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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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"Damen zogen ihr entgegen, schmückten die Rosse mit Blumen" -- die¬
ses ist das einzige Wahre im ganzen Artikel; Damen, Männer und
Volt begrüßten die polnischen Fahnen, aber dieser Enthusiasmus artet"
in keinen Exceß aus, und kein solcher wurde verübt; das Volk selbst ver¬
hielt sich ganz ruhig, der Adel patrouillirte Tag und Nacht, um diese
Ruhe festzuhalten und deutsche Männer zu schützen. Alle Behörden
wurden belassen, und nur unter Aufsicht einer aus bescheidenen Männern
gebildeten Controle gestellt. Deutsche Männer von Ehre sind noch am
Leben, die alles dieses mit Anerkennung, ja vielleicht mit einiger Dank¬
barkeit bezeugen werden. Daß es nicht Excesse waren, die den Einzug
russischer Truppen -- die das Tarnopoler-Gebiet dafür einmarkteten -- ver¬
anlaßten, weiß ein Jeder, der die Geschichte jenes Jahres etwas genauer
kennt. Geisel, aus dem höhern Beamtenstande gewählt, wurden zwar
nach Ludim abgeführt, dort aber mit allem Anstand und Schonung be¬
handelt. Weder in Ost- noch im ehemaligen Westgalizien kam ein Mord
oder dessen Androhung, noch sonst eine Mißhandlung vor; ein einzelner
Anführer einer irregulären Abtheilung, erlaubte sich zu Brzezang -- nicht
Mord, nicht Mißhandlung -- sondern blos demüthigende Ironie gegen
geringe deutsche Individuen; das Nationalgefühl empörte sich dagegen,-
der polnische Bayard vernahm es mit Entrüstung, und verschloß diesem
Anführer, einem altgedienter Krieger, den Eintritt in die Reihen des
Heeres. --

Nach einem solchen Kampfe reichen sich kriegführende Parteien schnell
die Hand zur Aussöhnung. Der Kampf des Jahres I8V9 ließ keine
Spuren wechselseitiger Erbitterung zurück. Es beweist dies die große
Zahl wackerer deutscher Jünglinge, die den Kampf vom Jahre 1831 an¬
sonsten, überall durch Tapferkeit und Hingebung glänzten, und deren
manche die Schlachtfelder mit ihrem Blute weihten; dieses thaten wohl
nicht solche, die gräßliche Erinnerungen aus dem Jahre 1809 geerbt
hatten.

Fremd dem letzten bedauernswerthen Ausbruche, fremd überhaupt
der ganzen Bewegung und ihren Vorbereitungsarbetten, kann ich nicht
angeben, welche Mittel im Plane der Leiter lagen; Meuchelmord Wehr¬
loser konnte es unmöglich gewesen sein. In Krakau hielten sich Männer
von Ansehen und Talent entfernt, weil sie wahrscheinlich das Unterneh¬
men für vernunftwidrig, Staats- und politisch-unklug hielten; es wurde
daher unbekannten Menschen, ohne Präcedentien, ohne gereifte Erfahrung,
ohne alle Rechtstitel auf das Vertrauen der Nation leicht, aus ihren
Schlupfwinkeln hervorzukriechen und sich der Leitung des Aufstandes zu
bemächtigen -- woher manche sinnlose Maßregel, manche ungereimte
Lüge, -- aber dennoch kein Meuchelmord, weder in Krakau, noch in
Podgorze oder Wieliczka.

Dolch und Gift waren nie polnische Waffen und sollten es auch
Nie werden. Blicken wir in die Geschichte, erinnern wir uns, welchen
Stammes die gegenwärtige polnische Generation, und mit Stolz können
wir zurückblicken in die ganze Vergangenheit von Jahrhunderten. Groß
und mächtig war die polnische Nation auf dem Felde des Ruhmes; denn


„Damen zogen ihr entgegen, schmückten die Rosse mit Blumen" — die¬
ses ist das einzige Wahre im ganzen Artikel; Damen, Männer und
Volt begrüßten die polnischen Fahnen, aber dieser Enthusiasmus artet«
in keinen Exceß aus, und kein solcher wurde verübt; das Volk selbst ver¬
hielt sich ganz ruhig, der Adel patrouillirte Tag und Nacht, um diese
Ruhe festzuhalten und deutsche Männer zu schützen. Alle Behörden
wurden belassen, und nur unter Aufsicht einer aus bescheidenen Männern
gebildeten Controle gestellt. Deutsche Männer von Ehre sind noch am
Leben, die alles dieses mit Anerkennung, ja vielleicht mit einiger Dank¬
barkeit bezeugen werden. Daß es nicht Excesse waren, die den Einzug
russischer Truppen — die das Tarnopoler-Gebiet dafür einmarkteten — ver¬
anlaßten, weiß ein Jeder, der die Geschichte jenes Jahres etwas genauer
kennt. Geisel, aus dem höhern Beamtenstande gewählt, wurden zwar
nach Ludim abgeführt, dort aber mit allem Anstand und Schonung be¬
handelt. Weder in Ost- noch im ehemaligen Westgalizien kam ein Mord
oder dessen Androhung, noch sonst eine Mißhandlung vor; ein einzelner
Anführer einer irregulären Abtheilung, erlaubte sich zu Brzezang — nicht
Mord, nicht Mißhandlung — sondern blos demüthigende Ironie gegen
geringe deutsche Individuen; das Nationalgefühl empörte sich dagegen,-
der polnische Bayard vernahm es mit Entrüstung, und verschloß diesem
Anführer, einem altgedienter Krieger, den Eintritt in die Reihen des
Heeres. —

Nach einem solchen Kampfe reichen sich kriegführende Parteien schnell
die Hand zur Aussöhnung. Der Kampf des Jahres I8V9 ließ keine
Spuren wechselseitiger Erbitterung zurück. Es beweist dies die große
Zahl wackerer deutscher Jünglinge, die den Kampf vom Jahre 1831 an¬
sonsten, überall durch Tapferkeit und Hingebung glänzten, und deren
manche die Schlachtfelder mit ihrem Blute weihten; dieses thaten wohl
nicht solche, die gräßliche Erinnerungen aus dem Jahre 1809 geerbt
hatten.

Fremd dem letzten bedauernswerthen Ausbruche, fremd überhaupt
der ganzen Bewegung und ihren Vorbereitungsarbetten, kann ich nicht
angeben, welche Mittel im Plane der Leiter lagen; Meuchelmord Wehr¬
loser konnte es unmöglich gewesen sein. In Krakau hielten sich Männer
von Ansehen und Talent entfernt, weil sie wahrscheinlich das Unterneh¬
men für vernunftwidrig, Staats- und politisch-unklug hielten; es wurde
daher unbekannten Menschen, ohne Präcedentien, ohne gereifte Erfahrung,
ohne alle Rechtstitel auf das Vertrauen der Nation leicht, aus ihren
Schlupfwinkeln hervorzukriechen und sich der Leitung des Aufstandes zu
bemächtigen — woher manche sinnlose Maßregel, manche ungereimte
Lüge, — aber dennoch kein Meuchelmord, weder in Krakau, noch in
Podgorze oder Wieliczka.

Dolch und Gift waren nie polnische Waffen und sollten es auch
Nie werden. Blicken wir in die Geschichte, erinnern wir uns, welchen
Stammes die gegenwärtige polnische Generation, und mit Stolz können
wir zurückblicken in die ganze Vergangenheit von Jahrhunderten. Groß
und mächtig war die polnische Nation auf dem Felde des Ruhmes; denn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/44>, abgerufen am 24.07.2024.