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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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den kann, und grade jetzt, wo man seine Ausgleichung mit vereinten
Kräften auf allen Gebieten anstrebt, um so schwieriger geworden ist,
seitdem die deutsche Verminst viel unmittelbarer die Vernunft erkennt,
als Vernunft schlechthin, denn durch die Um- und Rückkehr zu einer
neuen Logik des Deutschthums und als die wissenschaftliche Befreiung
einen neuen Vorsprung gewonnen, dessen Bedeutung den Herzschlag
der ganzen Menschheit selber trifft. Wollte man es nicht mißdeuten,
so meinten wir, Gold und Wesen enthält nur die deutsche Lehre, die
deutsche Praxis aber Schein und Spiel, und wie dies Verhältniß die
Quelle der schwungvollen Innigkeit in der Poesie, so ist eS hinwieder
im wirklichen Leben die Ursache vielfacher Irrthümer und mißglückte?
Selbstvermittelungen. Mau hat sich im Allgemeinen gewöhnt, in der
Freiheit des Worts die Freiheit der Sache, in ihrer Permission ihre
Position zu erblicken und zu glaube", wenn man nur dabei zwischen
Gedanke und That unterscheidet, sogar dein Fortschritt Concessionen
erzwungen zu habe", wen" "es jetzt doch schon erlaubt sei, national
zu sein/' Wir wissen, wie diese "Erlaubniß" benutzt, ja abgenutzt wird.
Keine öffentliche Thätigkeit bald, die außerhalb dieser nationalen Sphäre
zu süße" wagte, der gesammte Journalismus hat seine Laufgräben aus's
Reue eröffnet und kennt leine classische Wissenschaft und Literatur mehr,
als die von dem Messias des specifischen Deutschthums erzeugt wer¬
den soll. Der Nationalismus " Wut "n-ix streitet in den Kammern
und in den Schulen, in den Städten und auf den Dörfern, in den
Domen und deutschen Flotten, im Diesseits und im Jenseits und
seine psalmodischcn Priester werden nächstens noch mit David ihn be¬
singen : -- nähme ich Flügel der Morgenröthe und flöhe an's äußerste
Meer, - da wo es am tiefsten ist - - siehe, so bist du auch da. Aber
leider! der Herr Professor eifert in seinen eigenen Schatten. Und
wenn wir seine rheumatische Beredtsamkeit auch nicht mit jenem Fran¬
zosen durch die ausländische Sorg-und Achtlosigkeit für seine nationalen
Jnflammatione" motiviren mochten, so sind wir doch ebenso nicht inlandS-
thümlich genug, un ihm ein neues Huhn nach dem Malepertus des
Patriotismus zu liefern.

Die Geschichte des modernen Volksthums war bis auf die Zei¬
ten der Theilung Polens herab vornehmlich die Entwickelung seines
physisch-besonderir Daseins. All dem Kampfe um, und der Erstarkung
in demselben nahmen alle um den damaligen föderativem Centralstaat,
Frankreich, gestellten Staaten, in dem Maße ihrer peripherischen Be¬
ziehung auf diesen, Antheil. Auch die Reibung der Nationalitäten in


Grenzboten. lit. Isi". 4g

den kann, und grade jetzt, wo man seine Ausgleichung mit vereinten
Kräften auf allen Gebieten anstrebt, um so schwieriger geworden ist,
seitdem die deutsche Verminst viel unmittelbarer die Vernunft erkennt,
als Vernunft schlechthin, denn durch die Um- und Rückkehr zu einer
neuen Logik des Deutschthums und als die wissenschaftliche Befreiung
einen neuen Vorsprung gewonnen, dessen Bedeutung den Herzschlag
der ganzen Menschheit selber trifft. Wollte man es nicht mißdeuten,
so meinten wir, Gold und Wesen enthält nur die deutsche Lehre, die
deutsche Praxis aber Schein und Spiel, und wie dies Verhältniß die
Quelle der schwungvollen Innigkeit in der Poesie, so ist eS hinwieder
im wirklichen Leben die Ursache vielfacher Irrthümer und mißglückte?
Selbstvermittelungen. Mau hat sich im Allgemeinen gewöhnt, in der
Freiheit des Worts die Freiheit der Sache, in ihrer Permission ihre
Position zu erblicken und zu glaube», wenn man nur dabei zwischen
Gedanke und That unterscheidet, sogar dein Fortschritt Concessionen
erzwungen zu habe», wen» „es jetzt doch schon erlaubt sei, national
zu sein/' Wir wissen, wie diese „Erlaubniß" benutzt, ja abgenutzt wird.
Keine öffentliche Thätigkeit bald, die außerhalb dieser nationalen Sphäre
zu süße» wagte, der gesammte Journalismus hat seine Laufgräben aus's
Reue eröffnet und kennt leine classische Wissenschaft und Literatur mehr,
als die von dem Messias des specifischen Deutschthums erzeugt wer¬
den soll. Der Nationalismus » Wut «n-ix streitet in den Kammern
und in den Schulen, in den Städten und auf den Dörfern, in den
Domen und deutschen Flotten, im Diesseits und im Jenseits und
seine psalmodischcn Priester werden nächstens noch mit David ihn be¬
singen : — nähme ich Flügel der Morgenröthe und flöhe an's äußerste
Meer, - da wo es am tiefsten ist - - siehe, so bist du auch da. Aber
leider! der Herr Professor eifert in seinen eigenen Schatten. Und
wenn wir seine rheumatische Beredtsamkeit auch nicht mit jenem Fran¬
zosen durch die ausländische Sorg-und Achtlosigkeit für seine nationalen
Jnflammatione» motiviren mochten, so sind wir doch ebenso nicht inlandS-
thümlich genug, un ihm ein neues Huhn nach dem Malepertus des
Patriotismus zu liefern.

Die Geschichte des modernen Volksthums war bis auf die Zei¬
ten der Theilung Polens herab vornehmlich die Entwickelung seines
physisch-besonderir Daseins. All dem Kampfe um, und der Erstarkung
in demselben nahmen alle um den damaligen föderativem Centralstaat,
Frankreich, gestellten Staaten, in dem Maße ihrer peripherischen Be¬
ziehung auf diesen, Antheil. Auch die Reibung der Nationalitäten in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/349>, abgerufen am 24.07.2024.