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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Söhne und Töchter stehen alle mit nur geringem Standesunterschiede
unter dem Herrn des Hofes, der nicht nur über seinen eigenen Hof,
sondern auch über mehre Köller und Hintersassen mit derselben Würde
und Macht gebietet, die nur bei Königen imponirt und schon den
Adel so lächerlich macht. Der Schulze ist der Souverain des Hofes,
welcher immer ein Majorat ist, so daß er nie durch Erbtheilung zer¬
splittert werden kann. Die nachgebornen Kinder stehen zum ältesten
Sohne in einem sehr untergeordneten Verhältniß; sie dienen meistens
als Knechte und Mägde bei ihm, werden Handwerker oder Tagelöh¬
ner oder studiren katholische Theologie. Die Abfindung ist im Ver¬
gleich zum Werthe des Gutes sehr gering, so daß das Gut in der
Regel nicht sehr mit Schulden belastet wird. Da trotzdem oft ein
Schulze 20,0V0 Rthlr. und mehr an seine jüngern Geschwister bei
Antretung des Hofes bezahlen muß, so erhellt daraus, von welchem
beträchtlichen Umfange ein solches Gut sein muß.

Ein derartiger Schützenhof besteht aus einem Compler von Ge¬
bäuden, deren Umfang schon von vornherein auf ungeheure Getreide-
Vorräthe des Besitzers schließen lassen. Das Ganze ist entweder von
einer Einfriedigung oder einem Graben umschlossen. Das meist ein¬
stöckige Wohnhaus, das von außen an den blankgeputzten Fenster¬
scheiben und grünen Läden, wie an den freundlichen Reben, die sich
an den Wänden heraufranlen, kenntlich ist, schließt sich bescheiden, aber
behaglich, an die Tenne an, deren Boden hart mit Lehm gestampft
ist, so daß man darauf dreschen kann. Das Geräusch, welches diese
Arbeit hervorbringt, durchdringt alle Zimmer, so daß am Morgen
schon um 3 oder 4 Uhr Niemand im ganzen Hause mehr schlafen
kann. Die Stallungen sind auf den großen Höfen vom Wohnhause
getrennt, da sie ihrer Ausdehnung wegen eigene Gebäude erfordern.
Die Dächer dieser Stauungen werden zu Scheunen benutzt; Kammern
sind abgetrennt sür die Knechte, denen die Wartung des Viehes ob¬
liegt. Alle diese Gebäude umschließen einen Hof, der aber nur selten
reinlich und freundlich aussteht, da er gewöhnlich zur Düngergrube
benutzt wird. Hier und da findet man ihn allerdings mit Kastanten
und Eichen bepflanzt und bepflastert, was einen um so angenehmem
Eindruck macht, da der Anblick der Düngergruben für Jeden unaus¬
stehlich ist, der sich noch nicht daran gewöhnt hat, das Nützliche auch
zugleich schön zu finden.

Die Gärten sind blos dazu da, um Kartoffeln, Gemüse und Obst


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Söhne und Töchter stehen alle mit nur geringem Standesunterschiede
unter dem Herrn des Hofes, der nicht nur über seinen eigenen Hof,
sondern auch über mehre Köller und Hintersassen mit derselben Würde
und Macht gebietet, die nur bei Königen imponirt und schon den
Adel so lächerlich macht. Der Schulze ist der Souverain des Hofes,
welcher immer ein Majorat ist, so daß er nie durch Erbtheilung zer¬
splittert werden kann. Die nachgebornen Kinder stehen zum ältesten
Sohne in einem sehr untergeordneten Verhältniß; sie dienen meistens
als Knechte und Mägde bei ihm, werden Handwerker oder Tagelöh¬
ner oder studiren katholische Theologie. Die Abfindung ist im Ver¬
gleich zum Werthe des Gutes sehr gering, so daß das Gut in der
Regel nicht sehr mit Schulden belastet wird. Da trotzdem oft ein
Schulze 20,0V0 Rthlr. und mehr an seine jüngern Geschwister bei
Antretung des Hofes bezahlen muß, so erhellt daraus, von welchem
beträchtlichen Umfange ein solches Gut sein muß.

