Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
M.
Ans Wie",
I.

Außerordentliches Aufsehen macht hier der plötzliche Rücktritt des Gouver¬
neurs, Gras Stadion in Trieft, der ohne daß man darauf gefaßt, seine Stelle
niederlegte, und wie Einige behaupten, sogleichnach London ging, -- was jedoch
schwer zu glauben ist, da man selbst, wenn man seine Stelle niederlegt, erst
von ihren Pflichten entbunden werden muß, bevor man über sich selbst
verfügen kann. Graf Stadion ist der ältere Bruder des so eben nach
Galizien beorderten Hofcommissärs (der bisher Gouverneur von Mähren
war). Das Gerücht sagt, der Triester Stadion habe sich gekränkt gefühlt,
daß man den jüngern Bruder, der auch jünger im Staatsdienste ist, ihm
vorgezogen habe bei der Ernennung zu einem so wichtigen, thatenvollen
Posten. Beide Stations sind talentvolle und hochgesinnte Männer, doch
ist es allerdings nicht zu leugnen, daß der Triester Se. auf seinem viel
wichtigern Posten bisher mehr Gelegenheit hatte, seine Capacität und
Charakterfestigkeit zu beweisen, als der jüngere Bruder. Doch gibt es
viele Personen, die an diese Eifersüchtelei durchaus nicht glauben wolle",
vielmehr der Abdankung des altern Se. eine andere Ursache unterlegen
und es blos als Zufall erklären, daß jene mit der Ernennung des jün¬
gern Bruders nach Galizien zusammentrifft. Hat doch sogar eben dieser
Triester Stadion zu Gunsten des jüngern Bruders auf sein Majorat
verzichtet. Diese Majoratsverzichtung ist jedoch kein Beweisgrund. Das
Stadionische Majorat, mit welchem der Titel "Erlaucht" verbunden ist,
scheint eine schwierige Clausel zu haben, wahrscheinlich in Bezug auf
Ebenbürtigkeit bei der Berchlichung. Der älteste von den vier Stadioni¬
schen Brüdern, der nicht ebenbürtig sich vermählte, trat Titel und Ma¬
jorat an den zweiten, dieser an den dritten und dieser endlich an den
vierten Bruder ab. -- Lange kann übrigens die Ursache dieser rärhsel-
haften Abdankung von einem so hohen Posten (eine Erscheinung, die in
Oesterreich eine Seltenheit ist, und immerhin einen außergewöhnlichen
Charakter verräth) kein Geheimniß bleiben. -- -- Die heute hier einge-
troffene Nummer des "Rheinischen Beobachters" enthält eine Eorrespon-
denz aus Wien, worin von dem Besuche des preußischen Monarchen beim
Fürsten Metternich die Rede ist. Die Redaction dieses preußischen Re¬
gierungsblattes glossirt diese Correspondenz mit einer spitzen Anmerkung,
worin die "Herrn Wiener" gewarnt werden, nicht so eitel zu sein und
sich einzureden, Preußens König befrage den Fürsten von Metternich um
Rath in Bezug auf die Verfassung feines Landes. Es sei schön, daß
die beiden Regierungen im guten Einverständnisse leben, aber Preußen
sei gewohnt, selbstständig zu handeln u. s. w." Dieses Raisonnement ist
ganz richtig- Wir fragen aber den Herrn Rheinischen Beobachter, wie
es kommt, daß er jetzt, wo das Gerücht vom österreichischen Einflüsse


