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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Aufgebung der Sache bestimmen. Es liege vielleicht am Orte, an
der Landesart, und anderswo könnte die Bereitwilligkeit größer sein.

Nach langen Berathungen vereinigte man sich für Weimar, wo
zum Herbst ein Fest zur Grundsteinlegung des Herder-Denkmals ge¬
feiert und einen willkommenen Anknüpfungspunkt für die zweite Schrift¬
stellerversammlung biete. Wenn sich die Symptome bestätigten, daß
gar so wenig Theilnahme für unsre Versammlung unter den deutschen
Schriftstellern vorhanden sei, dann würde die geringe Anzahl doch ein
wenig gedeckt, wenn nicht vermehrt durch diejenigen, welche zum Her¬
derfeste sich einfanden, und bei einem solchergestalt größeren literarischen
Publicum fänden wir auch eher Gelegenheit, durch Form und Inhalt
der Schriftsteller-Versammlung Sympathie und Empfehlung zu er¬
wecken. Kühne übernahm die persönliche Vermittelung mit Wei¬
mar > und ist auch jetzt noch der Meinung, daß ohne Weiteres die
Versammlung dort hätte versucht werden sollen.

Die Symptome bestätigten leider von Tage zu Tage, daß ein
nur annäherungsweise allgemeines Platzgreifen der Idee durchaus
nicht zu hoffen, ja daß eine noch viel geringere Theilnahme, als die
erste gefunden, für die zweite Schriftsteller-Versammlung zu befürchten
war. Anfragen im Norden und Süden, im Osten und Westen bei
Schriftstellern von Bedeutung erwies sich ganz und gar trostlos: es
zeigte sich nirgends ein eigentlicher Sinn, uoch weniger eine Sympa¬
thie dafür. Man konnte endlich den so lange abgewiesenen Gedanken:
die Sache selbst sei eine Unmöglichkeit, weil der Begriff der Schrift-
stellerei an sich zu wenig gemeinschaftlichen Grund und Boden biete,
man konnte ihn am Ende bei solchen Erfahrungen nicht mehr länger
von sich abweisen. Dennoch ließ man ihn noch immer nicht zu Macht
kommen, und versuchte es in Berathungen mit dem Literatenverein,
den Inhalt für die nächste Versammlung vorzubereiten. Was ergab
sich dabei? Die schon oben angedeutete Abneigung für jedes Thema,
welches den einzigen Punkt einer schriftstellerischen Gemeinschaftlich¬
keit bilden konnte, für jedes Thema materiellen Interesses, und auf
der andern Seite doch auch totaler Mangel an irgend einem Thema,
welches irgendwelche Fruchtbarkeit für eine absonderlich zusammen¬
reisende Versammlung hätte bieten können. Ein einziger, Heller,
hatte etwas wirklich Passendes, Vorschläge zur Reinigung der Sprache
von Fremdwörtern, aufgefunden und vorbereitet. Alles Uebrige lief
auf Dinge hinaus, welche ebenso gut in Journalen erledigt werden
können, und die Vorlagen der von der ersten Versammlung herrühren-


Aufgebung der Sache bestimmen. Es liege vielleicht am Orte, an
der Landesart, und anderswo könnte die Bereitwilligkeit größer sein.

Nach langen Berathungen vereinigte man sich für Weimar, wo
zum Herbst ein Fest zur Grundsteinlegung des Herder-Denkmals ge¬
feiert und einen willkommenen Anknüpfungspunkt für die zweite Schrift¬
stellerversammlung biete. Wenn sich die Symptome bestätigten, daß
gar so wenig Theilnahme für unsre Versammlung unter den deutschen
Schriftstellern vorhanden sei, dann würde die geringe Anzahl doch ein
wenig gedeckt, wenn nicht vermehrt durch diejenigen, welche zum Her¬
derfeste sich einfanden, und bei einem solchergestalt größeren literarischen
Publicum fänden wir auch eher Gelegenheit, durch Form und Inhalt
der Schriftsteller-Versammlung Sympathie und Empfehlung zu er¬
wecken. Kühne übernahm die persönliche Vermittelung mit Wei¬
mar > und ist auch jetzt noch der Meinung, daß ohne Weiteres die
Versammlung dort hätte versucht werden sollen.

