Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.es ist, die Probe der Darstellung auszuhalten vermag; mit Bedauern Da nun die Gunst des Zufalls von der Zahl der Versuche ab¬ Dieser Anfang schien Bayard Von günstiger Vorbedeutung. Sollte Das Gespräch dauerte fort, aber die beiden Redenden waren in es ist, die Probe der Darstellung auszuhalten vermag; mit Bedauern Da nun die Gunst des Zufalls von der Zahl der Versuche ab¬ Dieser Anfang schien Bayard Von günstiger Vorbedeutung. Sollte Das Gespräch dauerte fort, aber die beiden Redenden waren in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183449"/> <p xml:id="ID_1259" prev="#ID_1258"> es ist, die Probe der Darstellung auszuhalten vermag; mit Bedauern<lb/> sehe ich mich daher genöthigt u. s. w." Dieses Mal ward unser<lb/> Dichter zornig, aber weit weniger muthlos. Der Widerspruch der,<lb/> beiden Briefe, die Sauberkeit seines Manuskripts zeigten hinlänglich,<lb/> daß es von Keinem der beiden Direktoren gelesen oder geprüft worden.<lb/> Daher glaubte er sich auch berechtigt, die gute Meinung, die er von<lb/> seinem Werk gefaßt, beizubehalten; zugleich aber blieb er überzeugt,<lb/> daß sein Erfolg nur vom Zufall abhänge.</p><lb/> <p xml:id="ID_1260"> Da nun die Gunst des Zufalls von der Zahl der Versuche ab¬<lb/> hing, beschloß Bayard nicht eher zu ruhen, als bis er sie alle erschöpft.<lb/> Aber umsonst! Sein zehnmal eingesandtes Manuskript, dem er unter<lb/> allen Formen, bald als Comödie, bald als Vaudeville Eingang zu<lb/> schaffen versuchte, ward ihm zehnmal zurückgeschickt, von höflichen<lb/> Körben, von artigen Ausdrücken des Bedauerns begleitet und immer<lb/> ohne die geringste Veränderung an der jungfräulichen Reinheit seiner<lb/> Blätter erfahren zu haben. Er war von allen Direktoren zurückge¬<lb/> wiesen worden, außer Eine»,, und dieser Eine, der durch einen Vertrag<lb/> mit dem fruchtbarsten und berühmtesten Schriftsteller seiner Zeit sein<lb/> Theater hinlänglich sicher gestellt, konnte keineswegs als ein RcttungS-<lb/> bret betrachtet werden. Doch um sein Gewissen zu beruhigen, stellte<lb/> sich Bayard auch bei Diesem ein. Er hatte bisher Alles durch Briefe<lb/> abgethan, da er sich schämte, eine abschlägliche Antwort selbst zu holen;<lb/> diesmal wollte er es persönlich versuchen. Der Director war beschäf¬<lb/> tigt; Bayard ward in ein Vorzimmer geführt, um hier einige Augen¬<lb/> blicke zu warten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1261"> Dieser Anfang schien Bayard Von günstiger Vorbedeutung. Sollte<lb/> ich endlich meinen Zufall in Händen haben? rief er, freier aufathmend.<lb/> Eine Thür öffnete sich; der Director trat aus seinem Cabinet, eine<lb/> Person begleitend, zu der er sagte: „Herr Scribe kann vollkommen<lb/> ruhig sein; sein Manuskript wird nicht eine halbe Stunde auf meinem<lb/> Schreibtisch bleiben; mit dem morgenden Tage werden die Copisten die<lb/> Rollen auszuschreiben beginnen und ich will sofort die Vertheilung besor¬<lb/> gen. Sagen Sie unserm Freunde, er möge ruhig so lange in Boulogne<lb/> bleiben, als die Seebäder ihm wohlthun, um seine für unser Theater<lb/> so kostbare Gesundheit zu Pflegen; er braucht weder um die Proben, »och<lb/> um den definitiven Titel des Stückes besorgt zu sein; es wird mir<lb/> schon irgend ein pikanter Titel einfallen und ich will selbst sein Stück<lb/> taufen und ihn überraschen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1262" next="#ID_1263"> Das Gespräch dauerte fort, aber die beiden Redenden waren in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
es ist, die Probe der Darstellung auszuhalten vermag; mit Bedauern
sehe ich mich daher genöthigt u. s. w." Dieses Mal ward unser
Dichter zornig, aber weit weniger muthlos. Der Widerspruch der,
beiden Briefe, die Sauberkeit seines Manuskripts zeigten hinlänglich,
daß es von Keinem der beiden Direktoren gelesen oder geprüft worden.
Daher glaubte er sich auch berechtigt, die gute Meinung, die er von
seinem Werk gefaßt, beizubehalten; zugleich aber blieb er überzeugt,
daß sein Erfolg nur vom Zufall abhänge.
Da nun die Gunst des Zufalls von der Zahl der Versuche ab¬
hing, beschloß Bayard nicht eher zu ruhen, als bis er sie alle erschöpft.
Aber umsonst! Sein zehnmal eingesandtes Manuskript, dem er unter
allen Formen, bald als Comödie, bald als Vaudeville Eingang zu
schaffen versuchte, ward ihm zehnmal zurückgeschickt, von höflichen
Körben, von artigen Ausdrücken des Bedauerns begleitet und immer
ohne die geringste Veränderung an der jungfräulichen Reinheit seiner
Blätter erfahren zu haben. Er war von allen Direktoren zurückge¬
wiesen worden, außer Eine»,, und dieser Eine, der durch einen Vertrag
mit dem fruchtbarsten und berühmtesten Schriftsteller seiner Zeit sein
Theater hinlänglich sicher gestellt, konnte keineswegs als ein RcttungS-
bret betrachtet werden. Doch um sein Gewissen zu beruhigen, stellte
sich Bayard auch bei Diesem ein. Er hatte bisher Alles durch Briefe
abgethan, da er sich schämte, eine abschlägliche Antwort selbst zu holen;
diesmal wollte er es persönlich versuchen. Der Director war beschäf¬
tigt; Bayard ward in ein Vorzimmer geführt, um hier einige Augen¬
blicke zu warten.
Dieser Anfang schien Bayard Von günstiger Vorbedeutung. Sollte
ich endlich meinen Zufall in Händen haben? rief er, freier aufathmend.
Eine Thür öffnete sich; der Director trat aus seinem Cabinet, eine
Person begleitend, zu der er sagte: „Herr Scribe kann vollkommen
ruhig sein; sein Manuskript wird nicht eine halbe Stunde auf meinem
Schreibtisch bleiben; mit dem morgenden Tage werden die Copisten die
Rollen auszuschreiben beginnen und ich will sofort die Vertheilung besor¬
gen. Sagen Sie unserm Freunde, er möge ruhig so lange in Boulogne
bleiben, als die Seebäder ihm wohlthun, um seine für unser Theater
so kostbare Gesundheit zu Pflegen; er braucht weder um die Proben, »och
um den definitiven Titel des Stückes besorgt zu sein; es wird mir
schon irgend ein pikanter Titel einfallen und ich will selbst sein Stück
taufen und ihn überraschen."
Das Gespräch dauerte fort, aber die beiden Redenden waren in
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