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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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"Ein Congreß, um Polens Theilung aufzuheben. Wenn nicht ein
Staat, vorläufig ein Volk gerettet. Polens Adel werde radic.it zerstört!
Der Bürgerstand gehoben. Die polnische Anarchie werde in ihren Ur¬
sachen erkannt und vermieden durch Institutionen. Bürgschaften für die
Nachbarn. Eine Erbmonarchie. Ein polnischer Staat hatte soviel für
Wiederbelebung des Volkes, für die Heilung siebzigjähriger Wunden zu
thun, soviel für Hebung der materiellen Interessen, soviel sür Handel,
Gewerbe, Ackerbau, daß an Unruhe nach Außen oder gefährliche Außen¬
wirkung innerer Unruhe nicht zu denken Ware.

"Polen ist denn -- ich träume -- wieder hergestellt; die Schuld der
Bäter gesühnt. Ein edles Gefühl schwellt die Brust derjenigen Fürsten
und Staatsmänner, die einen solchen Triumph über sich selbst vermoch¬
ten. Ein Bollwerk gegen Nußland ist aufgefchanzt, Oesterreich hat ver¬
loren, was es nicht bedürfte, um groß zu bleiben. Für Preußen wäre
der Verlust empfindlicher; aber Preußen habe nie einen Weltberuf, son¬
dern nur einen deutschen Beruf. In der Wiedergeburt Deutschlands
und Preußens Hegemonie läge Schadenersatz genug für den Verlust ei¬
nes lästigen, ewig prickelnden und bei slavischer List und Falschheit wahr¬
haft widerwärtigen Besitzes."-- Wahrlich, in diesem Traum liegt mehr
Gesundheit und Wahrheit als in dem Wachen unserer Großmächte, denen
ihre jetzigen polnischen Landestheile so viele schlaflose Rächte kosten. --

-- Es geht nichts über die Eonftquenz der deutschen Bundesverfassung.
In einer seiner diesjährigen Sitzungen hat der Frankfurter Bundestag
decretirt, daß das Verbot gegen politische Vereine und die beziehungs¬
weise damit verbundenen Anklagen und Strafen wegen Hochverrath auch
auf die communistischen Vereine ausgedehnt werde. Der Bundestag
scheint den Communismus offenbar für einen ungeheuer gefährlichen Feind
zu halten und logischer Weise wäre zu erwarten gewesen, daß ein Decret,
das vor communistischen Verbindungen zurückschrecken soll, sobald als
möglich publicirt werde. Die preußische Allgemeine, der österreichische
Beobachter, die bei jeder Mäusebewegung gleich communistische Gespenster
citiren, hätten natürlicherweise zuerst die Ausgab? gehabt, das neue Decret
zu publiciren, abgesehen davon, daß Oesterreich und Preußen als den
Vorfechter des deutschen Bundes die Jnitative zustand. Aber der öster¬
reichische Beobachter hielt das Decret so geheim, als handelte es sich um
Aufschlüsse über Galizien, die Preußische Allgemeine schwieg, als handelte
es sich um die Schleswig-Holsteinische Adresse. Woher erhält das ge-
sammte Deutschland Kenntniß von dem neuen Decret? Durch das Re¬
gierungsblatt des Fürstenthums Lippeül Wie sinnig von dem
Bundestag, der Lippe das Vorrecht des Sprechens zu übertragen.




Brring von Ar. Ludw. Hcrbig. -- Redacteur I. Skuranda.
Druck von Friedri es Andrä.

„Ein Congreß, um Polens Theilung aufzuheben. Wenn nicht ein
Staat, vorläufig ein Volk gerettet. Polens Adel werde radic.it zerstört!
Der Bürgerstand gehoben. Die polnische Anarchie werde in ihren Ur¬
sachen erkannt und vermieden durch Institutionen. Bürgschaften für die
Nachbarn. Eine Erbmonarchie. Ein polnischer Staat hatte soviel für
Wiederbelebung des Volkes, für die Heilung siebzigjähriger Wunden zu
thun, soviel für Hebung der materiellen Interessen, soviel sür Handel,
Gewerbe, Ackerbau, daß an Unruhe nach Außen oder gefährliche Außen¬
wirkung innerer Unruhe nicht zu denken Ware.

„Polen ist denn — ich träume — wieder hergestellt; die Schuld der
Bäter gesühnt. Ein edles Gefühl schwellt die Brust derjenigen Fürsten
und Staatsmänner, die einen solchen Triumph über sich selbst vermoch¬
ten. Ein Bollwerk gegen Nußland ist aufgefchanzt, Oesterreich hat ver¬
loren, was es nicht bedürfte, um groß zu bleiben. Für Preußen wäre
der Verlust empfindlicher; aber Preußen habe nie einen Weltberuf, son¬
dern nur einen deutschen Beruf. In der Wiedergeburt Deutschlands
und Preußens Hegemonie läge Schadenersatz genug für den Verlust ei¬
nes lästigen, ewig prickelnden und bei slavischer List und Falschheit wahr¬
haft widerwärtigen Besitzes."— Wahrlich, in diesem Traum liegt mehr
Gesundheit und Wahrheit als in dem Wachen unserer Großmächte, denen
ihre jetzigen polnischen Landestheile so viele schlaflose Rächte kosten. —

