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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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und nichts versetzt ihn in so heitere Stimmung, als die Notizen, Nach¬
richten und ZeitungSschlange" über ihn, die sich seit einiger Zeit durch
alle deutsche Blätter ziehen. Freilich ist die linke Hand gelähmt, aber die
Rechte reicht er freundlich noch den Landsleuten, die ihm mehr oder minder
Grüße und frisch gepflückte Lorbeer aus der Heimath bringen, obgleich
mancher von ihnen nicht selten vor seiner Abreise in einem Winkelblatt
ihn geschmäht und verlästert! Auch das linke Auge ist gänzlich ge¬
lähmt und Heine hat es immer geschlossen, aber mit dem rechten Auge
sieht er einer schönern Zukunft Deutschlands entgegen, wo kein Ham¬
burgischer Senator und kein Berliner Gensdarm den besten Söhnen
des Vaterlandes die Rückkehr in die Heimath wird wehren dürfen,
wo kräftige Arme nicht in Amerika den dürren Boden lockern müssen,
weil sie in ihrem "von Gott gesegneten Vaterlande" nicht die Steuer
zahlen konnten, wo Deutschlands Dichter nicht in englischen Buden
um's liebe Brod Geschäftsbriefe schreiben müssen. Viele andere Lyriker
sind bis dahin vergessen, viele blühende Lorbeer- und andere Blätter
verdorrt und abgefallen, mancher jetzt in den Himmel Gehobene liegt
dann in dem ödesten Stück Erde gestürzt, das einem Dichter werden
kann, in der Gleichgiltigkeit seiner einstigen Hörer und Leser, und der
poetische Engel mit dem teuflischen Lachen. Heinrich Heine freut sich
nicht wenig darauf!

ES sind kaum drei Monate, daß ich bei Heine war. Zu den
unvergeßlichen Stunden edleren Genusses in der glücklichen Weltstadt,
dem Mekka der Geister wie des Materiellen, in dem einzigen Paris,
rechne ich den Vormittag, den ich bei Heine verlebte. In die ^-uidmu-A
I>ol"8<">in";i-ti biegt links ein enges Gäßchen ein, das dadurch entstehende
Eckhaus ward mir als Ur. 41, und als Heine'S Wohnung bestimmt.
Ich stieg drei holzbelegte, polirte schmale Treppen, wie man sie so oft
in Pariser Privathäusern findet, hinauf, und stand bald athemlos vor einer
kleinen gelben Thür. Mein geistreicher und liebenswürdiger, so schnell
bekannt gewordener Landsmann Moritz H. hatte vor einigen Tagen
schon von mir mit Heine gesprochen; furchtlos und hoffnungsvoll also
zog ich die grünseidene Glockenschnur. Eine Dame, mit italienischem
Haar und Auge, französischer Toilette und dabei ein guldeutsches
freundliches Lächeln im schalkhaften Gesichte, öffnete die Thür und
sagte, nachdem sie einen kritischen Blick auf meinen vaterländischen
schwarzen Frack geworfen: --Nun"le"i- Le-ne- n'est, p-r" vllo/. lui.--
Das war unangenehm! Ich freute mich schon auf Heine, seitdem ich
seine ersten Lieder gelesen, und besonders seit einigen Tagen, da er


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und nichts versetzt ihn in so heitere Stimmung, als die Notizen, Nach¬
richten und ZeitungSschlange» über ihn, die sich seit einiger Zeit durch
alle deutsche Blätter ziehen. Freilich ist die linke Hand gelähmt, aber die
Rechte reicht er freundlich noch den Landsleuten, die ihm mehr oder minder
Grüße und frisch gepflückte Lorbeer aus der Heimath bringen, obgleich
mancher von ihnen nicht selten vor seiner Abreise in einem Winkelblatt
ihn geschmäht und verlästert! Auch das linke Auge ist gänzlich ge¬
lähmt und Heine hat es immer geschlossen, aber mit dem rechten Auge
sieht er einer schönern Zukunft Deutschlands entgegen, wo kein Ham¬
burgischer Senator und kein Berliner Gensdarm den besten Söhnen
des Vaterlandes die Rückkehr in die Heimath wird wehren dürfen,
wo kräftige Arme nicht in Amerika den dürren Boden lockern müssen,
weil sie in ihrem „von Gott gesegneten Vaterlande" nicht die Steuer
zahlen konnten, wo Deutschlands Dichter nicht in englischen Buden
um's liebe Brod Geschäftsbriefe schreiben müssen. Viele andere Lyriker
sind bis dahin vergessen, viele blühende Lorbeer- und andere Blätter
verdorrt und abgefallen, mancher jetzt in den Himmel Gehobene liegt
dann in dem ödesten Stück Erde gestürzt, das einem Dichter werden
kann, in der Gleichgiltigkeit seiner einstigen Hörer und Leser, und der
poetische Engel mit dem teuflischen Lachen. Heinrich Heine freut sich
nicht wenig darauf!

ES sind kaum drei Monate, daß ich bei Heine war. Zu den
unvergeßlichen Stunden edleren Genusses in der glücklichen Weltstadt,
dem Mekka der Geister wie des Materiellen, in dem einzigen Paris,
rechne ich den Vormittag, den ich bei Heine verlebte. In die ^-uidmu-A
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Eckhaus ward mir als Ur. 41, und als Heine'S Wohnung bestimmt.
Ich stieg drei holzbelegte, polirte schmale Treppen, wie man sie so oft
in Pariser Privathäusern findet, hinauf, und stand bald athemlos vor einer
kleinen gelben Thür. Mein geistreicher und liebenswürdiger, so schnell
bekannt gewordener Landsmann Moritz H. hatte vor einigen Tagen
schon von mir mit Heine gesprochen; furchtlos und hoffnungsvoll also
zog ich die grünseidene Glockenschnur. Eine Dame, mit italienischem
Haar und Auge, französischer Toilette und dabei ein guldeutsches
freundliches Lächeln im schalkhaften Gesichte, öffnete die Thür und
sagte, nachdem sie einen kritischen Blick auf meinen vaterländischen
schwarzen Frack geworfen: —Nun«le»i- Le-ne- n'est, p-r» vllo/. lui.—
Das war unangenehm! Ich freute mich schon auf Heine, seitdem ich
seine ersten Lieder gelesen, und besonders seit einigen Tagen, da er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/343>, abgerufen am 24.07.2024.