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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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denn ihre Welt ist die Poesie, die Fabel, das Wunder. Wie aben¬
teuerlich hat sich die Barberini abbilden lassen, und noch die Catalani.
Wie nahm diese oft an Canova's Grazien ein Model, wo keine Putz¬
macherin der Welt eine Nadel anzusetzen nöthig fand. Wir geben zu,
daß dies zu weit gegangen ist, allein daß unsere Künstlerinnen Salon-
Damen heißen und sein wollen, ist ebenfalls ein Verkennen ihrer
Stellung und ihrer schönen Lampen - beleuchteten Breterwelt. Doch
gestehen wir gern ein, soll einmal Alles verbannt sein, was an das
Theater erinnert, so ist diese Auffassung, voll Grazie, Tugend und
Leben, wie wir sie hier sehen, die schicklichste. Nur keine halbe Jdeali-
sirung, kein halbes Costüm, keine halbe Entfremdung, keine Spie¬
lerei mit kleinen Attributen, Leierchen, Rollen, Kränzchen ze. Eine
Corinna gefällt, aber ein Corinnchcn ist unausstehlich.

Ein Bild von Professor Krüger, einen jungen Mann fürstlichen
Standes zu Pferde darstellend, lebensgroß. Wenn man Krüger's
Namen nennt, so verbindet sich damit sogleich die Vorstellung von
blitzenden Uniformen, galoppirenden Pferden mit hochaufgeblasnen
Nüstern, hin und hersprengende Generale, Federbüsche und Staub --
viel Staub. Er ist der Maler des Friedens; kein Pulverdampf, son¬
dern Staub. Auf seinen Portraits zeigt sich bei geschickter Routine
ein immer wiederkehrendes Spiel vibrirender Muskeln. Man möchte
den Charakter seiner Portraits "aufgeregte Unbedeutenden" nennen.

Von Horace Vernet zeigt sich ein Bild mit Figuren in Lebens¬
größe, gemalt im Jahre 1828. Es stellt das Schlachtfeld von Ha-
stings vor, und zwar den Moment, wo die Prinzessin Editha (an col
"I" c^Ano mit Zunamen) ihren erschlagenen Geliebten, den König
Harald erkennt. Rechts im Bilde liegt der getödtete Krieger und
Fürst auf blutgedrängtem Boden, der Oberleib entblöst, von den Hüf¬
ten an in eine enganschließende Panzerhose gekleidet. Er liegt mit
dem Kopfe auf den Füßen eines andern, ebenfalls getödteten Krie¬
gers, links im Bilde erblickt man die heraneilende Prinzessin, deren
Körper im Rücken zu sehen ist, in der Pantomime des leidenschaftlichen
Hinzeigens mit dem rechten Arm weit vorgebeugt. Ein paar Mönche,
eine ältliche Begleiterin der Prinzessin, und ein sehr trefflich gemalter
sterbender oder schon todter Krieger sind die Nebenpersonen, die schick¬
lich vertheilt, und nicht zu bedeutend aber auch nicht -- und dies ist
der Fehler so mancher deutscher Composition -- zu unbedeutend sind.
Das Schlachtfeld, der Pattisadenzaun, an dem noch die abgeschossenen
Pfeile haften, die Gruppen Verwundeter und Todten, die sich in der


GvmMm. III. ISiv. 6?

denn ihre Welt ist die Poesie, die Fabel, das Wunder. Wie aben¬
teuerlich hat sich die Barberini abbilden lassen, und noch die Catalani.
Wie nahm diese oft an Canova's Grazien ein Model, wo keine Putz¬
macherin der Welt eine Nadel anzusetzen nöthig fand. Wir geben zu,
daß dies zu weit gegangen ist, allein daß unsere Künstlerinnen Salon-
Damen heißen und sein wollen, ist ebenfalls ein Verkennen ihrer
Stellung und ihrer schönen Lampen - beleuchteten Breterwelt. Doch
gestehen wir gern ein, soll einmal Alles verbannt sein, was an das
Theater erinnert, so ist diese Auffassung, voll Grazie, Tugend und
Leben, wie wir sie hier sehen, die schicklichste. Nur keine halbe Jdeali-
sirung, kein halbes Costüm, keine halbe Entfremdung, keine Spie¬
lerei mit kleinen Attributen, Leierchen, Rollen, Kränzchen ze. Eine
Corinna gefällt, aber ein Corinnchcn ist unausstehlich.

Ein Bild von Professor Krüger, einen jungen Mann fürstlichen
Standes zu Pferde darstellend, lebensgroß. Wenn man Krüger's
Namen nennt, so verbindet sich damit sogleich die Vorstellung von
blitzenden Uniformen, galoppirenden Pferden mit hochaufgeblasnen
Nüstern, hin und hersprengende Generale, Federbüsche und Staub —
viel Staub. Er ist der Maler des Friedens; kein Pulverdampf, son¬
dern Staub. Auf seinen Portraits zeigt sich bei geschickter Routine
ein immer wiederkehrendes Spiel vibrirender Muskeln. Man möchte
den Charakter seiner Portraits „aufgeregte Unbedeutenden" nennen.

