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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Aesthetik an der Landesuniversität durch allerlei Umtriebe dahin ge¬
bracht, die in mehrfacher Rücksicht sehr nützlichen Uebungen in der Kunst
des freien Vortrages schon seit Jahren ruhen zu lassen. Was Wun¬
der, wenn bei so geartetem Vorgehen alle Theilnahme für Kunst und
Wissenschaft verschwindet und die gemeine geistlose Alltäglichkeit in
diesem Lande den Thron behauptet! Das "weniglesende Tyrol"
wurden wir in den Monatblättern der allgemeinen Zeitung erst kürzlich
genannt.

Die Berufung der Jünger Lojola's hat die Besorgnisse der Freunde
einer vernünftigen Jugendbildung und bessern Pflege des Geistes bis
zur bangen Angst gesteigert. Was von der auffallenden Begünstigung
dieses Ordens, der bei der Leitung des akademischen Gymnasiums der
Hauptstadt von den im allgemeinen Stundenplane gegründeten Ver¬
ordnungen und Einrichtungen ausgenommen wurde, was von den
Erfolgen dieser Neuerung, wie sie bis jetzt in Innsbruck zu Tage kom¬
men, was endlich von den Bemühungen der Jesuiten und der Förderer
ihres Trachtens nach Ausbreitung im Lande, nach Erlangung der
Alleinmacht über Studien und Schulen, nach Gütern, Gebäuden und
Capitalien für unsere Zukunft zu erwarten stehe, läßt sich leichter er¬
messen als aussprechen, und wird selbst von schlichten, unbefangenen
Leuten mit Bedauern vorhergesehen. Man schweigt zwar davon dort, wo
man zur freimüthigen Rede verpflichtet wäre. Dagegen wird in Privatzirkeln
und im Innern der Familie die trübe Stimmung laut und findet ihr
Echo bereits in auswärtigen öffentlichen Blättern. Die Partei der¬
jenigen, welche hauptsächlich die zeitliche Herrschaft der Kirche unter
dem Anscheine der Wahrung und Festigung des Staatswohles bezielen,
mühet sich unablässig, jene offene Klage als das Werk weniger gefährlicher
Liberalen, als die Waffe der Feinde des Katholicismus, als strafbare Irre¬
leitung der öffentlichen Meinung zu schildern. Die Zeit wird lehre",
auf welcher Seite die Wahrheit, echte Loyalität und der treue Bieder¬
sinn der Tyroler war. Möchte es unsere wohlmeinende Staatsver¬
waltung recht bald erkennen!

In andern Ländern des deutschen Vaterlandes erheben die stän¬
dischen Versammlungen zur rechten Zeit ihre Stimme vor dem Throne
und erfüllen so den Zweck ihrer Berufung, das Vertrauen rechtferti¬
gend, welches die Regierung wie die Mitbürger in sie setzten. Warum
ist es bei uns nicht also? Wer sich diese Frage unbefangen gelöset
wünscht, thue einen Blick in die Verfassungsurkunde vom 24. März
l8I6, besehe sich den Vorgang der Wahlen zu ständischen Verordneten


Aesthetik an der Landesuniversität durch allerlei Umtriebe dahin ge¬
bracht, die in mehrfacher Rücksicht sehr nützlichen Uebungen in der Kunst
des freien Vortrages schon seit Jahren ruhen zu lassen. Was Wun¬
der, wenn bei so geartetem Vorgehen alle Theilnahme für Kunst und
Wissenschaft verschwindet und die gemeine geistlose Alltäglichkeit in
diesem Lande den Thron behauptet! Das „weniglesende Tyrol"
wurden wir in den Monatblättern der allgemeinen Zeitung erst kürzlich
genannt.

