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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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muthige Wort, das sie beleuchtet und die einzelnen Verirrungen und
Schattenseiten derselben nachweist, gewiß nicht minder verdienstvoll,
und wenn wir den Geist des Mannes, von dem hier die Rede ist,
richtig auffassen, so ist eine solche Stimmung ihr eher willkommen als
zuwider.

War jene That im Jahre 1841 gerecht und tief bedacht (obschon
ihr eherner Tritt manchen Gesunden schwer verletzte, Kranke und Ver¬
wundete sogar tödtete), wurde die Beseitigung krankhafter Zustände
zur Rettung des bedrohten mercantilischen Körpers nothwendig befun¬
den, so folgt doch daraus uicht, daß ein fortgesetztes asthenisches Sy¬
stem am heilkräftigsten und zuträglichsten sei.

In der stürmisch durchzuckten Periode des Jahres 1841 war der
Stand des Silbervorraths der Bank 12 Millionen, derjenige des
Bankportefeuilles 37 Millionen. Letzterer ist heute ungefähr auf den¬
selben Betrag gekommen; allein der Silbcrvorrath ist auf nahe an
100 Millionen angewachsen, und hat mithin sich und sein Verhältniß
zum Bankportefeuille verachtfacht. Die Zeit ist sowohl in der po¬
litischen wie in der Handelswelt eine normale und ruhige geworden,
viele Staatseffecten, die damals gewissermaßen noch "herrenlos" um¬
herirrten, haben sich placirt, bedeutende Eisenbahnunternehmungen, die
damals im Entstehen waren, sind vollendet oder ihrer Vollendung
nahe gebracht worden, Handel und Industrie aber haben eben seit den
letztverflossenen vier Jahren einen ganz besondern Aufschwung gewon¬
nen, nehmen aber natürlich dadurch auch erweiterte Creditbedurfnisse
in Anspruch.

Dieser Zusammenstellung von Umständen gegenüber, zu welchen
noch eine durchaus beruhigende Platzlage gerechnet werden muß, er¬
scheint die hyperängstliche Controle, welche jeglicher Vermehrung des
Bankporteseuilles unterliegt, um so weniger erklärlich, als die Beengung
und Lähmung, welche dadurch für den unmittelbar betroffenen Kreis
entsteht, sich den weiteren mittheilt, mit welchen derselbe in unmittel¬
barer Berührung eng verbunden ist.

So wenig wie im physischen Leben das Heilmittel für den Kran¬
ken, und die Wassersuppen, auf welche ihn der weise Arzt reducirt,
dem Genesenen und Erstarkteil weiterhin frommen können, so wenig
kann die glückliche Behandlung einer erkrankten Zeit sich zur Norm
für andere Perioden herausstellen. Belege hierfür finden wir, wenn
wir nicht bei 184" stehen bleiben, sondern zu den antediluvianischett
Jahren aufsteigen, in welchen auf eine für die Staats-, wie Bank-,


muthige Wort, das sie beleuchtet und die einzelnen Verirrungen und
Schattenseiten derselben nachweist, gewiß nicht minder verdienstvoll,
und wenn wir den Geist des Mannes, von dem hier die Rede ist,
richtig auffassen, so ist eine solche Stimmung ihr eher willkommen als
zuwider.

War jene That im Jahre 1841 gerecht und tief bedacht (obschon
ihr eherner Tritt manchen Gesunden schwer verletzte, Kranke und Ver¬
wundete sogar tödtete), wurde die Beseitigung krankhafter Zustände
zur Rettung des bedrohten mercantilischen Körpers nothwendig befun¬
den, so folgt doch daraus uicht, daß ein fortgesetztes asthenisches Sy¬
stem am heilkräftigsten und zuträglichsten sei.

In der stürmisch durchzuckten Periode des Jahres 1841 war der
Stand des Silbervorraths der Bank 12 Millionen, derjenige des
Bankportefeuilles 37 Millionen. Letzterer ist heute ungefähr auf den¬
selben Betrag gekommen; allein der Silbcrvorrath ist auf nahe an
100 Millionen angewachsen, und hat mithin sich und sein Verhältniß
zum Bankportefeuille verachtfacht. Die Zeit ist sowohl in der po¬
litischen wie in der Handelswelt eine normale und ruhige geworden,
viele Staatseffecten, die damals gewissermaßen noch „herrenlos" um¬
herirrten, haben sich placirt, bedeutende Eisenbahnunternehmungen, die
damals im Entstehen waren, sind vollendet oder ihrer Vollendung
nahe gebracht worden, Handel und Industrie aber haben eben seit den
letztverflossenen vier Jahren einen ganz besondern Aufschwung gewon¬
nen, nehmen aber natürlich dadurch auch erweiterte Creditbedurfnisse
in Anspruch.

Dieser Zusammenstellung von Umständen gegenüber, zu welchen
noch eine durchaus beruhigende Platzlage gerechnet werden muß, er¬
scheint die hyperängstliche Controle, welche jeglicher Vermehrung des
Bankporteseuilles unterliegt, um so weniger erklärlich, als die Beengung
und Lähmung, welche dadurch für den unmittelbar betroffenen Kreis
entsteht, sich den weiteren mittheilt, mit welchen derselbe in unmittel¬
barer Berührung eng verbunden ist.

So wenig wie im physischen Leben das Heilmittel für den Kran¬
ken, und die Wassersuppen, auf welche ihn der weise Arzt reducirt,
dem Genesenen und Erstarkteil weiterhin frommen können, so wenig
kann die glückliche Behandlung einer erkrankten Zeit sich zur Norm
für andere Perioden herausstellen. Belege hierfür finden wir, wenn
wir nicht bei 184» stehen bleiben, sondern zu den antediluvianischett
Jahren aufsteigen, in welchen auf eine für die Staats-, wie Bank-,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/386>, abgerufen am 24.07.2024.