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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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die Düsseldorfer Maler haben auch ihm Schaden zufügen können. So
kleinlich die Mäkeleien der Berliner Künstler auch waren (wie z. B.
Herr E. Magnus seinen "Huß" eine colorirte Bleistiftzeichnung nannte)
und so sehr derartige Kritiken den Raitenzahn an der Herkuleskeule
abstumpfen mußten, sie haben dennoch vielleicht höhern Ortes Veran¬
lassung gegeben zu irrigen Ansichten über Lessing lind seine Werke. Es
gibt Künstler, die einem derartigen Schaden durch persönliche Inter¬
vention vorzubeugen wissen -- zu diesen gehört Lessing nicht; er ver¬
schmäht es, mit seiner Person nachzuholen, was seinem Talent versagt
wird, und verabscheut das Treiben der Günstlinge, die mit einem Katzen¬
buckel erschleichen, was ihrem schwachen. Geiste auf gradem Wege un¬
erreichbar ist. Er hat keinen Schritt gethan, einer.etwaigen Kabale
t>le Spitze zu bieten; auf diese Weise erklärt man sich ein jetzt cireu-
lirendes Gerücht, und findet es nicht unglaublich. Man will nämlich
von Berlin aus erfahren haben, daß des Königs Majestät schon vor
längerer Zeit drei Aufträge an Lessing ergehen ließ, die dieser, wie es
in der Berliner Nachricht geheißen, "wegen überhäufter Arbeiten" ab¬
gewiesen habe. Wir wissen nun aus sicherster Quelle, daß Lessing
niemals etwas von diesen Bestellungen erfahren hat, und
sind sehr begierig, nähere Aufklärung über diesen dunkeln Punkt zu
erhalten.

Welchen directen Einfluß der bevorstehende Abgang des Künst¬
lers auf die Schule ausüben wird, haben wir oben schon erwähnt, bei
Aufzählung der andern Koryphäen, die seinem Beispiele folgen. Die
indirekten Folgen sind ebenfalls schon jetzt vorauszusehen; dahin ge¬
hört vorerst die bevorstehende Zerfahrenheit in den verschiedenen Kunst¬
richtungen. Die Historienmalerei ist schon seit längerer Zeit schwach
vertreten, wieviel wirv sie nicht unter dem Verlust jener obengenann-
ten Meister noch leiden? Wohl fangen noch viele Kunstjünger an,
-dies erhabene Feld zu bebauen, aber sie werden dem Beispiele ihrer
.Vorgänger folgen, und sich nach wenigen Jahren der Genremalerei
zuwenden, weil historische Bilder nicht "ziehen." Freilich hat das kleine
Publicum von Kunstfreunden weniger Vorliebe für abgerissene Scenen
und Episoden aus der Geschichte, als für Wilder aus dem Leben und
der Natur; die eigentliche historische Kunst bedingt aber auch größere
Darstellungen, wie sie der König von Baiern von seinen Künstlern
schaffen läßt und wie sie in Düsseldorf, wegen Mangel an Unter¬
stützung, nimmer producirt^werden können. Die leidige Nothwendtg-


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die Düsseldorfer Maler haben auch ihm Schaden zufügen können. So
kleinlich die Mäkeleien der Berliner Künstler auch waren (wie z. B.
Herr E. Magnus seinen „Huß" eine colorirte Bleistiftzeichnung nannte)
und so sehr derartige Kritiken den Raitenzahn an der Herkuleskeule
abstumpfen mußten, sie haben dennoch vielleicht höhern Ortes Veran¬
lassung gegeben zu irrigen Ansichten über Lessing lind seine Werke. Es
gibt Künstler, die einem derartigen Schaden durch persönliche Inter¬
vention vorzubeugen wissen — zu diesen gehört Lessing nicht; er ver¬
schmäht es, mit seiner Person nachzuholen, was seinem Talent versagt
wird, und verabscheut das Treiben der Günstlinge, die mit einem Katzen¬
buckel erschleichen, was ihrem schwachen. Geiste auf gradem Wege un¬
erreichbar ist. Er hat keinen Schritt gethan, einer.etwaigen Kabale
t>le Spitze zu bieten; auf diese Weise erklärt man sich ein jetzt cireu-
lirendes Gerücht, und findet es nicht unglaublich. Man will nämlich
von Berlin aus erfahren haben, daß des Königs Majestät schon vor
längerer Zeit drei Aufträge an Lessing ergehen ließ, die dieser, wie es
in der Berliner Nachricht geheißen, „wegen überhäufter Arbeiten" ab¬
gewiesen habe. Wir wissen nun aus sicherster Quelle, daß Lessing
niemals etwas von diesen Bestellungen erfahren hat, und
sind sehr begierig, nähere Aufklärung über diesen dunkeln Punkt zu
erhalten.

