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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Jetzt ist das anders geworden; die großen Unternehmungen eines
Piepcnstock, Ebbinghaus und Anderer lassen die kleinen Etablissements
nicht mehr aufkommen; die Concurrenz des Auslandes drückt zu sehr,
so daß nur noch große Capitalien etwas ausrichten können. War ja
sogar vor einigen Jahren das allgemein geachtete Piepenstock'sche Haus
in Iserlohn, welches Tausende von Arbeitern beschäftigte und mit allen
Welttheilen in Handelsverbindung stand, fast im Begriff, seine Zah¬
lungen einstellen und seine großartigen Unternehmungen unterbrechen
zu müssen.

Der Herr des Hauses, ein Muster westfälischer Redlichkeit und
Solidität, starb und seine Erben mußten sich der Gelder des Banquiers
Schaffhausen in Cöln bedienen, um das grandiose Geschäft nicht in
Stocken gerathen zu lassen. Es wäre ein Ruin für das ganze Land
gewesen, wenn hier ein Fallissement zu Stande gekommen wäre.

Wenn man früher die gebirgigen Gegenden der Grafschaft Mark
bereiste, so traf man in jedem Thale einen Hammer, eine Papierfabrik
oder sonst ein industrielles Etablissement an. Wo man Wasser rauschen
hörte, vernahm man auch das Geklapper der Mühlen und das Schlagen
der Hämmer, welches mithin durch die Stille des Waldes tönte. Jetzt
herrscht eine traurige Stille in diesen Waldthälern; das Wasser spru¬
delt unbenutzt über die morschen, verrotteten Räder hinweg; die Fun¬
ken sprühen nicht mehr aus der Esse hervor und auf den Dächern
zeigen sich die Spuren des, Sturmes und Schnees. Das sind die
Folgen des Dampfes, welcher die geringern Wasserkräfte werthlos und
die kleinern Fabrikanten zu Tagelöhnern gemacht hat, die aber unsere
Gegenden nicht allein, sondern alle industriellen! Landstriche betroffen
haben.

Den Uebergang von der industriellen Grafschaft Mark zu dem
ackerbauenden Theile derselben bildet die Gegend von Dortmund, Hörde,
Essen, wo Berg- und Ackerbau sich vereinigen, die Bewohner reich zu
machen. Das Gebirge flacht sich hier zur Ebene ab, die Wälder
werden seltener; weite Wiesen umringen die Flüsse und fruchtbare
Felder schließen freundliche, wohlhabende Dörfer ein. Zwischen den
wogenden Saaten, die einen guten Boden und treffliche Bebauung
verrathen, erheben sich hier und da Feueressen, welche den Ort anzei¬
gen, wo die Dampfmaschine sich abmüht, die Schätze der Unterwelt
an's Tageslicht zu bringen. Nicht Gold und Edelsteine fördert man
hier, sondern schwarze, unscheinbare Kohlen, welche aber kostbarer und


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Jetzt ist das anders geworden; die großen Unternehmungen eines
Piepcnstock, Ebbinghaus und Anderer lassen die kleinen Etablissements
nicht mehr aufkommen; die Concurrenz des Auslandes drückt zu sehr,
so daß nur noch große Capitalien etwas ausrichten können. War ja
sogar vor einigen Jahren das allgemein geachtete Piepenstock'sche Haus
in Iserlohn, welches Tausende von Arbeitern beschäftigte und mit allen
Welttheilen in Handelsverbindung stand, fast im Begriff, seine Zah¬
lungen einstellen und seine großartigen Unternehmungen unterbrechen
zu müssen.

Der Herr des Hauses, ein Muster westfälischer Redlichkeit und
Solidität, starb und seine Erben mußten sich der Gelder des Banquiers
Schaffhausen in Cöln bedienen, um das grandiose Geschäft nicht in
Stocken gerathen zu lassen. Es wäre ein Ruin für das ganze Land
gewesen, wenn hier ein Fallissement zu Stande gekommen wäre.

