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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Zur polnischen Krage suo 5DeNtsel,land.
Bö" einem Deutschpolcn.



Von alleil Problemen der Neuzeit, welche die deutsche Gegenwart
bewegen, ist keines, dessen Sinn so einfach und doch so oft verfehlt
würde, als die Frage der Nationalität. Man kann sagen, daß alle
Anstrengungen, die zu ihrer Beantwortung in Deutschland bis dato
gemacht wurden, eine gleiche Reihe von Mißverständnissen und bittern
Erfahrungen des Volkes an sich selbst waren, oder wenigstens zur
Folge hatten. "Das heilige römisch-deutsche Reich -- das Gott er¬
barm," der Freiheitsrausch von !8l5, die Rheincapueinade von
1840, die Alafverheißungen der christlich - germanischen Freiheit, - auf
Allem kann die deutsche Liebe uur mit halbem, wenn nicht gebrochenem,
Herzen weilen. Das soll nicht sein. Das deutsche Herz hegt den
Ruhm der hingebcndsten Treue und bedarf für den Reichthum seines
Gefühls einer würdigeren Braut. Wohl suchte es sie allenthalben,
aber vergebens, und da sie zuletzt auch von seinen Wettfahrten nicht
mit heimkam, so bleibt es jetzt fein zu Hause und- - wartet, bis sie
ihm geschenkt wird.

Die "deutsche Nation" und "deutsche Nationalität" ist nämlich,
obwohl dies ein Franzose sagt und trotzdem, was ihm dagegen gepre¬
digt werden mag, noch wesentlich eine Lehre. Es liegt darin kein
Tadel, wenn man bedenkt, daß in Deutschland seinem geschichtlich-in¬
dividuellen Charakter gemäß alle Aufgaben der Zeit und Ewigkeit den
transcendentalen Weg der Schule durchzukämpfen haben, bevor sie an
die Pforte des Lebens treten dürfen, so daß der Widerspruch zwischen
dem idealen Sein und realen Nichtsein kaum weiter ausgedehnt wer-


Zur polnischen Krage suo 5DeNtsel,land.
Bö» einem Deutschpolcn.



Von alleil Problemen der Neuzeit, welche die deutsche Gegenwart
bewegen, ist keines, dessen Sinn so einfach und doch so oft verfehlt
würde, als die Frage der Nationalität. Man kann sagen, daß alle
Anstrengungen, die zu ihrer Beantwortung in Deutschland bis dato
gemacht wurden, eine gleiche Reihe von Mißverständnissen und bittern
Erfahrungen des Volkes an sich selbst waren, oder wenigstens zur
Folge hatten. „Das heilige römisch-deutsche Reich — das Gott er¬
barm," der Freiheitsrausch von !8l5, die Rheincapueinade von
1840, die Alafverheißungen der christlich - germanischen Freiheit, - auf
Allem kann die deutsche Liebe uur mit halbem, wenn nicht gebrochenem,
Herzen weilen. Das soll nicht sein. Das deutsche Herz hegt den
Ruhm der hingebcndsten Treue und bedarf für den Reichthum seines
Gefühls einer würdigeren Braut. Wohl suchte es sie allenthalben,
aber vergebens, und da sie zuletzt auch von seinen Wettfahrten nicht
mit heimkam, so bleibt es jetzt fein zu Hause und- - wartet, bis sie
ihm geschenkt wird.

Die „deutsche Nation" und „deutsche Nationalität" ist nämlich,
obwohl dies ein Franzose sagt und trotzdem, was ihm dagegen gepre¬
digt werden mag, noch wesentlich eine Lehre. Es liegt darin kein
Tadel, wenn man bedenkt, daß in Deutschland seinem geschichtlich-in¬
dividuellen Charakter gemäß alle Aufgaben der Zeit und Ewigkeit den
transcendentalen Weg der Schule durchzukämpfen haben, bevor sie an
die Pforte des Lebens treten dürfen, so daß der Widerspruch zwischen
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[0348] Zur polnischen Krage suo 5DeNtsel,land. Bö» einem Deutschpolcn. Von alleil Problemen der Neuzeit, welche die deutsche Gegenwart bewegen, ist keines, dessen Sinn so einfach und doch so oft verfehlt würde, als die Frage der Nationalität. Man kann sagen, daß alle Anstrengungen, die zu ihrer Beantwortung in Deutschland bis dato gemacht wurden, eine gleiche Reihe von Mißverständnissen und bittern Erfahrungen des Volkes an sich selbst waren, oder wenigstens zur Folge hatten. „Das heilige römisch-deutsche Reich — das Gott er¬ barm," der Freiheitsrausch von !8l5, die Rheincapueinade von 1840, die Alafverheißungen der christlich - germanischen Freiheit, - auf Allem kann die deutsche Liebe uur mit halbem, wenn nicht gebrochenem, Herzen weilen. Das soll nicht sein. Das deutsche Herz hegt den Ruhm der hingebcndsten Treue und bedarf für den Reichthum seines Gefühls einer würdigeren Braut. Wohl suchte es sie allenthalben, aber vergebens, und da sie zuletzt auch von seinen Wettfahrten nicht mit heimkam, so bleibt es jetzt fein zu Hause und- - wartet, bis sie ihm geschenkt wird. Die „deutsche Nation" und „deutsche Nationalität" ist nämlich, obwohl dies ein Franzose sagt und trotzdem, was ihm dagegen gepre¬ digt werden mag, noch wesentlich eine Lehre. Es liegt darin kein Tadel, wenn man bedenkt, daß in Deutschland seinem geschichtlich-in¬ dividuellen Charakter gemäß alle Aufgaben der Zeit und Ewigkeit den transcendentalen Weg der Schule durchzukämpfen haben, bevor sie an die Pforte des Lebens treten dürfen, so daß der Widerspruch zwischen dem idealen Sein und realen Nichtsein kaum weiter ausgedehnt wer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/348>, abgerufen am 24.07.2024.