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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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verdient? Wer die Politik Hannovers dem Zollvereine gegenüber beob¬
achtet hat, der kann nicht zweifeln, daß diese Macht stets den Einflüste¬
rungen Englands zum Werkzeug sich hergegeben hat, um, wo es nur
konnte, dem Zollvereine einen Prügel in den Weg zu legen. Woher
also plötzlich diese Freundlichkeit gegen den unfreundlichen Nachbar? Mit
Bestimmtheit wird Baiern im Einverständnisse mit Baden und Würtem-
berg diesem hannöverschen Tractate die Ratifikation so lange verweigern,
bis nicht einige Punkte desselben geändert werden. In welcher Weise
diese Aenderung geschehen darf, ist noch ein Geheimnis!, doch dürfte der
Ausweg darin bestehen, daß man in dem Tractat einen Unterschied zwi¬
schen Hand- und Maschinengespinnst einführt, obgleich auch dieser Ausweg
seine großen Schwierigkeiten hat. Wahrlich, auch Baiern ist gern
geneigt, jede Wolke, die das gute Einverständnis^ der deutschen Staaten
unter einander bedrohen könnte, fern zu halten, aber wir glauben mit
Recht beanspruchen zu können, daß man auch die Interessen des deutschen
Südens berücksichtige und ihm nicht unter dem Scheine der deutschen
^X. Einheit die Aufopferung seines Wohlstandes zumuthe.


V.
Notizen.

We>S veweis't die Amnestie'! -- Publicistische Fruchtbarkeit. - Frciligrctth. --
Graf Andriani. -- Deutsche Heimlichkeit. --

-- Der maßlose Jubel, den die päpstliche Amnestie im ganzen Kir¬
chenstaat hervorbrachte, stellt es erst an's Licht, wie weit verzweigt die Re-
volutionsvcrsuche dort gewesen sein müssen. Wo alle Stände, die höch¬
sten , wie die niedrigsten mit solcher Freudenwuth ein solches Ereignis;
feiern, da müssen auch alle Stände dabei betheiligt sein. Es gibt Staa¬
ten und Länder, wo der politische Stumpfsinn und die Unbekanntschaft
mit allen politischen Dingen so groß ist, daß, wenn heute eine Amnestie
erklärt würde, das gemeine Volk sich gar nicht darum bekümmern würde
und die höhern Stände ihren Beifall höchstens in einigen kühlen Worten
ablegten. Daß bei den Romagnolen die Amnestie wie ein Blitz in die
Pulvertonne siel, zeigt eben, wie viele Familien ihre Angehörigen bei den
politischen Bewegungen hatten, und es zeigr zugleich, welche Sympathien
für diese politisch Eompromittirten im Volke lebt und endlich, wie trotz
des schärfsten Preßzwangö die politische Bewegung von Mund zu Mund
sich fortpflanzte. --

Die Verbannung scheint nicht blos den Charakter zu stählen, sondern
auch die Gedanken zu befruchten. Zwei aus ihrer Heimath verbannte
deutsche Schriftsteller, der Oesterreicher, Franz Schuselka und der Preuße,
Carl Heinzen sind jetzt wohl die fruchtbarsten unter allen unsern Pud-


verdient? Wer die Politik Hannovers dem Zollvereine gegenüber beob¬
achtet hat, der kann nicht zweifeln, daß diese Macht stets den Einflüste¬
rungen Englands zum Werkzeug sich hergegeben hat, um, wo es nur
konnte, dem Zollvereine einen Prügel in den Weg zu legen. Woher
also plötzlich diese Freundlichkeit gegen den unfreundlichen Nachbar? Mit
Bestimmtheit wird Baiern im Einverständnisse mit Baden und Würtem-
berg diesem hannöverschen Tractate die Ratifikation so lange verweigern,
bis nicht einige Punkte desselben geändert werden. In welcher Weise
diese Aenderung geschehen darf, ist noch ein Geheimnis!, doch dürfte der
Ausweg darin bestehen, daß man in dem Tractat einen Unterschied zwi¬
schen Hand- und Maschinengespinnst einführt, obgleich auch dieser Ausweg
seine großen Schwierigkeiten hat. Wahrlich, auch Baiern ist gern
geneigt, jede Wolke, die das gute Einverständnis^ der deutschen Staaten
unter einander bedrohen könnte, fern zu halten, aber wir glauben mit
Recht beanspruchen zu können, daß man auch die Interessen des deutschen
Südens berücksichtige und ihm nicht unter dem Scheine der deutschen
^X. Einheit die Aufopferung seines Wohlstandes zumuthe.


