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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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feit der Sorge für ihre Eristenz zwingt den Geschichtsmaler, entweder
stets mit kleinen Produkten, die ihres geringern Preises wegen eher Ab¬
gang finden, aufzutreten, oder aber das ganze unergiebige Feld mit
dem bessern Boden der Genremalerei zu vertauschen.

Daneben befürchtet man ein Überhandnehmen der alten italieni¬
schen Richtung, wenn die Hauptvertreter der neuern das Feld geräumt
haben. Jeder Kunstfreund wird liberal genug sein, keine Blüthe vom
Baume des Schönen zu verdammen, und alleil verschiedenen Gärt¬
nern die Zweige zur Pflege gern zu überlassen. Wenn aber ein
Hauptast so sehr vom Alter gelitten hat, daß die emsigste Sorgfalt
keinen neuen Sprößling zu erzeugen vermag, so kann man nur die
vielen schönen Kräfte bedauern, die ihr Messer an seiner Härte ab¬
stumpfen. Ein geistreicher Künstler der neuern Richtung äußerte ein¬
mal über die Anhänger der alten, "es geht diesen Leuten, wie im be¬
kannten Volkslied vom Fahnenschnüed, wo es am Schlüsse heißt:

"Und wer im Text nicht weiter kann,
Der fängt das Lied von vorne an."

Vom materiellen Schaden der Stadt Düsseldorf zu reden, liegt
nicht in der Absicht des Referenten) jeder Einwohner des hübschen
"petit ?ari8" wie Napoleon rs nannte, muß den bevorstehenden
Krebsgang der Kunstschule um so mehr bedauern, als grade jetzt
die alte Schloß - Academie neu aufgebaut wird, und die Bürgerschaft
den längst gehegten Gedanken der Stiftung einer neuen Gemäldegal-
lerie auszuführen begonnen hat. Möge das Gouvernement sich nicht
begnügen, ein leeres Gebäude für die Künstler aufzuführen, das ihnen
nichts als den Raum zur Aufstellung der Staffeleien bietet. Es
dürfte sonst leicht der Fall eintreten, daß die Lehr - Räume leere
Räume würden und die Zahl der Ateliers größer wäre, als die der
Maler.

Die Vaterstadt Goethe's und Börne's ist auch Rothschild's Hei¬
math, desselben Beherrschers der Gläubiger, dem Carl Beck seine
Vorrede zu den "Liedern vom armen Manne" vorgedonnert. Was
dieser große Mäcen unterlassen, blieb einem kleinen, aber großen
Manne vorbehalten, dem Bürger Städel, dem Stifter des Instituts
für bildende Kunst. Seine Nachfolger, die jetzigen Leiter und Vor¬
steher seiner Schöpfung, haben ihren Beruf zu dem schönen Amte
durch die Anstellung Lessing's im hohen Grade bewährt. Für ihre
Stadt wird diese That den großen Ruhm begründen, daß sie über


feit der Sorge für ihre Eristenz zwingt den Geschichtsmaler, entweder
stets mit kleinen Produkten, die ihres geringern Preises wegen eher Ab¬
gang finden, aufzutreten, oder aber das ganze unergiebige Feld mit
dem bessern Boden der Genremalerei zu vertauschen.

Daneben befürchtet man ein Überhandnehmen der alten italieni¬
schen Richtung, wenn die Hauptvertreter der neuern das Feld geräumt
haben. Jeder Kunstfreund wird liberal genug sein, keine Blüthe vom
Baume des Schönen zu verdammen, und alleil verschiedenen Gärt¬
nern die Zweige zur Pflege gern zu überlassen. Wenn aber ein
Hauptast so sehr vom Alter gelitten hat, daß die emsigste Sorgfalt
keinen neuen Sprößling zu erzeugen vermag, so kann man nur die
vielen schönen Kräfte bedauern, die ihr Messer an seiner Härte ab¬
stumpfen. Ein geistreicher Künstler der neuern Richtung äußerte ein¬
mal über die Anhänger der alten, „es geht diesen Leuten, wie im be¬
kannten Volkslied vom Fahnenschnüed, wo es am Schlüsse heißt:

„Und wer im Text nicht weiter kann,
Der fängt das Lied von vorne an."