M.
Ans Wie»,
I.

Außerordentliches Aufsehen macht hier der plötzliche Rücktritt des Gouver¬
neurs, Gras Stadion in Trieft, der ohne daß man darauf gefaßt, seine Stelle
niederlegte, und wie Einige behaupten, sogleichnach London ging, — was jedoch
schwer zu glauben ist, da man selbst, wenn man seine Stelle niederlegt, erst
von ihren Pflichten entbunden werden muß, bevor man über sich selbst
verfügen kann. Graf Stadion ist der ältere Bruder des so eben nach
Galizien beorderten Hofcommissärs (der bisher Gouverneur von Mähren
war). Das Gerücht sagt, der Triester Stadion habe sich gekränkt gefühlt,
daß man den jüngern Bruder, der auch jünger im Staatsdienste ist, ihm
vorgezogen habe bei der Ernennung zu einem so wichtigen, thatenvollen
Posten. Beide Stations sind talentvolle und hochgesinnte Männer, doch
ist es allerdings nicht zu leugnen, daß der Triester Se. auf seinem viel
wichtigern Posten bisher mehr Gelegenheit hatte, seine Capacität und
Charakterfestigkeit zu beweisen, als der jüngere Bruder. Doch gibt es
viele Personen, die an diese Eifersüchtelei durchaus nicht glauben wolle»,
vielmehr der Abdankung des altern Se. eine andere Ursache unterlegen
und es blos als Zufall erklären, daß jene mit der Ernennung des jün¬
gern Bruders nach Galizien zusammentrifft. Hat doch sogar eben dieser
Triester Stadion zu Gunsten des jüngern Bruders auf sein Majorat
verzichtet. Diese Majoratsverzichtung ist jedoch kein Beweisgrund. Das
Stadionische Majorat, mit welchem der Titel „Erlaucht" verbunden ist,
scheint eine schwierige Clausel zu haben, wahrscheinlich in Bezug auf
Ebenbürtigkeit bei der Berchlichung. Der älteste von den vier Stadioni¬
schen Brüdern, der nicht ebenbürtig sich vermählte, trat Titel und Ma¬
jorat an den zweiten, dieser an den dritten und dieser endlich an den
vierten Bruder ab. — Lange kann übrigens die Ursache dieser rärhsel-
haften Abdankung von einem so hohen Posten (eine Erscheinung, die in
Oesterreich eine Seltenheit ist, und immerhin einen außergewöhnlichen
Charakter verräth) kein Geheimniß bleiben. — — Die heute hier einge-
troffene Nummer des „Rheinischen Beobachters" enthält eine Eorrespon-
denz aus Wien, worin von dem Besuche des preußischen Monarchen beim
Fürsten Metternich die Rede ist. Die Redaction dieses preußischen Re¬
gierungsblattes glossirt diese Correspondenz mit einer spitzen Anmerkung,
worin die „Herrn Wiener" gewarnt werden, nicht so eitel zu sein und
sich einzureden, Preußens König befrage den Fürsten von Metternich um
Rath in Bezug auf die Verfassung feines Landes. Es sei schön, daß
die beiden Regierungen im guten Einverständnisse leben, aber Preußen
sei gewohnt, selbstständig zu handeln u. s. w.« Dieses Raisonnement ist
ganz richtig- Wir fragen aber den Herrn Rheinischen Beobachter, wie
es kommt, daß er jetzt, wo das Gerücht vom österreichischen Einflüsse


