Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Buchhändler Krebshold,
wie er als Beförderer der Humanität ein armer Teufel wird,
und später als Beförderer der Charlatanerie sein Glück
macht, A. Wein holz. nach seinen eigenen Mittheilungen erzählt von



Welch ein erhabener, heiliger Beruf der eines Buchhändlers! Er
soll die Münze, die der gelehrte Denker aus dem Schacht seines' Gei¬
stes hervorgegraben und geprägt, die Ideen, welche der begeisterte Pa¬
triot in seiner Seele genährt und auf's Papier geworfen, cursiren
lassen, und so wahre Humanität befördern. Welch ein herrliches Be¬
wußtsein muß er nicht in sich tragen, wenn er diesen Beruf gewissen¬
haft erfüllt? -- Also dachte ich in dem Alter von siebzehn Jahren.
Es war also wohl kein Wunder, daß ich den Buchhändlerstand erwählte,
und kaum die Zeit erwarten konnte, da ich als Lehrling placirt wurde.
Ich trat in eine der größesten Sortiments- und Verlagsbuchhandlungen
ein, ungefähr mit denselben Gefühlen, welche mich ein Jahr früher be¬
seelten, als ich an heiliger Stätte bekannte, daß ich ein treuer Nach¬
folger Christi sein wollte. Ich hatte ein anständiges Vermögen von
meinem seligen Vater geerbt, und dies wollte ich dereinst im Dienste
der Humanität verwenden. Sünde schien es mir zu sein, wollte ich
dabei Rücksicht auf bloßen Gewinn nehmen. Verdienst, Gewinn, wel¬
che ekle Gedanken für einen siebzehnjährigen Idealisten! Erfuhr ich
auch gleich zu Anfang meiner Lehrzeit einige bittere Täuschungen, in¬
dem ich sah, daß die fadesten Romane, die oberflächlichsten Sudeleien,
wenn sie prunkende Titel hatten, gut abgingen, dahingegen die gedie¬
gensten Werke auf dem Lager blieben, so störten mich doch diese Er¬
fahrungen nicht im Geringsten in meiner Begeisterung. Ich verachtete
nur die Schriftsteller, die ihren heiligen Beruf entweihten, und die


Buchhändler Krebshold,
wie er als Beförderer der Humanität ein armer Teufel wird,
und später als Beförderer der Charlatanerie sein Glück
macht, A. Wein holz. nach seinen eigenen Mittheilungen erzählt von