Wenn man früher die gebirgigen Gegenden der Grafschaft Mark
bereiste, so traf man in jedem Thale einen Hammer, eine Papierfabrik
oder sonst ein industrielles Etablissement an. Wo man Wasser rauschen
hörte, vernahm man auch das Geklapper der Mühlen und das Schlagen
der Hämmer, welches mithin durch die Stille des Waldes tönte. Jetzt
herrscht eine traurige Stille in diesen Waldthälern; das Wasser spru¬
delt unbenutzt über die morschen, verrotteten Räder hinweg; die Fun¬
ken sprühen nicht mehr aus der Esse hervor und auf den Dächern
zeigen sich die Spuren des, Sturmes und Schnees. Das sind die
Folgen des Dampfes, welcher die geringern Wasserkräfte werthlos und
die kleinern Fabrikanten zu Tagelöhnern gemacht hat, die aber unsere
Gegenden nicht allein, sondern alle industriellen! Landstriche betroffen
haben.

Den Uebergang von der industriellen Grafschaft Mark zu dem
ackerbauenden Theile derselben bildet die Gegend von Dortmund, Hörde,
Essen, wo Berg- und Ackerbau sich vereinigen, die Bewohner reich zu
machen. Das Gebirge flacht sich hier zur Ebene ab, die Wälder
werden seltener; weite Wiesen umringen die Flüsse und fruchtbare
Felder schließen freundliche, wohlhabende Dörfer ein. Zwischen den
wogenden Saaten, die einen guten Boden und treffliche Bebauung
verrathen, erheben sich hier und da Feueressen, welche den Ort anzei¬
gen, wo die Dampfmaschine sich abmüht, die Schätze der Unterwelt
an's Tageslicht zu bringen. Nicht Gold und Edelsteine fördert man
hier, sondern schwarze, unscheinbare Kohlen, welche aber kostbarer und


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[0465] Jetzt ist das anders geworden; die großen Unternehmungen eines Piepcnstock, Ebbinghaus und Anderer lassen die kleinen Etablissements nicht mehr aufkommen; die Concurrenz des Auslandes drückt zu sehr, so daß nur noch große Capitalien etwas ausrichten können. War ja sogar vor einigen Jahren das allgemein geachtete Piepenstock'sche Haus in Iserlohn, welches Tausende von Arbeitern beschäftigte und mit allen Welttheilen in Handelsverbindung stand, fast im Begriff, seine Zah¬ lungen einstellen und seine großartigen Unternehmungen unterbrechen zu müssen. Der Herr des Hauses, ein Muster westfälischer Redlichkeit und Solidität, starb und seine Erben mußten sich der Gelder des Banquiers Schaffhausen in Cöln bedienen, um das grandiose Geschäft nicht in Stocken gerathen zu lassen. Es wäre ein Ruin für das ganze Land gewesen, wenn hier ein Fallissement zu Stande gekommen wäre. Wenn man früher die gebirgigen Gegenden der Grafschaft Mark bereiste, so traf man in jedem Thale einen Hammer, eine Papierfabrik oder sonst ein industrielles Etablissement an. Wo man Wasser rauschen hörte, vernahm man auch das Geklapper der Mühlen und das Schlagen der Hämmer, welches mithin durch die Stille des Waldes tönte. Jetzt herrscht eine traurige Stille in diesen Waldthälern; das Wasser spru¬ delt unbenutzt über die morschen, verrotteten Räder hinweg; die Fun¬ ken sprühen nicht mehr aus der Esse hervor und auf den Dächern zeigen sich die Spuren des, Sturmes und Schnees. Das sind die Folgen des Dampfes, welcher die geringern Wasserkräfte werthlos und die kleinern Fabrikanten zu Tagelöhnern gemacht hat, die aber unsere Gegenden nicht allein, sondern alle industriellen! Landstriche betroffen haben. Den Uebergang von der industriellen Grafschaft Mark zu dem ackerbauenden Theile derselben bildet die Gegend von Dortmund, Hörde, Essen, wo Berg- und Ackerbau sich vereinigen, die Bewohner reich zu machen. Das Gebirge flacht sich hier zur Ebene ab, die Wälder werden seltener; weite Wiesen umringen die Flüsse und fruchtbare Felder schließen freundliche, wohlhabende Dörfer ein. Zwischen den wogenden Saaten, die einen guten Boden und treffliche Bebauung verrathen, erheben sich hier und da Feueressen, welche den Ort anzei¬ gen, wo die Dampfmaschine sich abmüht, die Schätze der Unterwelt an's Tageslicht zu bringen. Nicht Gold und Edelsteine fördert man hier, sondern schwarze, unscheinbare Kohlen, welche aber kostbarer und Crcnzbvtm. III. 1»^«- 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/465>, abgerufen am 24.07.2024.