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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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"stsorti?-- frug ich mißmurhig. -- II u'e"t jins meare soi ti,-- scholl jetzt
eine dünne hohe Stimme ans der halboffenen Cabiuetsthür, und gleich
darauf erschien ein kleiner Mann, weder mager noch dick, nicht jung
und nicht alt; der etwas gebückte Kopf neigte sich oft zur linken Schulter,
das blasse Gesicht trug deutlich die Spuren einer noch nicht überstan-
denen Krankheit^ kurze branneHaare fielen ordnungslos ans die hohe
gewölbte Stirne lind einige grane, die sich zudringlich unter die dunk¬
lern mengten, riefen still ihre Sarkasmen über die Eitelkeit, womit der
Besitzer noch vor wenigen Jahren mit der Hand durch die romantisch¬
langen Locken fuhr. Es war Heinrich Heine! der Mann, den viele
Deutsche liebten, den Alle eifrig lasen, dem alle Frauenherzen zuflogen,
und der nun gebrochen, lebenssatt und müde vor mir stand. Die linke
Hand war regungslos in die Tasche eines gelben Schlafrocks gesteckt,
die Rechte reichte er mir freundlich zum Gruße.

-- Untre/, ton^oursz Sie bekommen sonst keinen Pariser in seinem
Zimmer zu sehen, wenn Sie den Thürhütern immer glauben wollen,--
rief er lachend und so lant, als ob ich taub wäre, dabei lief er schnell
voran, daß ich kaum folgen konnte.

-- Ich glaubte der ehrlichen Miene der brünetten Dame,-- sagte ich,
von dem Cours durch die drei Zimmer etwas außer Athem. -- Geniren
Sie sich nicht, sagen Sie nur: noirettv!-- lachte er wieder, indem er
nur einen Sitz anbot, -- Madame Heine, oder lÄiiv, wie sie sich nennt,
läßt Vormittags keinen Deutschen zu mir, überhaupt nichts, was nicht
fränkischer Abkunft ist, nicht ein Mal deutsche Briefe, wenn sie nicht
frankirtsind.-- Nach einer Pause, in welcher sich Madame zu ihm ge¬
setzt und er wie gewöhnlich sich belacht hatte, sagteer: --Merkwürdig,
mit welchem richtigen Blick sie die Deutschen erkennt, obgleich sie kein
deutsches Wort versteht, außer wenn ich mit Damen deutsch spreche,
oder wenn sie die... Zeitung liest, "'"-fez"-^ nu>, dick"? -- rief er und
fuhr recht väterlich mit der Hand über ihre schwarzen Scheitel. --Ja,
mein Err"-- sagte sie lächelnd in gebrochenem Deutsch. -- Ich habe
Sie in den ersten Worten als Deutschen erkannt, -- fuhr er zu mir
gewendet fort, -- und mußte so die Gute zur Lügnerin machen.

In diesem Augenblick rief eine heisere, versoffene Stimme im Vor¬
hofe die Siege der polnischen Insurgenten aus, wie zweihundert
Krakauer zwölftausend Feinde in die Flucht geschlagen haben; im Nu
war Madame auf der Treppe und nach einigen Minuten kam sie mit
freudetrunkenen Blicken und einem großen Blatte hereingelaufen.


mich durch Freund H. zu sich laden ließ. —(?'est t!H->, Inn^tkmsis r>n'it
«stsorti?— frug ich mißmurhig. — II u'e«t jins meare soi ti,— scholl jetzt
eine dünne hohe Stimme ans der halboffenen Cabiuetsthür, und gleich
darauf erschien ein kleiner Mann, weder mager noch dick, nicht jung
und nicht alt; der etwas gebückte Kopf neigte sich oft zur linken Schulter,
das blasse Gesicht trug deutlich die Spuren einer noch nicht überstan-
denen Krankheit^ kurze branneHaare fielen ordnungslos ans die hohe
gewölbte Stirne lind einige grane, die sich zudringlich unter die dunk¬
lern mengten, riefen still ihre Sarkasmen über die Eitelkeit, womit der
Besitzer noch vor wenigen Jahren mit der Hand durch die romantisch¬
langen Locken fuhr. Es war Heinrich Heine! der Mann, den viele
Deutsche liebten, den Alle eifrig lasen, dem alle Frauenherzen zuflogen,
und der nun gebrochen, lebenssatt und müde vor mir stand. Die linke
Hand war regungslos in die Tasche eines gelben Schlafrocks gesteckt,
die Rechte reichte er mir freundlich zum Gruße.

— Untre/, ton^oursz Sie bekommen sonst keinen Pariser in seinem
Zimmer zu sehen, wenn Sie den Thürhütern immer glauben wollen,—
rief er lachend und so lant, als ob ich taub wäre, dabei lief er schnell
voran, daß ich kaum folgen konnte.

— Ich glaubte der ehrlichen Miene der brünetten Dame,— sagte ich,
von dem Cours durch die drei Zimmer etwas außer Athem. — Geniren
Sie sich nicht, sagen Sie nur: noirettv!— lachte er wieder, indem er
nur einen Sitz anbot, — Madame Heine, oder lÄiiv, wie sie sich nennt,
läßt Vormittags keinen Deutschen zu mir, überhaupt nichts, was nicht
fränkischer Abkunft ist, nicht ein Mal deutsche Briefe, wenn sie nicht
frankirtsind.— Nach einer Pause, in welcher sich Madame zu ihm ge¬
setzt und er wie gewöhnlich sich belacht hatte, sagteer: —Merkwürdig,
mit welchem richtigen Blick sie die Deutschen erkennt, obgleich sie kein
deutsches Wort versteht, außer wenn ich mit Damen deutsch spreche,
oder wenn sie die... Zeitung liest, »'«-fez»-^ nu>, dick«? — rief er und
fuhr recht väterlich mit der Hand über ihre schwarzen Scheitel. —Ja,
mein Err"— sagte sie lächelnd in gebrochenem Deutsch. — Ich habe
Sie in den ersten Worten als Deutschen erkannt, — fuhr er zu mir
gewendet fort, — und mußte so die Gute zur Lügnerin machen.

In diesem Augenblick rief eine heisere, versoffene Stimme im Vor¬
hofe die Siege der polnischen Insurgenten aus, wie zweihundert
Krakauer zwölftausend Feinde in die Flucht geschlagen haben; im Nu
war Madame auf der Treppe und nach einigen Minuten kam sie mit
freudetrunkenen Blicken und einem großen Blatte hereingelaufen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/344>, abgerufen am 28.08.2024.