Welch ein erhabener, heiliger Beruf der eines Buchhändlers! Er
soll die Münze, die der gelehrte Denker aus dem Schacht seines' Gei¬
stes hervorgegraben und geprägt, die Ideen, welche der begeisterte Pa¬
triot in seiner Seele genährt und auf's Papier geworfen, cursiren
lassen, und so wahre Humanität befördern. Welch ein herrliches Be¬
wußtsein muß er nicht in sich tragen, wenn er diesen Beruf gewissen¬
haft erfüllt? — Also dachte ich in dem Alter von siebzehn Jahren.
Es war also wohl kein Wunder, daß ich den Buchhändlerstand erwählte,
und kaum die Zeit erwarten konnte, da ich als Lehrling placirt wurde.
Ich trat in eine der größesten Sortiments- und Verlagsbuchhandlungen
ein, ungefähr mit denselben Gefühlen, welche mich ein Jahr früher be¬
seelten, als ich an heiliger Stätte bekannte, daß ich ein treuer Nach¬
folger Christi sein wollte. Ich hatte ein anständiges Vermögen von
meinem seligen Vater geerbt, und dies wollte ich dereinst im Dienste
der Humanität verwenden. Sünde schien es mir zu sein, wollte ich
dabei Rücksicht auf bloßen Gewinn nehmen. Verdienst, Gewinn, wel¬
che ekle Gedanken für einen siebzehnjährigen Idealisten! Erfuhr ich
auch gleich zu Anfang meiner Lehrzeit einige bittere Täuschungen, in¬
dem ich sah, daß die fadesten Romane, die oberflächlichsten Sudeleien,
wenn sie prunkende Titel hatten, gut abgingen, dahingegen die gedie¬
gensten Werke auf dem Lager blieben, so störten mich doch diese Er¬
fahrungen nicht im Geringsten in meiner Begeisterung. Ich verachtete
nur die Schriftsteller, die ihren heiligen Beruf entweihten, und die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0536" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183557"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Buchhändler Krebshold,<lb/>
wie er als Beförderer der Humanität ein armer Teufel wird,<lb/>
und später als Beförderer der Charlatanerie sein Glück<lb/>
macht,<note type="byline"> A. Wein holz.</note> nach seinen eigenen Mittheilungen erzählt von</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Welch ein erhabener, heiliger Beruf der eines Buchhändlers! Er<lb/>
soll die Münze, die der gelehrte Denker aus dem Schacht seines' Gei¬<lb/>
stes hervorgegraben und geprägt, die Ideen, welche der begeisterte Pa¬<lb/>
triot in seiner Seele genährt und auf's Papier geworfen, cursiren<lb/>
lassen, und so wahre Humanität befördern. Welch ein herrliches Be¬<lb/>
wußtsein muß er nicht in sich tragen, wenn er diesen Beruf gewissen¬<lb/>
haft erfüllt? &#x2014; Also dachte ich in dem Alter von siebzehn Jahren.<lb/>
Es war also wohl kein Wunder, daß ich den Buchhändlerstand erwählte,<lb/>
und kaum die Zeit erwarten konnte, da ich als Lehrling placirt wurde.<lb/>
Ich trat in eine der größesten Sortiments- und Verlagsbuchhandlungen<lb/>
ein, ungefähr mit denselben Gefühlen, welche mich ein Jahr früher be¬<lb/>
seelten, als ich an heiliger Stätte bekannte, daß ich ein treuer Nach¬<lb/>
folger Christi sein wollte. Ich hatte ein anständiges Vermögen von<lb/>
meinem seligen Vater geerbt, und dies wollte ich dereinst im Dienste<lb/>
der Humanität verwenden. Sünde schien es mir zu sein, wollte ich<lb/>
dabei Rücksicht auf bloßen Gewinn nehmen. Verdienst, Gewinn, wel¬<lb/>
che ekle Gedanken für einen siebzehnjährigen Idealisten! Erfuhr ich<lb/>
auch gleich zu Anfang meiner Lehrzeit einige bittere Täuschungen, in¬<lb/>
dem ich sah, daß die fadesten Romane, die oberflächlichsten Sudeleien,<lb/>
wenn sie prunkende Titel hatten, gut abgingen, dahingegen die gedie¬<lb/>
gensten Werke auf dem Lager blieben, so störten mich doch diese Er¬<lb/>
fahrungen nicht im Geringsten in meiner Begeisterung. Ich verachtete<lb/>
nur die Schriftsteller, die ihren heiligen Beruf entweihten, und die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0536] Buchhändler Krebshold, wie er als Beförderer der Humanität ein armer Teufel wird, und später als Beförderer der Charlatanerie sein Glück macht, A. Wein holz. nach seinen eigenen Mittheilungen erzählt von Welch ein erhabener, heiliger Beruf der eines Buchhändlers! Er soll die Münze, die der gelehrte Denker aus dem Schacht seines' Gei¬ stes hervorgegraben und geprägt, die Ideen, welche der begeisterte Pa¬ triot in seiner Seele genährt und auf's Papier geworfen, cursiren lassen, und so wahre Humanität befördern. Welch ein herrliches Be¬ wußtsein muß er nicht in sich tragen, wenn er diesen Beruf gewissen¬ haft erfüllt? — Also dachte ich in dem Alter von siebzehn Jahren. Es war also wohl kein Wunder, daß ich den Buchhändlerstand erwählte, und kaum die Zeit erwarten konnte, da ich als Lehrling placirt wurde. Ich trat in eine der größesten Sortiments- und Verlagsbuchhandlungen ein, ungefähr mit denselben Gefühlen, welche mich ein Jahr früher be¬ seelten, als ich an heiliger Stätte bekannte, daß ich ein treuer Nach¬ folger Christi sein wollte. Ich hatte ein anständiges Vermögen von meinem seligen Vater geerbt, und dies wollte ich dereinst im Dienste der Humanität verwenden. Sünde schien es mir zu sein, wollte ich dabei Rücksicht auf bloßen Gewinn nehmen. Verdienst, Gewinn, wel¬ che ekle Gedanken für einen siebzehnjährigen Idealisten! Erfuhr ich auch gleich zu Anfang meiner Lehrzeit einige bittere Täuschungen, in¬ dem ich sah, daß die fadesten Romane, die oberflächlichsten Sudeleien, wenn sie prunkende Titel hatten, gut abgingen, dahingegen die gedie¬ gensten Werke auf dem Lager blieben, so störten mich doch diese Er¬ fahrungen nicht im Geringsten in meiner Begeisterung. Ich verachtete nur die Schriftsteller, die ihren heiligen Beruf entweihten, und die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/536
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/536>, abgerufen am 04.07.2024.