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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Die Königin von Frankreich und Wtad.Adelaide*).



Die täglichen Beschäftigungen der Königin Marie Amelie sind
außerordentlich zahlreich. Die Königin steht sehr früh auf und, nach¬
dem sie eine kurze Zeit auf ihre stets einfache Toilette verwendet hat,
fängt sie an, die große Menge von Briefen und Bittschriften durchzu-
lesen, welche ihr am Tage vorher zugekommen sind. Alle Morgen
Hort sie eine Messe, die gewöhnlich der Schlosckaplan liest,,da ihr
Almosenier den Gottesdienst nur an Festtagen verrichtet. Um >" Uhr
nimmt die Königin mit der ganzen Familie das Frühstück ein, bei dem
nur Ludwig Philipp fehlt. Um II Uhr begibt man sich in den
Saal, in dessen Mitte ein großer runder Tisch siebt, in welchem sich
für die Königin und jede Prinzessin ein Schubkästen befindet. Die
weiblichen Mitglieder der Familie setzen sich an ihre bestimmten Plätze
und beschäftigen sich während des Gesprächs mit Stickereien. Bis
gegen 12 oder I Uhr pflegt die Königliche Familie so zusammen zu
bleiben, ohne Fremde zu empfangen. Hierauf ziehen sich die Prinzen
und Prinzessinnen in ihre Gemächer zurück und die Privat-Audienzen
beginnen. Um diese Zeit stellen sich auch die Secretaire ein, um Ihrer
Majestät oder Ihren Königlichen Hoheiten ihre Arbeiten vorzulegen
und deren Befehle entgegen zu nehmen. Auch ich begab mich täglich
um I Uhr nach dein Schlosse, wollte mich Ihre Majestät aber, wie
sich das häusig ereignete, zu einer andern Zeit sprechen, so Pflegte sie
auf die mir zugesendeten Bittschriften zu schreiben: "Habe mit Hrn.
Appert zu sprechen." So wie ich angekommen war, ward ich



^) Aus den "Erinnerungen aus meinen Erlebnissen am Hofe Ludwig Philipps
von B. Appert," welche im Laufe der nächsten Woche in einer deutschen und in
einer französischen (Original-) Ausgabe zu gleicher Zeit erscheinen. Die französi¬
sche Ausgabe ist Eigenthum der Vossischen Buchhandlung in Berlin, die deutsche,
welche der Verfasser in Gemeinschaft mit v>. Plotz besorgte, erscheint im Verlage
i"eS Berliner Literatur-Comptoirs.
Die Königin von Frankreich und Wtad.Adelaide*).



Die täglichen Beschäftigungen der Königin Marie Amelie sind
außerordentlich zahlreich. Die Königin steht sehr früh auf und, nach¬
dem sie eine kurze Zeit auf ihre stets einfache Toilette verwendet hat,
fängt sie an, die große Menge von Briefen und Bittschriften durchzu-
lesen, welche ihr am Tage vorher zugekommen sind. Alle Morgen
Hort sie eine Messe, die gewöhnlich der Schlosckaplan liest,,da ihr
Almosenier den Gottesdienst nur an Festtagen verrichtet. Um >» Uhr
nimmt die Königin mit der ganzen Familie das Frühstück ein, bei dem
nur Ludwig Philipp fehlt. Um II Uhr begibt man sich in den
Saal, in dessen Mitte ein großer runder Tisch siebt, in welchem sich
für die Königin und jede Prinzessin ein Schubkästen befindet. Die
weiblichen Mitglieder der Familie setzen sich an ihre bestimmten Plätze
und beschäftigen sich während des Gesprächs mit Stickereien. Bis
gegen 12 oder I Uhr pflegt die Königliche Familie so zusammen zu
bleiben, ohne Fremde zu empfangen. Hierauf ziehen sich die Prinzen
und Prinzessinnen in ihre Gemächer zurück und die Privat-Audienzen
beginnen. Um diese Zeit stellen sich auch die Secretaire ein, um Ihrer
Majestät oder Ihren Königlichen Hoheiten ihre Arbeiten vorzulegen
und deren Befehle entgegen zu nehmen. Auch ich begab mich täglich
um I Uhr nach dein Schlosse, wollte mich Ihre Majestät aber, wie
sich das häusig ereignete, zu einer andern Zeit sprechen, so Pflegte sie
auf die mir zugesendeten Bittschriften zu schreiben: „Habe mit Hrn.
Appert zu sprechen." So wie ich angekommen war, ward ich



^) Aus den „Erinnerungen aus meinen Erlebnissen am Hofe Ludwig Philipps
von B. Appert," welche im Laufe der nächsten Woche in einer deutschen und in
einer französischen (Original-) Ausgabe zu gleicher Zeit erscheinen. Die französi¬
sche Ausgabe ist Eigenthum der Vossischen Buchhandlung in Berlin, die deutsche,
welche der Verfasser in Gemeinschaft mit v>. Plotz besorgte, erscheint im Verlage
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[0528] Die Königin von Frankreich und Wtad.Adelaide*). Die täglichen Beschäftigungen der Königin Marie Amelie sind außerordentlich zahlreich. Die Königin steht sehr früh auf und, nach¬ dem sie eine kurze Zeit auf ihre stets einfache Toilette verwendet hat, fängt sie an, die große Menge von Briefen und Bittschriften durchzu- lesen, welche ihr am Tage vorher zugekommen sind. Alle Morgen Hort sie eine Messe, die gewöhnlich der Schlosckaplan liest,,da ihr Almosenier den Gottesdienst nur an Festtagen verrichtet. Um >» Uhr nimmt die Königin mit der ganzen Familie das Frühstück ein, bei dem nur Ludwig Philipp fehlt. Um II Uhr begibt man sich in den Saal, in dessen Mitte ein großer runder Tisch siebt, in welchem sich für die Königin und jede Prinzessin ein Schubkästen befindet. Die weiblichen Mitglieder der Familie setzen sich an ihre bestimmten Plätze und beschäftigen sich während des Gesprächs mit Stickereien. Bis gegen 12 oder I Uhr pflegt die Königliche Familie so zusammen zu bleiben, ohne Fremde zu empfangen. Hierauf ziehen sich die Prinzen und Prinzessinnen in ihre Gemächer zurück und die Privat-Audienzen beginnen. Um diese Zeit stellen sich auch die Secretaire ein, um Ihrer Majestät oder Ihren Königlichen Hoheiten ihre Arbeiten vorzulegen und deren Befehle entgegen zu nehmen. Auch ich begab mich täglich um I Uhr nach dein Schlosse, wollte mich Ihre Majestät aber, wie sich das häusig ereignete, zu einer andern Zeit sprechen, so Pflegte sie auf die mir zugesendeten Bittschriften zu schreiben: „Habe mit Hrn. Appert zu sprechen." So wie ich angekommen war, ward ich ^) Aus den „Erinnerungen aus meinen Erlebnissen am Hofe Ludwig Philipps von B. Appert," welche im Laufe der nächsten Woche in einer deutschen und in einer französischen (Original-) Ausgabe zu gleicher Zeit erscheinen. Die französi¬ sche Ausgabe ist Eigenthum der Vossischen Buchhandlung in Berlin, die deutsche, welche der Verfasser in Gemeinschaft mit v>. Plotz besorgte, erscheint im Verlage i»eS Berliner Literatur-Comptoirs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/528>, abgerufen am 24.07.2024.