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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Sie sollen treu sein, sie mit dem warme", weichen Herzen, mit dem
unwiderstehlichen Drange, ihrem Nebenmenschen wohlzuthun.

Ich war ein Thor, Quirin, als ich in jener unglücklichen Nacht
mein Geschoß nach ihrem Herzen jagte. Man hatte mich schon frü¬
her gereizt, gestachelt und den Verdacht in meine Seele gießen wollen;
aber ich dachte an Jago und hörte nicht darauf. Jener Mohr konnte
sein Herz von der Eifersucht zerfleischen lassei,; er hatte die Liebe sei¬
ner Frau durch kein Opfer erkauft, er hatte nichts für sie gethan;
ihre Liebe war ein Geschenk, ein geliehenes Gut, das sie wieoer zu¬
rücknehmen konnte. Ich konnte sicher sein; war sie doch ganz meine
Schöpfung, hatte ich doch von dem Schlangenbändiger sie losgekauft,
der ihren jungfräulichen Liebreiz als Köder brauchte, die Menge in
seine Bude zu locken, hatte ich doch bei der Halberwachsenen Bruder-
stelle vertreten, mit den feinsten Säften meines Geistes ihren Verstand
getränkt, ihren Sinn geläutert, ihr Herz gebildet. Und als ich sie
endlich zu meiner Gattin erhob, wie habe ich sie geliebt! O, es war
nicht denkbar! Aber auf jenem Maskenbälle, als sie so plötzlich von
meiner Seite verschwand und ich, von dem giftigen Spotte des buck¬
ligen Abbate gehetzt, den Saal verließ und nach Hause eilte, da sah
ich im Garten geheimnißvollen Lichterschein. Und als ich nun leise
durch die Hecken den" Pavillon zuschritt, da horte ich es flüstern und
knistern, und ihre Stimme war es, die ich aus Tausenden erkenne;
und als ich nun endlich, meiner nicht mehr mächtig, die Thüre auf¬
riß, da lag sie in seinen Armen, und aus die weiße Brust jagte ich
meine Kugel. -- Aber ich war blind, und sie traf nicht. Und als
seine Schergen nun auf mich eindrangen, und mich niederwarfen und
knebelten, und er sie aus dem Garten führte, da hörte ich, wie sie
meiner tollen Wuth lachte

. Ich war ein Thor, ich sehe es ein, ich war ein Thor. Sie hatte
mir ihre Liebe gegeben, sie hatte sie wieder genommen. Ich hatte Un¬
recht, nach ihrem Leben zu zielen. Aber lachen hätte sie doch nicht
müssen. Auch lachte sie gewiß nicht über den betrogenen Gatten;
sie lachte vielleicht blos über den närrischen Sprachmeister, den ihr
die einfältige Regel aufbürden wollte, die Treue sei weiblichen Ge¬
schlechts. Ich hatte Unrecht, auf sie zu zürnen. Aber auf ihn! auf
ihn! O ich habe den Verführer wohl erkannt, trotz der Maske,
welche ihn verhüllte -- es war der Gouverneur, der Fürst; er, dessen
Posa ich gewesen, mit dem ich erzogen worden, für dessen Fehler ich
die Strafe erlitten, dem ich mit der ganzen Treue eines bürgerlichen


Sie sollen treu sein, sie mit dem warme», weichen Herzen, mit dem
unwiderstehlichen Drange, ihrem Nebenmenschen wohlzuthun.

Ich war ein Thor, Quirin, als ich in jener unglücklichen Nacht
mein Geschoß nach ihrem Herzen jagte. Man hatte mich schon frü¬
her gereizt, gestachelt und den Verdacht in meine Seele gießen wollen;
aber ich dachte an Jago und hörte nicht darauf. Jener Mohr konnte
sein Herz von der Eifersucht zerfleischen lassei,; er hatte die Liebe sei¬
ner Frau durch kein Opfer erkauft, er hatte nichts für sie gethan;
ihre Liebe war ein Geschenk, ein geliehenes Gut, das sie wieoer zu¬
rücknehmen konnte. Ich konnte sicher sein; war sie doch ganz meine
Schöpfung, hatte ich doch von dem Schlangenbändiger sie losgekauft,
der ihren jungfräulichen Liebreiz als Köder brauchte, die Menge in
seine Bude zu locken, hatte ich doch bei der Halberwachsenen Bruder-
stelle vertreten, mit den feinsten Säften meines Geistes ihren Verstand
getränkt, ihren Sinn geläutert, ihr Herz gebildet. Und als ich sie
endlich zu meiner Gattin erhob, wie habe ich sie geliebt! O, es war
nicht denkbar! Aber auf jenem Maskenbälle, als sie so plötzlich von
meiner Seite verschwand und ich, von dem giftigen Spotte des buck¬
ligen Abbate gehetzt, den Saal verließ und nach Hause eilte, da sah
ich im Garten geheimnißvollen Lichterschein. Und als ich nun leise
durch die Hecken den« Pavillon zuschritt, da horte ich es flüstern und
knistern, und ihre Stimme war es, die ich aus Tausenden erkenne;
und als ich nun endlich, meiner nicht mehr mächtig, die Thüre auf¬
riß, da lag sie in seinen Armen, und aus die weiße Brust jagte ich
meine Kugel. — Aber ich war blind, und sie traf nicht. Und als
seine Schergen nun auf mich eindrangen, und mich niederwarfen und
knebelten, und er sie aus dem Garten führte, da hörte ich, wie sie
meiner tollen Wuth lachte

