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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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aus Süddeutschland, und sogar aus der näheren Umgegend nur drei
oder vier. Die Idee einer deutschen Schriftsteller - Versammlung war
also nur sehr schwach Vertreten, und man mußte in diesem Betrachte
auf die Zukunft rechnen. Wie dann, wenn die Zukunft noch weniger
bot? Auf diese Frage werden wir zurückkommen müssen.

Gehen wir von den Personen auf den Inhalt über. Der Lite-
ratenverein, von welchem die Sache ausgegangen war, hatte durch
Commissionen Vorlagen zu einem Gesetze über literarisches Eigenthum
und über Schiedsgerichte zwischen Schriftstellern lind Buchhändlern
vorbereiten lassen. Die Leiter gingen von der Idee aus, daß das
rechtliche und moralische Moment des Schriftstellers im Staatsleben
und das gesellschaftliche Verhältniß zwischen Schriftstellern und Buch¬
händlern die Grundlage einer deutschen Schriftsteller-Versammlung bil¬
den müsse, und daß die Form nicht blos in Vorträgen, für welche ja
die Presse hinreichend Gelegenheit biete, sondern in Discussionen zu
suchen sei. Letztere mit ihrem lebendigen Austausch würden das we¬
sentliche, das neue und nur durch Versammlungen erreichbare Moment
bilden.

Unter solchen Auspickn begannen die Debatten, und es zeigte sich
nur zu bald, daß solcher Inhalt und solche Form einem großen Theile
der Anwesenden nicht ersprießlich genug und zu trocken erschien, und
daß man eine Belebung wünsche außerhalb solcher Formen und sol¬
chen Inhalts. Auch dies wurde versucht durch ein frei gegebenes Ge¬
spräch ohne bestimmtes Ziel. Die Belebung hierdurch blieb nicht aus,
der Mangel eines Ziels und Abschlusses machte sich aber auch bald
bemerkbar. Kurz, die Versammlung schloß unter dem Eindrucke, daß
sie als einleitende schon der Rede werth geworden sei, daß es ihr in¬
dessen sehr schwer und nur unter Betheiligung der tüchtigsten schrift¬
stellerischen Fähigkeiten im Vaterlande gelingen könne, für eine so
tausendfältige Art, wie die Schriftsteller" in sich darstellt, einen gemein¬
schaftlichen und dauernden Inhalt und eine befriedigende Form der all¬
gemeinen Versammlungen zu finden.

Charakteristisch und für das zur Weiterführung ernannte Comite
befremdlich war es, daß ein nicht geringer Theil besonders der Leip¬
ziger Literaten, denen die Debatten über schriftstellerisches Eigenthum
durchaus trocken und unerquicklich erschienen waren, nach Beendigung
der Versammlung unumwunden behauptete, die Versammlung habe
sich durch solche Verhandlungen "blamirt." Dieser stärkste Ausdruck
War der vorherrschende. Derjenige Inhalt also und diejenige Form,


aus Süddeutschland, und sogar aus der näheren Umgegend nur drei
oder vier. Die Idee einer deutschen Schriftsteller - Versammlung war
also nur sehr schwach Vertreten, und man mußte in diesem Betrachte
auf die Zukunft rechnen. Wie dann, wenn die Zukunft noch weniger
bot? Auf diese Frage werden wir zurückkommen müssen.

Gehen wir von den Personen auf den Inhalt über. Der Lite-
ratenverein, von welchem die Sache ausgegangen war, hatte durch
Commissionen Vorlagen zu einem Gesetze über literarisches Eigenthum
und über Schiedsgerichte zwischen Schriftstellern lind Buchhändlern
vorbereiten lassen. Die Leiter gingen von der Idee aus, daß das
rechtliche und moralische Moment des Schriftstellers im Staatsleben
und das gesellschaftliche Verhältniß zwischen Schriftstellern und Buch¬
händlern die Grundlage einer deutschen Schriftsteller-Versammlung bil¬
den müsse, und daß die Form nicht blos in Vorträgen, für welche ja
die Presse hinreichend Gelegenheit biete, sondern in Discussionen zu
suchen sei. Letztere mit ihrem lebendigen Austausch würden das we¬
sentliche, das neue und nur durch Versammlungen erreichbare Moment
bilden.

