmten Arzt zum Ver¬
fasser, und waren in's Deutsche übersetzt (natürlich vorgeblich.)

Erstaunt blickte ich den mir unbekannten Herrn an und fragte:
Aber sagten Sie mir nicht, Sie wären Doctor der Philosophie? „DaS
sagte ich, und so ist es auch."

Aber wie können Sie, ohne Arzt zu sein, medicinische Bücher
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/539>, abgerufen am 24.07.2024.