Die Berufung der Jünger Lojola's hat die Besorgnisse der Freunde
einer vernünftigen Jugendbildung und bessern Pflege des Geistes bis
zur bangen Angst gesteigert. Was von der auffallenden Begünstigung
dieses Ordens, der bei der Leitung des akademischen Gymnasiums der
Hauptstadt von den im allgemeinen Stundenplane gegründeten Ver¬
ordnungen und Einrichtungen ausgenommen wurde, was von den
Erfolgen dieser Neuerung, wie sie bis jetzt in Innsbruck zu Tage kom¬
men, was endlich von den Bemühungen der Jesuiten und der Förderer
ihres Trachtens nach Ausbreitung im Lande, nach Erlangung der
Alleinmacht über Studien und Schulen, nach Gütern, Gebäuden und
Capitalien für unsere Zukunft zu erwarten stehe, läßt sich leichter er¬
messen als aussprechen, und wird selbst von schlichten, unbefangenen
Leuten mit Bedauern vorhergesehen. Man schweigt zwar davon dort, wo
man zur freimüthigen Rede verpflichtet wäre. Dagegen wird in Privatzirkeln
und im Innern der Familie die trübe Stimmung laut und findet ihr
Echo bereits in auswärtigen öffentlichen Blättern. Die Partei der¬
jenigen, welche hauptsächlich die zeitliche Herrschaft der Kirche unter
dem Anscheine der Wahrung und Festigung des Staatswohles bezielen,
mühet sich unablässig, jene offene Klage als das Werk weniger gefährlicher
Liberalen, als die Waffe der Feinde des Katholicismus, als strafbare Irre¬
leitung der öffentlichen Meinung zu schildern. Die Zeit wird lehre»,
auf welcher Seite die Wahrheit, echte Loyalität und der treue Bieder¬
sinn der Tyroler war. Möchte es unsere wohlmeinende Staatsver¬
waltung recht bald erkennen!

In andern Ländern des deutschen Vaterlandes erheben die stän¬
dischen Versammlungen zur rechten Zeit ihre Stimme vor dem Throne
und erfüllen so den Zweck ihrer Berufung, das Vertrauen rechtferti¬
gend, welches die Regierung wie die Mitbürger in sie setzten. Warum
ist es bei uns nicht also? Wer sich diese Frage unbefangen gelöset
wünscht, thue einen Blick in die Verfassungsurkunde vom 24. März
l8I6, besehe sich den Vorgang der Wahlen zu ständischen Verordneten


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[0411] Aesthetik an der Landesuniversität durch allerlei Umtriebe dahin ge¬ bracht, die in mehrfacher Rücksicht sehr nützlichen Uebungen in der Kunst des freien Vortrages schon seit Jahren ruhen zu lassen. Was Wun¬ der, wenn bei so geartetem Vorgehen alle Theilnahme für Kunst und Wissenschaft verschwindet und die gemeine geistlose Alltäglichkeit in diesem Lande den Thron behauptet! Das „weniglesende Tyrol" wurden wir in den Monatblättern der allgemeinen Zeitung erst kürzlich genannt. Die Berufung der Jünger Lojola's hat die Besorgnisse der Freunde einer vernünftigen Jugendbildung und bessern Pflege des Geistes bis zur bangen Angst gesteigert. Was von der auffallenden Begünstigung dieses Ordens, der bei der Leitung des akademischen Gymnasiums der Hauptstadt von den im allgemeinen Stundenplane gegründeten Ver¬ ordnungen und Einrichtungen ausgenommen wurde, was von den Erfolgen dieser Neuerung, wie sie bis jetzt in Innsbruck zu Tage kom¬ men, was endlich von den Bemühungen der Jesuiten und der Förderer ihres Trachtens nach Ausbreitung im Lande, nach Erlangung der Alleinmacht über Studien und Schulen, nach Gütern, Gebäuden und Capitalien für unsere Zukunft zu erwarten stehe, läßt sich leichter er¬ messen als aussprechen, und wird selbst von schlichten, unbefangenen Leuten mit Bedauern vorhergesehen. Man schweigt zwar davon dort, wo man zur freimüthigen Rede verpflichtet wäre. Dagegen wird in Privatzirkeln und im Innern der Familie die trübe Stimmung laut und findet ihr Echo bereits in auswärtigen öffentlichen Blättern. Die Partei der¬ jenigen, welche hauptsächlich die zeitliche Herrschaft der Kirche unter dem Anscheine der Wahrung und Festigung des Staatswohles bezielen, mühet sich unablässig, jene offene Klage als das Werk weniger gefährlicher Liberalen, als die Waffe der Feinde des Katholicismus, als strafbare Irre¬ leitung der öffentlichen Meinung zu schildern. Die Zeit wird lehre», auf welcher Seite die Wahrheit, echte Loyalität und der treue Bieder¬ sinn der Tyroler war. Möchte es unsere wohlmeinende Staatsver¬ waltung recht bald erkennen! In andern Ländern des deutschen Vaterlandes erheben die stän¬ dischen Versammlungen zur rechten Zeit ihre Stimme vor dem Throne und erfüllen so den Zweck ihrer Berufung, das Vertrauen rechtferti¬ gend, welches die Regierung wie die Mitbürger in sie setzten. Warum ist es bei uns nicht also? Wer sich diese Frage unbefangen gelöset wünscht, thue einen Blick in die Verfassungsurkunde vom 24. März l8I6, besehe sich den Vorgang der Wahlen zu ständischen Verordneten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/411>, abgerufen am 24.07.2024.