Unter solchen Auspickn begannen die Debatten, und es zeigte sich
nur zu bald, daß solcher Inhalt und solche Form einem großen Theile
der Anwesenden nicht ersprießlich genug und zu trocken erschien, und
daß man eine Belebung wünsche außerhalb solcher Formen und sol¬
chen Inhalts. Auch dies wurde versucht durch ein frei gegebenes Ge¬
spräch ohne bestimmtes Ziel. Die Belebung hierdurch blieb nicht aus,
der Mangel eines Ziels und Abschlusses machte sich aber auch bald
bemerkbar. Kurz, die Versammlung schloß unter dem Eindrucke, daß
sie als einleitende schon der Rede werth geworden sei, daß es ihr in¬
dessen sehr schwer und nur unter Betheiligung der tüchtigsten schrift¬
stellerischen Fähigkeiten im Vaterlande gelingen könne, für eine so
tausendfältige Art, wie die Schriftsteller« in sich darstellt, einen gemein¬
schaftlichen und dauernden Inhalt und eine befriedigende Form der all¬
gemeinen Versammlungen zu finden.

Charakteristisch und für das zur Weiterführung ernannte Comite
befremdlich war es, daß ein nicht geringer Theil besonders der Leip¬
ziger Literaten, denen die Debatten über schriftstellerisches Eigenthum
durchaus trocken und unerquicklich erschienen waren, nach Beendigung
der Versammlung unumwunden behauptete, die Versammlung habe
sich durch solche Verhandlungen „blamirt." Dieser stärkste Ausdruck
War der vorherrschende. Derjenige Inhalt also und diejenige Form,


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[0521] aus Süddeutschland, und sogar aus der näheren Umgegend nur drei oder vier. Die Idee einer deutschen Schriftsteller - Versammlung war also nur sehr schwach Vertreten, und man mußte in diesem Betrachte auf die Zukunft rechnen. Wie dann, wenn die Zukunft noch weniger bot? Auf diese Frage werden wir zurückkommen müssen. Gehen wir von den Personen auf den Inhalt über. Der Lite- ratenverein, von welchem die Sache ausgegangen war, hatte durch Commissionen Vorlagen zu einem Gesetze über literarisches Eigenthum und über Schiedsgerichte zwischen Schriftstellern lind Buchhändlern vorbereiten lassen. Die Leiter gingen von der Idee aus, daß das rechtliche und moralische Moment des Schriftstellers im Staatsleben und das gesellschaftliche Verhältniß zwischen Schriftstellern und Buch¬ händlern die Grundlage einer deutschen Schriftsteller-Versammlung bil¬ den müsse, und daß die Form nicht blos in Vorträgen, für welche ja die Presse hinreichend Gelegenheit biete, sondern in Discussionen zu suchen sei. Letztere mit ihrem lebendigen Austausch würden das we¬ sentliche, das neue und nur durch Versammlungen erreichbare Moment bilden. Unter solchen Auspickn begannen die Debatten, und es zeigte sich nur zu bald, daß solcher Inhalt und solche Form einem großen Theile der Anwesenden nicht ersprießlich genug und zu trocken erschien, und daß man eine Belebung wünsche außerhalb solcher Formen und sol¬ chen Inhalts. Auch dies wurde versucht durch ein frei gegebenes Ge¬ spräch ohne bestimmtes Ziel. Die Belebung hierdurch blieb nicht aus, der Mangel eines Ziels und Abschlusses machte sich aber auch bald bemerkbar. Kurz, die Versammlung schloß unter dem Eindrucke, daß sie als einleitende schon der Rede werth geworden sei, daß es ihr in¬ dessen sehr schwer und nur unter Betheiligung der tüchtigsten schrift¬ stellerischen Fähigkeiten im Vaterlande gelingen könne, für eine so tausendfältige Art, wie die Schriftsteller« in sich darstellt, einen gemein¬ schaftlichen und dauernden Inhalt und eine befriedigende Form der all¬ gemeinen Versammlungen zu finden. Charakteristisch und für das zur Weiterführung ernannte Comite befremdlich war es, daß ein nicht geringer Theil besonders der Leip¬ ziger Literaten, denen die Debatten über schriftstellerisches Eigenthum durchaus trocken und unerquicklich erschienen waren, nach Beendigung der Versammlung unumwunden behauptete, die Versammlung habe sich durch solche Verhandlungen „blamirt." Dieser stärkste Ausdruck War der vorherrschende. Derjenige Inhalt also und diejenige Form,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/521>, abgerufen am 24.07.2024.