. Ich war ein Thor, ich sehe es ein, ich war ein Thor. Sie hatte
mir ihre Liebe gegeben, sie hatte sie wieder genommen. Ich hatte Un¬
recht, nach ihrem Leben zu zielen. Aber lachen hätte sie doch nicht
müssen. Auch lachte sie gewiß nicht über den betrogenen Gatten;
sie lachte vielleicht blos über den närrischen Sprachmeister, den ihr
die einfältige Regel aufbürden wollte, die Treue sei weiblichen Ge¬
schlechts. Ich hatte Unrecht, auf sie zu zürnen. Aber auf ihn! auf
ihn! O ich habe den Verführer wohl erkannt, trotz der Maske,
welche ihn verhüllte — es war der Gouverneur, der Fürst; er, dessen
Posa ich gewesen, mit dem ich erzogen worden, für dessen Fehler ich
die Strafe erlitten, dem ich mit der ganzen Treue eines bürgerlichen


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[0485] Sie sollen treu sein, sie mit dem warme», weichen Herzen, mit dem unwiderstehlichen Drange, ihrem Nebenmenschen wohlzuthun. Ich war ein Thor, Quirin, als ich in jener unglücklichen Nacht mein Geschoß nach ihrem Herzen jagte. Man hatte mich schon frü¬ her gereizt, gestachelt und den Verdacht in meine Seele gießen wollen; aber ich dachte an Jago und hörte nicht darauf. Jener Mohr konnte sein Herz von der Eifersucht zerfleischen lassei,; er hatte die Liebe sei¬ ner Frau durch kein Opfer erkauft, er hatte nichts für sie gethan; ihre Liebe war ein Geschenk, ein geliehenes Gut, das sie wieoer zu¬ rücknehmen konnte. Ich konnte sicher sein; war sie doch ganz meine Schöpfung, hatte ich doch von dem Schlangenbändiger sie losgekauft, der ihren jungfräulichen Liebreiz als Köder brauchte, die Menge in seine Bude zu locken, hatte ich doch bei der Halberwachsenen Bruder- stelle vertreten, mit den feinsten Säften meines Geistes ihren Verstand getränkt, ihren Sinn geläutert, ihr Herz gebildet. Und als ich sie endlich zu meiner Gattin erhob, wie habe ich sie geliebt! O, es war nicht denkbar! Aber auf jenem Maskenbälle, als sie so plötzlich von meiner Seite verschwand und ich, von dem giftigen Spotte des buck¬ ligen Abbate gehetzt, den Saal verließ und nach Hause eilte, da sah ich im Garten geheimnißvollen Lichterschein. Und als ich nun leise durch die Hecken den« Pavillon zuschritt, da horte ich es flüstern und knistern, und ihre Stimme war es, die ich aus Tausenden erkenne; und als ich nun endlich, meiner nicht mehr mächtig, die Thüre auf¬ riß, da lag sie in seinen Armen, und aus die weiße Brust jagte ich meine Kugel. — Aber ich war blind, und sie traf nicht. Und als seine Schergen nun auf mich eindrangen, und mich niederwarfen und knebelten, und er sie aus dem Garten führte, da hörte ich, wie sie meiner tollen Wuth lachte . Ich war ein Thor, ich sehe es ein, ich war ein Thor. Sie hatte mir ihre Liebe gegeben, sie hatte sie wieder genommen. Ich hatte Un¬ recht, nach ihrem Leben zu zielen. Aber lachen hätte sie doch nicht müssen. Auch lachte sie gewiß nicht über den betrogenen Gatten; sie lachte vielleicht blos über den närrischen Sprachmeister, den ihr die einfältige Regel aufbürden wollte, die Treue sei weiblichen Ge¬ schlechts. Ich hatte Unrecht, auf sie zu zürnen. Aber auf ihn! auf ihn! O ich habe den Verführer wohl erkannt, trotz der Maske, welche ihn verhüllte — es war der Gouverneur, der Fürst; er, dessen Posa ich gewesen, mit dem ich erzogen worden, für dessen Fehler ich die Strafe erlitten, dem ich mit der ganzen Treue eines bürgerlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/485>, abgerufen am 24.07.2024.