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183380"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> M.<lb/>
Ans Wie»,</head><lb/>
            <div n="3">
              <head> I.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_1071" next="#ID_1072"> Außerordentliches Aufsehen macht hier der plötzliche Rücktritt des Gouver¬<lb/>
neurs, Gras Stadion in Trieft, der ohne daß man darauf gefaßt, seine Stelle<lb/>
niederlegte, und wie Einige behaupten, sogleichnach London ging, &#x2014; was jedoch<lb/>
schwer zu glauben ist, da man selbst, wenn man seine Stelle niederlegt, erst<lb/>
von ihren Pflichten entbunden werden muß, bevor man über sich selbst<lb/>
verfügen kann. Graf Stadion ist der ältere Bruder des so eben nach<lb/>
Galizien beorderten Hofcommissärs (der bisher Gouverneur von Mähren<lb/>
war). Das Gerücht sagt, der Triester Stadion habe sich gekränkt gefühlt,<lb/>
daß man den jüngern Bruder, der auch jünger im Staatsdienste ist, ihm<lb/>
vorgezogen habe bei der Ernennung zu einem so wichtigen, thatenvollen<lb/>
Posten. Beide Stations sind talentvolle und hochgesinnte Männer, doch<lb/>
ist es allerdings nicht zu leugnen, daß der Triester Se. auf seinem viel<lb/>
wichtigern Posten bisher mehr Gelegenheit hatte, seine Capacität und<lb/>
Charakterfestigkeit zu beweisen, als der jüngere Bruder. Doch gibt es<lb/>
viele Personen, die an diese Eifersüchtelei durchaus nicht glauben wolle»,<lb/>
vielmehr der Abdankung des altern Se. eine andere Ursache unterlegen<lb/>
und es blos als Zufall erklären, daß jene mit der Ernennung des jün¬<lb/>
gern Bruders nach Galizien zusammentrifft. Hat doch sogar eben dieser<lb/>
Triester Stadion zu Gunsten des jüngern Bruders auf sein Majorat<lb/>
verzichtet. Diese Majoratsverzichtung ist jedoch kein Beweisgrund. Das<lb/>
Stadionische Majorat, mit welchem der Titel &#x201E;Erlaucht" verbunden ist,<lb/>
scheint eine schwierige Clausel zu haben, wahrscheinlich in Bezug auf<lb/>
Ebenbürtigkeit bei der Berchlichung. Der älteste von den vier Stadioni¬<lb/>
schen Brüdern, der nicht ebenbürtig sich vermählte, trat Titel und Ma¬<lb/>
jorat an den zweiten, dieser an den dritten und dieser endlich an den<lb/>
vierten Bruder ab. &#x2014; Lange kann übrigens die Ursache dieser rärhsel-<lb/>
haften Abdankung von einem so hohen Posten (eine Erscheinung, die in<lb/>
Oesterreich eine Seltenheit ist, und immerhin einen außergewöhnlichen<lb/>
Charakter verräth) kein Geheimniß bleiben. &#x2014; &#x2014; Die heute hier einge-<lb/>
troffene Nummer des &#x201E;Rheinischen Beobachters" enthält eine Eorrespon-<lb/>
denz aus Wien, worin von dem Besuche des preußischen Monarchen beim<lb/>
Fürsten Metternich die Rede ist. Die Redaction dieses preußischen Re¬<lb/>
gierungsblattes glossirt diese Correspondenz mit einer spitzen Anmerkung,<lb/>
worin die &#x201E;Herrn Wiener" gewarnt werden, nicht so eitel zu sein und<lb/>
sich einzureden, Preußens König befrage den Fürsten von Metternich um<lb/>
Rath in Bezug auf die Verfassung feines Landes. Es sei schön, daß<lb/>
die beiden Regierungen im guten Einverständnisse leben, aber Preußen<lb/>
sei gewohnt, selbstständig zu handeln u. s. w.« Dieses Raisonnement ist<lb/>
ganz richtig- Wir fragen aber den Herrn Rheinischen Beobachter, wie<lb/>
es kommt, daß er jetzt, wo das Gerücht vom österreichischen Einflüsse</p><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0359] M. Ans Wie», I. Außerordentliches Aufsehen macht hier der plötzliche Rücktritt des Gouver¬ neurs, Gras Stadion in Trieft, der ohne daß man darauf gefaßt, seine Stelle niederlegte, und wie Einige behaupten, sogleichnach London ging, — was jedoch schwer zu glauben ist, da man selbst, wenn man seine Stelle niederlegt, erst von ihren Pflichten entbunden werden muß, bevor man über sich selbst verfügen kann. Graf Stadion ist der ältere Bruder des so eben nach Galizien beorderten Hofcommissärs (der bisher Gouverneur von Mähren war). Das Gerücht sagt, der Triester Stadion habe sich gekränkt gefühlt, daß man den jüngern Bruder, der auch jünger im Staatsdienste ist, ihm vorgezogen habe bei der Ernennung zu einem so wichtigen, thatenvollen Posten. Beide Stations sind talentvolle und hochgesinnte Männer, doch ist es allerdings nicht zu leugnen, daß der Triester Se. auf seinem viel wichtigern Posten bisher mehr Gelegenheit hatte, seine Capacität und Charakterfestigkeit zu beweisen, als der jüngere Bruder. Doch gibt es viele Personen, die an diese Eifersüchtelei durchaus nicht glauben wolle», vielmehr der Abdankung des altern Se. eine andere Ursache unterlegen und es blos als Zufall erklären, daß jene mit der Ernennung des jün¬ gern Bruders nach Galizien zusammentrifft. Hat doch sogar eben dieser Triester Stadion zu Gunsten des jüngern Bruders auf sein Majorat verzichtet. Diese Majoratsverzichtung ist jedoch kein Beweisgrund. Das Stadionische Majorat, mit welchem der Titel „Erlaucht" verbunden ist, scheint eine schwierige Clausel zu haben, wahrscheinlich in Bezug auf Ebenbürtigkeit bei der Berchlichung. Der älteste von den vier Stadioni¬ schen Brüdern, der nicht ebenbürtig sich vermählte, trat Titel und Ma¬ jorat an den zweiten, dieser an den dritten und dieser endlich an den vierten Bruder ab. — Lange kann übrigens die Ursache dieser rärhsel- haften Abdankung von einem so hohen Posten (eine Erscheinung, die in Oesterreich eine Seltenheit ist, und immerhin einen außergewöhnlichen Charakter verräth) kein Geheimniß bleiben. — — Die heute hier einge- troffene Nummer des „Rheinischen Beobachters" enthält eine Eorrespon- denz aus Wien, worin von dem Besuche des preußischen Monarchen beim Fürsten Metternich die Rede ist. Die Redaction dieses preußischen Re¬ gierungsblattes glossirt diese Correspondenz mit einer spitzen Anmerkung, worin die „Herrn Wiener" gewarnt werden, nicht so eitel zu sein und sich einzureden, Preußens König befrage den Fürsten von Metternich um Rath in Bezug auf die Verfassung feines Landes. Es sei schön, daß die beiden Regierungen im guten Einverständnisse leben, aber Preußen sei gewohnt, selbstständig zu handeln u. s. w.« Dieses Raisonnement ist ganz richtig- Wir fragen aber den Herrn Rheinischen Beobachter, wie es kommt, daß er jetzt, wo das Gerücht vom österreichischen Einflüsse

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/359
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/359>, abgerufen am 24.07.2024.