V.
Notizen.

We>S veweis't die Amnestie'! — Publicistische Fruchtbarkeit. - Frciligrctth. —
Graf Andriani. — Deutsche Heimlichkeit. —

— Der maßlose Jubel, den die päpstliche Amnestie im ganzen Kir¬
chenstaat hervorbrachte, stellt es erst an's Licht, wie weit verzweigt die Re-
volutionsvcrsuche dort gewesen sein müssen. Wo alle Stände, die höch¬
sten , wie die niedrigsten mit solcher Freudenwuth ein solches Ereignis;
feiern, da müssen auch alle Stände dabei betheiligt sein. Es gibt Staa¬
ten und Länder, wo der politische Stumpfsinn und die Unbekanntschaft
mit allen politischen Dingen so groß ist, daß, wenn heute eine Amnestie
erklärt würde, das gemeine Volk sich gar nicht darum bekümmern würde
und die höhern Stände ihren Beifall höchstens in einigen kühlen Worten
ablegten. Daß bei den Romagnolen die Amnestie wie ein Blitz in die
Pulvertonne siel, zeigt eben, wie viele Familien ihre Angehörigen bei den
politischen Bewegungen hatten, und es zeigr zugleich, welche Sympathien
für diese politisch Eompromittirten im Volke lebt und endlich, wie trotz
des schärfsten Preßzwangö die politische Bewegung von Mund zu Mund
sich fortpflanzte. —

Die Verbannung scheint nicht blos den Charakter zu stählen, sondern
auch die Gedanken zu befruchten. Zwei aus ihrer Heimath verbannte
deutsche Schriftsteller, der Oesterreicher, Franz Schuselka und der Preuße,
Carl Heinzen sind jetzt wohl die fruchtbarsten unter allen unsern Pud-


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[0364] verdient? Wer die Politik Hannovers dem Zollvereine gegenüber beob¬ achtet hat, der kann nicht zweifeln, daß diese Macht stets den Einflüste¬ rungen Englands zum Werkzeug sich hergegeben hat, um, wo es nur konnte, dem Zollvereine einen Prügel in den Weg zu legen. Woher also plötzlich diese Freundlichkeit gegen den unfreundlichen Nachbar? Mit Bestimmtheit wird Baiern im Einverständnisse mit Baden und Würtem- berg diesem hannöverschen Tractate die Ratifikation so lange verweigern, bis nicht einige Punkte desselben geändert werden. In welcher Weise diese Aenderung geschehen darf, ist noch ein Geheimnis!, doch dürfte der Ausweg darin bestehen, daß man in dem Tractat einen Unterschied zwi¬ schen Hand- und Maschinengespinnst einführt, obgleich auch dieser Ausweg seine großen Schwierigkeiten hat. Wahrlich, auch Baiern ist gern geneigt, jede Wolke, die das gute Einverständnis^ der deutschen Staaten unter einander bedrohen könnte, fern zu halten, aber wir glauben mit Recht beanspruchen zu können, daß man auch die Interessen des deutschen Südens berücksichtige und ihm nicht unter dem Scheine der deutschen ^X. Einheit die Aufopferung seines Wohlstandes zumuthe. V. Notizen. We>S veweis't die Amnestie'! — Publicistische Fruchtbarkeit. - Frciligrctth. — Graf Andriani. — Deutsche Heimlichkeit. — — Der maßlose Jubel, den die päpstliche Amnestie im ganzen Kir¬ chenstaat hervorbrachte, stellt es erst an's Licht, wie weit verzweigt die Re- volutionsvcrsuche dort gewesen sein müssen. Wo alle Stände, die höch¬ sten , wie die niedrigsten mit solcher Freudenwuth ein solches Ereignis; feiern, da müssen auch alle Stände dabei betheiligt sein. Es gibt Staa¬ ten und Länder, wo der politische Stumpfsinn und die Unbekanntschaft mit allen politischen Dingen so groß ist, daß, wenn heute eine Amnestie erklärt würde, das gemeine Volk sich gar nicht darum bekümmern würde und die höhern Stände ihren Beifall höchstens in einigen kühlen Worten ablegten. Daß bei den Romagnolen die Amnestie wie ein Blitz in die Pulvertonne siel, zeigt eben, wie viele Familien ihre Angehörigen bei den politischen Bewegungen hatten, und es zeigr zugleich, welche Sympathien für diese politisch Eompromittirten im Volke lebt und endlich, wie trotz des schärfsten Preßzwangö die politische Bewegung von Mund zu Mund sich fortpflanzte. — Die Verbannung scheint nicht blos den Charakter zu stählen, sondern auch die Gedanken zu befruchten. Zwei aus ihrer Heimath verbannte deutsche Schriftsteller, der Oesterreicher, Franz Schuselka und der Preuße, Carl Heinzen sind jetzt wohl die fruchtbarsten unter allen unsern Pud-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/364>, abgerufen am 04.07.2024.