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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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monialgerichtsbarkeit und durch die Bestellung von Verwaltungsorganen
soll abgeholfen werden, welche einerseits die Provinzialerfordernisse, somit
auch die Auflagen vermehren und anderseits die Mittel und das Interesse
entbehren, den Verwalteten in so vielen und dringenden Fallen hilfreich
unter die Arme zu greifen, vermögen Ew. Majestät trcugehorsamste
Stande nicht zu erfassen.

Die Dominical-Verfassung in Nieder-Oesterreich ist ursprünglich aus
dem Verhältnisse zwischen Besitz und Arbeit hervorgegangen -- sie ent¬
wickelte sich zu dem Verhältnisse von Ober- und Nutzungseigenthume
und beruht in der natürlichen, durch das Ineinandergreifen der wechsel¬
seitigen Interessen befestigten Stellung des größeren Grundbesitzers zu
dem kleinern.

Diese Stellung würde sich durch die Auflösung der Dominical-
Verfassung wesentlich verändern, und es würde entweder die Wechsel¬
seitigkeit der Interessen ganz aufhören und ein isolirter Zustand mit Ver¬
schmelzung der kleinen Bestiftungen zu größeren Gütern eintreten, oder
es würden sich diese wechselseitigen Interessen in einer neuen Form wieder
begegnen, die gerade den kleinen Grundbesitzer in offenbaren Nachtheil
versetzen dürfte.

Ew. Majestät weise und gerechte Absichten können dahin nicht ge¬
richtet sein, allein es kann dieser traurige Austand auch dadurch hervor¬
gerufen werden, daß

1) die Grundbestimmungen der Dominical-Verhältnisse immer un¬
klarer, daß

2) die darin begründeten Rechte immer schwankender, und daß

3) solche Anforderungen an die Dominien gestellt werden, die ihren
Wirkungskreis und ihre Kräfte überschreiten.

Zu 1, wird gehorsamst bemerkt, daß die politische Gesetzgebung zur
Sicherstellung der Grundbegriffe des Dominical-Verhältnisses und der
auf denselben beruhenden rechtlichen und politischen Beziehungen keine
genügenden Anhaltspunkte mehr darbietet; -- es gilt noch immer der
l'rii.aeneus tlo ilirilzus mein'MriMnis vom Jahre 1679, der schon von
der Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1748 für dunkel und der Um¬
arbeitung bedürftig erklärt wurde; es gelten die meisten Vorschriften der
großen Kaiserin, wenngleich nur dem Wortlaute nach; es gelten die
meisten von Kaiser Joseph II. in ganz anderem Sinne, unter ganz
anderen Verhältnissen und Absichten erlassenen Vorschriften; ungeachtet
die Grundsätze, auf welchen sie beruhen, von seinem durchlauchtigsten
Regierungsnachfolgcr mißbilligt wurden, und ungeachtet mit dem Pa¬
tente vom 6. September 1791 eine Umarbeitung und systematische Zu¬
sammenstellung aller politischen Gesetze zugesichert und angeordnet worden
ist; -- es gelten endlich alle seither in einer Zeitperiode von mehr als
einem halben Jahrhunderte auf der Grundlage der verschiedensten Ver¬
hältnisse und Meinungen erflossenen vielfältigen, oft sich widersprechenden
Vorschriften und Erläuterungen, und es ist daher natürlich, daß für
jede individuelle Ansicht eine gesetzliche Begründung zu finden ist, somit


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monialgerichtsbarkeit und durch die Bestellung von Verwaltungsorganen
soll abgeholfen werden, welche einerseits die Provinzialerfordernisse, somit
auch die Auflagen vermehren und anderseits die Mittel und das Interesse
entbehren, den Verwalteten in so vielen und dringenden Fallen hilfreich
unter die Arme zu greifen, vermögen Ew. Majestät trcugehorsamste
Stande nicht zu erfassen.

Die Dominical-Verfassung in Nieder-Oesterreich ist ursprünglich aus
dem Verhältnisse zwischen Besitz und Arbeit hervorgegangen — sie ent¬
wickelte sich zu dem Verhältnisse von Ober- und Nutzungseigenthume
und beruht in der natürlichen, durch das Ineinandergreifen der wechsel¬
seitigen Interessen befestigten Stellung des größeren Grundbesitzers zu
dem kleinern.

Diese Stellung würde sich durch die Auflösung der Dominical-
Verfassung wesentlich verändern, und es würde entweder die Wechsel¬
seitigkeit der Interessen ganz aufhören und ein isolirter Zustand mit Ver¬
schmelzung der kleinen Bestiftungen zu größeren Gütern eintreten, oder
es würden sich diese wechselseitigen Interessen in einer neuen Form wieder
begegnen, die gerade den kleinen Grundbesitzer in offenbaren Nachtheil
versetzen dürfte.

Ew. Majestät weise und gerechte Absichten können dahin nicht ge¬
richtet sein, allein es kann dieser traurige Austand auch dadurch hervor¬
gerufen werden, daß

1) die Grundbestimmungen der Dominical-Verhältnisse immer un¬
klarer, daß

2) die darin begründeten Rechte immer schwankender, und daß

3) solche Anforderungen an die Dominien gestellt werden, die ihren
Wirkungskreis und ihre Kräfte überschreiten.

Zu 1, wird gehorsamst bemerkt, daß die politische Gesetzgebung zur
Sicherstellung der Grundbegriffe des Dominical-Verhältnisses und der
auf denselben beruhenden rechtlichen und politischen Beziehungen keine
genügenden Anhaltspunkte mehr darbietet; — es gilt noch immer der
l'rii.aeneus tlo ilirilzus mein'MriMnis vom Jahre 1679, der schon von
der Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1748 für dunkel und der Um¬
arbeitung bedürftig erklärt wurde; es gelten die meisten Vorschriften der
großen Kaiserin, wenngleich nur dem Wortlaute nach; es gelten die
meisten von Kaiser Joseph II. in ganz anderem Sinne, unter ganz
anderen Verhältnissen und Absichten erlassenen Vorschriften; ungeachtet
die Grundsätze, auf welchen sie beruhen, von seinem durchlauchtigsten
Regierungsnachfolgcr mißbilligt wurden, und ungeachtet mit dem Pa¬
tente vom 6. September 1791 eine Umarbeitung und systematische Zu¬
sammenstellung aller politischen Gesetze zugesichert und angeordnet worden
ist; — es gelten endlich alle seither in einer Zeitperiode von mehr als
einem halben Jahrhunderte auf der Grundlage der verschiedensten Ver¬
hältnisse und Meinungen erflossenen vielfältigen, oft sich widersprechenden
Vorschriften und Erläuterungen, und es ist daher natürlich, daß für
jede individuelle Ansicht eine gesetzliche Begründung zu finden ist, somit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/497>, abgerufen am 24.07.2024.