Die Symptome bestätigten leider von Tage zu Tage, daß ein
nur annäherungsweise allgemeines Platzgreifen der Idee durchaus
nicht zu hoffen, ja daß eine noch viel geringere Theilnahme, als die
erste gefunden, für die zweite Schriftsteller-Versammlung zu befürchten
war. Anfragen im Norden und Süden, im Osten und Westen bei
Schriftstellern von Bedeutung erwies sich ganz und gar trostlos: es
zeigte sich nirgends ein eigentlicher Sinn, uoch weniger eine Sympa¬
thie dafür. Man konnte endlich den so lange abgewiesenen Gedanken:
die Sache selbst sei eine Unmöglichkeit, weil der Begriff der Schrift-
stellerei an sich zu wenig gemeinschaftlichen Grund und Boden biete,
man konnte ihn am Ende bei solchen Erfahrungen nicht mehr länger
von sich abweisen. Dennoch ließ man ihn noch immer nicht zu Macht
kommen, und versuchte es in Berathungen mit dem Literatenverein,
den Inhalt für die nächste Versammlung vorzubereiten. Was ergab
sich dabei? Die schon oben angedeutete Abneigung für jedes Thema,
welches den einzigen Punkt einer schriftstellerischen Gemeinschaftlich¬
keit bilden konnte, für jedes Thema materiellen Interesses, und auf
der andern Seite doch auch totaler Mangel an irgend einem Thema,
welches irgendwelche Fruchtbarkeit für eine absonderlich zusammen¬
reisende Versammlung hätte bieten können. Ein einziger, Heller,
hatte etwas wirklich Passendes, Vorschläge zur Reinigung der Sprache
von Fremdwörtern, aufgefunden und vorbereitet. Alles Uebrige lief
auf Dinge hinaus, welche ebenso gut in Journalen erledigt werden
können, und die Vorlagen der von der ersten Versammlung herrühren-


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[0523] Aufgebung der Sache bestimmen. Es liege vielleicht am Orte, an der Landesart, und anderswo könnte die Bereitwilligkeit größer sein. Nach langen Berathungen vereinigte man sich für Weimar, wo zum Herbst ein Fest zur Grundsteinlegung des Herder-Denkmals ge¬ feiert und einen willkommenen Anknüpfungspunkt für die zweite Schrift¬ stellerversammlung biete. Wenn sich die Symptome bestätigten, daß gar so wenig Theilnahme für unsre Versammlung unter den deutschen Schriftstellern vorhanden sei, dann würde die geringe Anzahl doch ein wenig gedeckt, wenn nicht vermehrt durch diejenigen, welche zum Her¬ derfeste sich einfanden, und bei einem solchergestalt größeren literarischen Publicum fänden wir auch eher Gelegenheit, durch Form und Inhalt der Schriftsteller-Versammlung Sympathie und Empfehlung zu er¬ wecken. Kühne übernahm die persönliche Vermittelung mit Wei¬ mar > und ist auch jetzt noch der Meinung, daß ohne Weiteres die Versammlung dort hätte versucht werden sollen. Die Symptome bestätigten leider von Tage zu Tage, daß ein nur annäherungsweise allgemeines Platzgreifen der Idee durchaus nicht zu hoffen, ja daß eine noch viel geringere Theilnahme, als die erste gefunden, für die zweite Schriftsteller-Versammlung zu befürchten war. Anfragen im Norden und Süden, im Osten und Westen bei Schriftstellern von Bedeutung erwies sich ganz und gar trostlos: es zeigte sich nirgends ein eigentlicher Sinn, uoch weniger eine Sympa¬ thie dafür. Man konnte endlich den so lange abgewiesenen Gedanken: die Sache selbst sei eine Unmöglichkeit, weil der Begriff der Schrift- stellerei an sich zu wenig gemeinschaftlichen Grund und Boden biete, man konnte ihn am Ende bei solchen Erfahrungen nicht mehr länger von sich abweisen. Dennoch ließ man ihn noch immer nicht zu Macht kommen, und versuchte es in Berathungen mit dem Literatenverein, den Inhalt für die nächste Versammlung vorzubereiten. Was ergab sich dabei? Die schon oben angedeutete Abneigung für jedes Thema, welches den einzigen Punkt einer schriftstellerischen Gemeinschaftlich¬ keit bilden konnte, für jedes Thema materiellen Interesses, und auf der andern Seite doch auch totaler Mangel an irgend einem Thema, welches irgendwelche Fruchtbarkeit für eine absonderlich zusammen¬ reisende Versammlung hätte bieten können. Ein einziger, Heller, hatte etwas wirklich Passendes, Vorschläge zur Reinigung der Sprache von Fremdwörtern, aufgefunden und vorbereitet. Alles Uebrige lief auf Dinge hinaus, welche ebenso gut in Journalen erledigt werden können, und die Vorlagen der von der ersten Versammlung herrühren-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/523>, abgerufen am 24.07.2024.