Von Horace Vernet zeigt sich ein Bild mit Figuren in Lebens¬
größe, gemalt im Jahre 1828. Es stellt das Schlachtfeld von Ha-
stings vor, und zwar den Moment, wo die Prinzessin Editha (an col
«I« c^Ano mit Zunamen) ihren erschlagenen Geliebten, den König
Harald erkennt. Rechts im Bilde liegt der getödtete Krieger und
Fürst auf blutgedrängtem Boden, der Oberleib entblöst, von den Hüf¬
ten an in eine enganschließende Panzerhose gekleidet. Er liegt mit
dem Kopfe auf den Füßen eines andern, ebenfalls getödteten Krie¬
gers, links im Bilde erblickt man die heraneilende Prinzessin, deren
Körper im Rücken zu sehen ist, in der Pantomime des leidenschaftlichen
Hinzeigens mit dem rechten Arm weit vorgebeugt. Ein paar Mönche,
eine ältliche Begleiterin der Prinzessin, und ein sehr trefflich gemalter
sterbender oder schon todter Krieger sind die Nebenpersonen, die schick¬
lich vertheilt, und nicht zu bedeutend aber auch nicht — und dies ist
der Fehler so mancher deutscher Composition — zu unbedeutend sind.
Das Schlachtfeld, der Pattisadenzaun, an dem noch die abgeschossenen
Pfeile haften, die Gruppen Verwundeter und Todten, die sich in der


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[0505] denn ihre Welt ist die Poesie, die Fabel, das Wunder. Wie aben¬ teuerlich hat sich die Barberini abbilden lassen, und noch die Catalani. Wie nahm diese oft an Canova's Grazien ein Model, wo keine Putz¬ macherin der Welt eine Nadel anzusetzen nöthig fand. Wir geben zu, daß dies zu weit gegangen ist, allein daß unsere Künstlerinnen Salon- Damen heißen und sein wollen, ist ebenfalls ein Verkennen ihrer Stellung und ihrer schönen Lampen - beleuchteten Breterwelt. Doch gestehen wir gern ein, soll einmal Alles verbannt sein, was an das Theater erinnert, so ist diese Auffassung, voll Grazie, Tugend und Leben, wie wir sie hier sehen, die schicklichste. Nur keine halbe Jdeali- sirung, kein halbes Costüm, keine halbe Entfremdung, keine Spie¬ lerei mit kleinen Attributen, Leierchen, Rollen, Kränzchen ze. Eine Corinna gefällt, aber ein Corinnchcn ist unausstehlich. Ein Bild von Professor Krüger, einen jungen Mann fürstlichen Standes zu Pferde darstellend, lebensgroß. Wenn man Krüger's Namen nennt, so verbindet sich damit sogleich die Vorstellung von blitzenden Uniformen, galoppirenden Pferden mit hochaufgeblasnen Nüstern, hin und hersprengende Generale, Federbüsche und Staub — viel Staub. Er ist der Maler des Friedens; kein Pulverdampf, son¬ dern Staub. Auf seinen Portraits zeigt sich bei geschickter Routine ein immer wiederkehrendes Spiel vibrirender Muskeln. Man möchte den Charakter seiner Portraits „aufgeregte Unbedeutenden" nennen. Von Horace Vernet zeigt sich ein Bild mit Figuren in Lebens¬ größe, gemalt im Jahre 1828. Es stellt das Schlachtfeld von Ha- stings vor, und zwar den Moment, wo die Prinzessin Editha (an col «I« c^Ano mit Zunamen) ihren erschlagenen Geliebten, den König Harald erkennt. Rechts im Bilde liegt der getödtete Krieger und Fürst auf blutgedrängtem Boden, der Oberleib entblöst, von den Hüf¬ ten an in eine enganschließende Panzerhose gekleidet. Er liegt mit dem Kopfe auf den Füßen eines andern, ebenfalls getödteten Krie¬ gers, links im Bilde erblickt man die heraneilende Prinzessin, deren Körper im Rücken zu sehen ist, in der Pantomime des leidenschaftlichen Hinzeigens mit dem rechten Arm weit vorgebeugt. Ein paar Mönche, eine ältliche Begleiterin der Prinzessin, und ein sehr trefflich gemalter sterbender oder schon todter Krieger sind die Nebenpersonen, die schick¬ lich vertheilt, und nicht zu bedeutend aber auch nicht — und dies ist der Fehler so mancher deutscher Composition — zu unbedeutend sind. Das Schlachtfeld, der Pattisadenzaun, an dem noch die abgeschossenen Pfeile haften, die Gruppen Verwundeter und Todten, die sich in der GvmMm. III. ISiv. 6?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/505>, abgerufen am 24.07.2024.