Vom materiellen Schaden der Stadt Düsseldorf zu reden, liegt
nicht in der Absicht des Referenten) jeder Einwohner des hübschen
„petit ?ari8" wie Napoleon rs nannte, muß den bevorstehenden
Krebsgang der Kunstschule um so mehr bedauern, als grade jetzt
die alte Schloß - Academie neu aufgebaut wird, und die Bürgerschaft
den längst gehegten Gedanken der Stiftung einer neuen Gemäldegal-
lerie auszuführen begonnen hat. Möge das Gouvernement sich nicht
begnügen, ein leeres Gebäude für die Künstler aufzuführen, das ihnen
nichts als den Raum zur Aufstellung der Staffeleien bietet. Es
dürfte sonst leicht der Fall eintreten, daß die Lehr - Räume leere
Räume würden und die Zahl der Ateliers größer wäre, als die der
Maler.

Die Vaterstadt Goethe's und Börne's ist auch Rothschild's Hei¬
math, desselben Beherrschers der Gläubiger, dem Carl Beck seine
Vorrede zu den „Liedern vom armen Manne" vorgedonnert. Was
dieser große Mäcen unterlassen, blieb einem kleinen, aber großen
Manne vorbehalten, dem Bürger Städel, dem Stifter des Instituts
für bildende Kunst. Seine Nachfolger, die jetzigen Leiter und Vor¬
steher seiner Schöpfung, haben ihren Beruf zu dem schönen Amte
durch die Anstellung Lessing's im hohen Grade bewährt. Für ihre
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[0424] feit der Sorge für ihre Eristenz zwingt den Geschichtsmaler, entweder stets mit kleinen Produkten, die ihres geringern Preises wegen eher Ab¬ gang finden, aufzutreten, oder aber das ganze unergiebige Feld mit dem bessern Boden der Genremalerei zu vertauschen. Daneben befürchtet man ein Überhandnehmen der alten italieni¬ schen Richtung, wenn die Hauptvertreter der neuern das Feld geräumt haben. Jeder Kunstfreund wird liberal genug sein, keine Blüthe vom Baume des Schönen zu verdammen, und alleil verschiedenen Gärt¬ nern die Zweige zur Pflege gern zu überlassen. Wenn aber ein Hauptast so sehr vom Alter gelitten hat, daß die emsigste Sorgfalt keinen neuen Sprößling zu erzeugen vermag, so kann man nur die vielen schönen Kräfte bedauern, die ihr Messer an seiner Härte ab¬ stumpfen. Ein geistreicher Künstler der neuern Richtung äußerte ein¬ mal über die Anhänger der alten, „es geht diesen Leuten, wie im be¬ kannten Volkslied vom Fahnenschnüed, wo es am Schlüsse heißt: „Und wer im Text nicht weiter kann, Der fängt das Lied von vorne an." Vom materiellen Schaden der Stadt Düsseldorf zu reden, liegt nicht in der Absicht des Referenten) jeder Einwohner des hübschen „petit ?ari8" wie Napoleon rs nannte, muß den bevorstehenden Krebsgang der Kunstschule um so mehr bedauern, als grade jetzt die alte Schloß - Academie neu aufgebaut wird, und die Bürgerschaft den längst gehegten Gedanken der Stiftung einer neuen Gemäldegal- lerie auszuführen begonnen hat. Möge das Gouvernement sich nicht begnügen, ein leeres Gebäude für die Künstler aufzuführen, das ihnen nichts als den Raum zur Aufstellung der Staffeleien bietet. Es dürfte sonst leicht der Fall eintreten, daß die Lehr - Räume leere Räume würden und die Zahl der Ateliers größer wäre, als die der Maler. Die Vaterstadt Goethe's und Börne's ist auch Rothschild's Hei¬ math, desselben Beherrschers der Gläubiger, dem Carl Beck seine Vorrede zu den „Liedern vom armen Manne" vorgedonnert. Was dieser große Mäcen unterlassen, blieb einem kleinen, aber großen Manne vorbehalten, dem Bürger Städel, dem Stifter des Instituts für bildende Kunst. Seine Nachfolger, die jetzigen Leiter und Vor¬ steher seiner Schöpfung, haben ihren Beruf zu dem schönen Amte durch die Anstellung Lessing's im hohen Grade bewährt. Für ihre Stadt wird diese That den großen Ruhm begründen, daß sie über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/424>, abgerufen am 24.07.2024.