Welchen directen Einfluß der bevorstehende Abgang des Künst¬
lers auf die Schule ausüben wird, haben wir oben schon erwähnt, bei
Aufzählung der andern Koryphäen, die seinem Beispiele folgen. Die
indirekten Folgen sind ebenfalls schon jetzt vorauszusehen; dahin ge¬
hört vorerst die bevorstehende Zerfahrenheit in den verschiedenen Kunst¬
richtungen. Die Historienmalerei ist schon seit längerer Zeit schwach
vertreten, wieviel wirv sie nicht unter dem Verlust jener obengenann-
ten Meister noch leiden? Wohl fangen noch viele Kunstjünger an,
-dies erhabene Feld zu bebauen, aber sie werden dem Beispiele ihrer
.Vorgänger folgen, und sich nach wenigen Jahren der Genremalerei
zuwenden, weil historische Bilder nicht „ziehen." Freilich hat das kleine
Publicum von Kunstfreunden weniger Vorliebe für abgerissene Scenen
und Episoden aus der Geschichte, als für Wilder aus dem Leben und
der Natur; die eigentliche historische Kunst bedingt aber auch größere
Darstellungen, wie sie der König von Baiern von seinen Künstlern
schaffen läßt und wie sie in Düsseldorf, wegen Mangel an Unter¬
stützung, nimmer producirt^werden können. Die leidige Nothwendtg-


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[0423] die Düsseldorfer Maler haben auch ihm Schaden zufügen können. So kleinlich die Mäkeleien der Berliner Künstler auch waren (wie z. B. Herr E. Magnus seinen „Huß" eine colorirte Bleistiftzeichnung nannte) und so sehr derartige Kritiken den Raitenzahn an der Herkuleskeule abstumpfen mußten, sie haben dennoch vielleicht höhern Ortes Veran¬ lassung gegeben zu irrigen Ansichten über Lessing lind seine Werke. Es gibt Künstler, die einem derartigen Schaden durch persönliche Inter¬ vention vorzubeugen wissen — zu diesen gehört Lessing nicht; er ver¬ schmäht es, mit seiner Person nachzuholen, was seinem Talent versagt wird, und verabscheut das Treiben der Günstlinge, die mit einem Katzen¬ buckel erschleichen, was ihrem schwachen. Geiste auf gradem Wege un¬ erreichbar ist. Er hat keinen Schritt gethan, einer.etwaigen Kabale t>le Spitze zu bieten; auf diese Weise erklärt man sich ein jetzt cireu- lirendes Gerücht, und findet es nicht unglaublich. Man will nämlich von Berlin aus erfahren haben, daß des Königs Majestät schon vor längerer Zeit drei Aufträge an Lessing ergehen ließ, die dieser, wie es in der Berliner Nachricht geheißen, „wegen überhäufter Arbeiten" ab¬ gewiesen habe. Wir wissen nun aus sicherster Quelle, daß Lessing niemals etwas von diesen Bestellungen erfahren hat, und sind sehr begierig, nähere Aufklärung über diesen dunkeln Punkt zu erhalten. Welchen directen Einfluß der bevorstehende Abgang des Künst¬ lers auf die Schule ausüben wird, haben wir oben schon erwähnt, bei Aufzählung der andern Koryphäen, die seinem Beispiele folgen. Die indirekten Folgen sind ebenfalls schon jetzt vorauszusehen; dahin ge¬ hört vorerst die bevorstehende Zerfahrenheit in den verschiedenen Kunst¬ richtungen. Die Historienmalerei ist schon seit längerer Zeit schwach vertreten, wieviel wirv sie nicht unter dem Verlust jener obengenann- ten Meister noch leiden? Wohl fangen noch viele Kunstjünger an, -dies erhabene Feld zu bebauen, aber sie werden dem Beispiele ihrer .Vorgänger folgen, und sich nach wenigen Jahren der Genremalerei zuwenden, weil historische Bilder nicht „ziehen." Freilich hat das kleine Publicum von Kunstfreunden weniger Vorliebe für abgerissene Scenen und Episoden aus der Geschichte, als für Wilder aus dem Leben und der Natur; die eigentliche historische Kunst bedingt aber auch größere Darstellungen, wie sie der König von Baiern von seinen Künstlern schaffen läßt und wie sie in Düsseldorf, wegen Mangel an Unter¬ stützung, nimmer producirt^werden können. Die leidige Nothwendtg- Wrenzbotm. in. r»««. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/423>, abgerufen am 24.07.2024.