— Es geht nichts über die Eonftquenz der deutschen Bundesverfassung.
In einer seiner diesjährigen Sitzungen hat der Frankfurter Bundestag
decretirt, daß das Verbot gegen politische Vereine und die beziehungs¬
weise damit verbundenen Anklagen und Strafen wegen Hochverrath auch
auf die communistischen Vereine ausgedehnt werde. Der Bundestag
scheint den Communismus offenbar für einen ungeheuer gefährlichen Feind
zu halten und logischer Weise wäre zu erwarten gewesen, daß ein Decret,
das vor communistischen Verbindungen zurückschrecken soll, sobald als
möglich publicirt werde. Die preußische Allgemeine, der österreichische
Beobachter, die bei jeder Mäusebewegung gleich communistische Gespenster
citiren, hätten natürlicherweise zuerst die Ausgab? gehabt, das neue Decret
zu publiciren, abgesehen davon, daß Oesterreich und Preußen als den
Vorfechter des deutschen Bundes die Jnitative zustand. Aber der öster¬
reichische Beobachter hielt das Decret so geheim, als handelte es sich um
Aufschlüsse über Galizien, die Preußische Allgemeine schwieg, als handelte
es sich um die Schleswig-Holsteinische Adresse. Woher erhält das ge-
sammte Deutschland Kenntniß von dem neuen Decret? Durch das Re¬
gierungsblatt des Fürstenthums Lippeül Wie sinnig von dem
Bundestag, der Lippe das Vorrecht des Sprechens zu übertragen.




Brring von Ar. Ludw. Hcrbig. — Redacteur I. Skuranda.
Druck von Friedri es Andrä.
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[0448] „Ein Congreß, um Polens Theilung aufzuheben. Wenn nicht ein Staat, vorläufig ein Volk gerettet. Polens Adel werde radic.it zerstört! Der Bürgerstand gehoben. Die polnische Anarchie werde in ihren Ur¬ sachen erkannt und vermieden durch Institutionen. Bürgschaften für die Nachbarn. Eine Erbmonarchie. Ein polnischer Staat hatte soviel für Wiederbelebung des Volkes, für die Heilung siebzigjähriger Wunden zu thun, soviel für Hebung der materiellen Interessen, soviel sür Handel, Gewerbe, Ackerbau, daß an Unruhe nach Außen oder gefährliche Außen¬ wirkung innerer Unruhe nicht zu denken Ware. „Polen ist denn — ich träume — wieder hergestellt; die Schuld der Bäter gesühnt. Ein edles Gefühl schwellt die Brust derjenigen Fürsten und Staatsmänner, die einen solchen Triumph über sich selbst vermoch¬ ten. Ein Bollwerk gegen Nußland ist aufgefchanzt, Oesterreich hat ver¬ loren, was es nicht bedürfte, um groß zu bleiben. Für Preußen wäre der Verlust empfindlicher; aber Preußen habe nie einen Weltberuf, son¬ dern nur einen deutschen Beruf. In der Wiedergeburt Deutschlands und Preußens Hegemonie läge Schadenersatz genug für den Verlust ei¬ nes lästigen, ewig prickelnden und bei slavischer List und Falschheit wahr¬ haft widerwärtigen Besitzes."— Wahrlich, in diesem Traum liegt mehr Gesundheit und Wahrheit als in dem Wachen unserer Großmächte, denen ihre jetzigen polnischen Landestheile so viele schlaflose Rächte kosten. — — Es geht nichts über die Eonftquenz der deutschen Bundesverfassung. In einer seiner diesjährigen Sitzungen hat der Frankfurter Bundestag decretirt, daß das Verbot gegen politische Vereine und die beziehungs¬ weise damit verbundenen Anklagen und Strafen wegen Hochverrath auch auf die communistischen Vereine ausgedehnt werde. Der Bundestag scheint den Communismus offenbar für einen ungeheuer gefährlichen Feind zu halten und logischer Weise wäre zu erwarten gewesen, daß ein Decret, das vor communistischen Verbindungen zurückschrecken soll, sobald als möglich publicirt werde. Die preußische Allgemeine, der österreichische Beobachter, die bei jeder Mäusebewegung gleich communistische Gespenster citiren, hätten natürlicherweise zuerst die Ausgab? gehabt, das neue Decret zu publiciren, abgesehen davon, daß Oesterreich und Preußen als den Vorfechter des deutschen Bundes die Jnitative zustand. Aber der öster¬ reichische Beobachter hielt das Decret so geheim, als handelte es sich um Aufschlüsse über Galizien, die Preußische Allgemeine schwieg, als handelte es sich um die Schleswig-Holsteinische Adresse. Woher erhält das ge- sammte Deutschland Kenntniß von dem neuen Decret? Durch das Re¬ gierungsblatt des Fürstenthums Lippeül Wie sinnig von dem Bundestag, der Lippe das Vorrecht des Sprechens zu übertragen. Brring von Ar. Ludw. Hcrbig. — Redacteur I. Skuranda. Druck von Friedri es Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/448>, abgerufen am 24.07.2024.