Ein derartiger Schützenhof besteht aus einem Compler von Ge¬
bäuden, deren Umfang schon von vornherein auf ungeheure Getreide-
Vorräthe des Besitzers schließen lassen. Das Ganze ist entweder von
einer Einfriedigung oder einem Graben umschlossen. Das meist ein¬
stöckige Wohnhaus, das von außen an den blankgeputzten Fenster¬
scheiben und grünen Läden, wie an den freundlichen Reben, die sich
an den Wänden heraufranlen, kenntlich ist, schließt sich bescheiden, aber
behaglich, an die Tenne an, deren Boden hart mit Lehm gestampft
ist, so daß man darauf dreschen kann. Das Geräusch, welches diese
Arbeit hervorbringt, durchdringt alle Zimmer, so daß am Morgen
schon um 3 oder 4 Uhr Niemand im ganzen Hause mehr schlafen
kann. Die Stallungen sind auf den großen Höfen vom Wohnhause
getrennt, da sie ihrer Ausdehnung wegen eigene Gebäude erfordern.
Die Dächer dieser Stauungen werden zu Scheunen benutzt; Kammern
sind abgetrennt sür die Knechte, denen die Wartung des Viehes ob¬
liegt. Alle diese Gebäude umschließen einen Hof, der aber nur selten
reinlich und freundlich aussteht, da er gewöhnlich zur Düngergrube
benutzt wird. Hier und da findet man ihn allerdings mit Kastanten
und Eichen bepflanzt und bepflastert, was einen um so angenehmem
Eindruck macht, da der Anblick der Düngergruben für Jeden unaus¬
stehlich ist, der sich noch nicht daran gewöhnt hat, das Nützliche auch
zugleich schön zu finden.

Die Gärten sind blos dazu da, um Kartoffeln, Gemüse und Obst


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[0377] Söhne und Töchter stehen alle mit nur geringem Standesunterschiede unter dem Herrn des Hofes, der nicht nur über seinen eigenen Hof, sondern auch über mehre Köller und Hintersassen mit derselben Würde und Macht gebietet, die nur bei Königen imponirt und schon den Adel so lächerlich macht. Der Schulze ist der Souverain des Hofes, welcher immer ein Majorat ist, so daß er nie durch Erbtheilung zer¬ splittert werden kann. Die nachgebornen Kinder stehen zum ältesten Sohne in einem sehr untergeordneten Verhältniß; sie dienen meistens als Knechte und Mägde bei ihm, werden Handwerker oder Tagelöh¬ ner oder studiren katholische Theologie. Die Abfindung ist im Ver¬ gleich zum Werthe des Gutes sehr gering, so daß das Gut in der Regel nicht sehr mit Schulden belastet wird. Da trotzdem oft ein Schulze 20,0V0 Rthlr. und mehr an seine jüngern Geschwister bei Antretung des Hofes bezahlen muß, so erhellt daraus, von welchem beträchtlichen Umfange ein solches Gut sein muß. Ein derartiger Schützenhof besteht aus einem Compler von Ge¬ bäuden, deren Umfang schon von vornherein auf ungeheure Getreide- Vorräthe des Besitzers schließen lassen. Das Ganze ist entweder von einer Einfriedigung oder einem Graben umschlossen. Das meist ein¬ stöckige Wohnhaus, das von außen an den blankgeputzten Fenster¬ scheiben und grünen Läden, wie an den freundlichen Reben, die sich an den Wänden heraufranlen, kenntlich ist, schließt sich bescheiden, aber behaglich, an die Tenne an, deren Boden hart mit Lehm gestampft ist, so daß man darauf dreschen kann. Das Geräusch, welches diese Arbeit hervorbringt, durchdringt alle Zimmer, so daß am Morgen schon um 3 oder 4 Uhr Niemand im ganzen Hause mehr schlafen kann. Die Stallungen sind auf den großen Höfen vom Wohnhause getrennt, da sie ihrer Ausdehnung wegen eigene Gebäude erfordern. Die Dächer dieser Stauungen werden zu Scheunen benutzt; Kammern sind abgetrennt sür die Knechte, denen die Wartung des Viehes ob¬ liegt. Alle diese Gebäude umschließen einen Hof, der aber nur selten reinlich und freundlich aussteht, da er gewöhnlich zur Düngergrube benutzt wird. Hier und da findet man ihn allerdings mit Kastanten und Eichen bepflanzt und bepflastert, was einen um so angenehmem Eindruck macht, da der Anblick der Düngergruben für Jeden unaus¬ stehlich ist, der sich noch nicht daran gewöhnt hat, das Nützliche auch zugleich schön zu finden. Die Gärten sind blos dazu da, um Kartoffeln, Gemüse und Obst 50»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/377>, abgerufen am 24.07.2024.